«Ausprobieren ist Forschung»

Die ETH Zürich bereitet Nachwuchsforschende auf eine internationale Laufbahn in Wissenschaft und Wirtschaft vor. Im Interview mit ETH-News legt Vizepräsident Detlef Günther dar, wieso die ETH im März 2016 einen karrierebezogenen Fördermechanismus ausschreibt, mit dem junge Forschende früh ein eigenes Forschungsprojekt durchführen können.

Vergrösserte Ansicht: Als Vizepräsident führt Detlef Günther den Schulleitungsbereich Forschung und Wirtschaftsbeziehungen. (Bild: ETH Zürich / Markus Bertschi)
In der Nachwuchsförderung müsse man den Erfolg über viele Jahre aufbauen, sagt Detlef Günther, Vizepräsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen. (Bild: ETH Zürich / Markus Bertschi)

ETH-News: Herr Günther, welche Strategie verfolgt die ETH Zürich, um junge Forschende auf eine Karriere in den Wissenschaften und in der Wirtschaft vorzubereiten?
Detlef Günther: Die ETH Zürich fördert Talente auf allen Stufen von den Studierenden und Doktorierenden bis hin zu den Assistenzprofessuren. Dabei geht es massgeblich darum, dass wir den wissenschaftlichen Nachwuchs auf eine internationale Karriere vorbereiten und durch Förderung motivieren. Kreativ und kritisch denkende Talente sollen sich sowohl in der akademischen Welt als auch in der Industrie zu Führungspersönlichkeiten entwickeln können. Das internationale Forschungsumfeld und die Top-Infrastrukturen der ETH Zürich eröffnen dabei gute Chancen für eine Laufbahn im weltweiten Wettbewerb.

Wenn das internationale Umfeld die Forschenden am Anfang ihrer Laufbahn sowieso fördert, weshalb investiert die ETH Zürich dann zusätzlich in eine eigene Förderung?
Die interne Forschungsförderung gehört zur DNS, zum Wesenskern der ETH. Wir haben schon immer darauf geachtet, dass unser eigenes Förderprogramm die nationale und die internationale Nachwuchsförderung ergänzt und Lücken schliesst. Die ETH-eigenen Fördermöglichkeiten sollen jungen Forschenden einen Weg ebnen, damit sie früh Eigenverantwortung übernehmen, ihr Potential ausschöpfen und ihre Zukunft gestalten können. Infrastruktur ist eine Voraussetzung dafür, aber gute Ideen entstehen im Austausch der Talente mit dem Lehrkörper. Diesen Austausch zu fördern, ist mir wichtig. Ich bin fest überzeugt, dass es an der ETH viele Supertypen gibt, die sich von der Wissenschaft so fasziniert fühlen, dass sie aus innerem Antrieb und Neugierde exzellente Projekte umsetzen. Im ETH Fellows-Programm zum Beispiel haben wir seit 2010 zweihundert jungen Forschenden einen Aufenthalt an der ETH Zürich ermöglicht. Da sehe ich, wie unsere Talente die Stipendien einsetzen, um ihre Laufbahn zu formen.

Welche Akzente setzt die ETH Zürich in ihrer Nachwuchsförderung?
Für Forschende zu Beginn ihrer Laufbahn ist es schwierig, Mittel aus den nationalen und internationalen Förderprogrammen zu erhalten, da sie noch keinen grossen Erfolgsnachweis haben. An dieser Stelle setzen wir an und fördern gezielt exzellente Ideen. Wir unterstützen auch bewusst interdisziplinäre und ausgangsoffene Forschungsprojekte, für die andere Förderinstitutionen selten Mittel vergeben. Die Nachwuchsforschenden sollen etwas Neues ausprobieren. Das ist das Schöne an der Wissenschaft: Manche Projekte führen zu tollen Resultaten und manche nicht zum grossen Erfolg. Das muss man zulassen in der Förderung. Ausprobieren ist ein wesentlicher Bestandteil der Forschung.

Was ist der Schlüssel zum Erfolg in der Nachwuchsförderung?
Was ist ein Erfolg in der Wissenschaft? Was zählt mehr? Eine Publikation oder ein Patent? Der Schlüssel dazu liegt nicht im Gestern, sondern im Vorvorgestern. In der Nachwuchsförderung kann man den schnellen Erfolg, den man heute gerne hätte, nicht kaufen. Man muss ihn vorausdenken. Ihn langsam und über die Jahre aufbauen. Und dann an den Werten festhalten. Seit fast 20 Jahren fördert die ETH zum Beispiel Unternehmensgründungen, und seit 2007 werden an der ETH jedes Jahr über 20 Spin-offs gegründet. Wichtig ist, dass wir die internationale Mobilität aufrechterhalten und uns der Zugang zur europäischen Nachwuchsförderung ab 2017 offen bleibt.

Im März lancieren Sie den «ETH Zurich Career Seed Grant» für Forschende, die am Anfang ihrer Laufbahn stehen. Welches Ziel schwebt Ihnen vor?
Dieses Förderformat richtet sich an Postdoktorierende und Oberassistenten, die an der ETH angestellt sind. Sie sind in einer Karrierephase, in der sie ihr Wissen vertiefen und eigene Forschung betreiben müssen. Mit 50‘000 Schweizer Franken wollen wir sie unterstützen, damit sie neben ihren Aufgaben in der Professur auch ein Forschungsprojekt in eigener Verantwortung umsetzen können.

Welchen Effekt erwarten Sie vom ETH Career Seed Grant auf die Karriereentwicklung junger Forschender?
Mit dem Projektbeitrag geben wir jungen Forschenden eine Möglichkeit, mit der sie weitere Schritte für eine Laufbahn in der Wissenschaft oder in der Industrie einleiten können. Mein Anliegen ist auch, dass die Förderung dazu beiträgt, dass sich Professorinnen und Professoren vermehrt mit Postdoktorandinnen und Postdoktoranden über die Möglichkeiten der Laufbahnentwicklung austauschen.

Inwiefern fördert das neue Instrument Forschung und Innovation?
Mit dem «ETH Career Seed Grant» unterstützen wir Projektideen aus der Grundlagenforschung bis zur angewandten Forschung. Er ist allerdings nicht das Förderinstrument, um eine Geschäftsidee oder innovative Produkte zu entwickeln. Dafür haben wir die «Pioneer Fellowships». In Bereichen wie Energie oder Welternährung haben wir zudem so genannte «Partnership Councils». Bei diesen Expertentreffen können die Postdoktorierenden ihre Projekte den Industriepartnern vortragen. Für unsere Talente ist das wie ein Vorstellungsgespräch – und die Industrie kommt direkt mit der nächsten Generation und ihren Ideen in Verbindung. Damit unterstützen wir beide Seiten, denn das Ringen um gut ausgebildete Arbeitskräfte wird sich in den nächsten Jahren verstärken.

Der ETH Zurich Career Seed Grant

Vergrösserte Ansicht: Der neue ETH Career Seed Grant für Nachwuchsforschende. (ETH Zürich / Gian Marco Castelberg)
Der ETH Career Seed Grant unterstützt Nachwuchsforschende der ETH Zürich. (ETH Zürich / Gian Marco Castelberg)

Der «ETH Zurich Career Seed Grant» ist ein ETH-eigenes Förderinstrument. Es richtet sich an junge Forschende, die in der Karrierephase nach dem Doktorat ein eigenes Forschungsprojekt umsetzen wollen. Ein Projekt einreichen können Postdoktorierende aus allen 16 ETH-Departementen, die an der ETH Zürich angestellt sind. Zu den Projekteingaben gehört ein Unterstützungsschreiben der vorgesetzten Professorin oder des Professors. In einer Pilotphase will die ETH Zürich 2016 rund 20 Grants vergeben. Die Mittel stammen je zur Hälfte aus der internen Forschungsförderung und aus Donationen der ETH Zürich Foundation. Die Evaluation und Auswahl der Projekte erfolgt durch die Forschungskommission der ETH Zürich nach Standards der internationalen, wissenschaftlichen Exzellenz.

Die Termine für die Projekteingabe sind: 1. März 2016 und 1. September 2016.

Weitere Informationen: www.seedprojects.ethz.ch.

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