Akustische Bildgebung mit Umrisserkennung

Wissenschaftler der ETH Zürich haben eine neue Methode entwickelt, um sehr schwache und kurze Schallwellen von längeren zu unterscheiden. Der Einsatz ihrer Technik in der akustische Bildgebung ermöglicht es, bei Objekten spezifisch nur Umrisse zu erkennen.

Vergrösserte Ansicht: Kantenbild des ETH-Schriftzugs. (Bild: Molerón M et al. Nature Communications 2015)
Kantenbild des ETH-Schriftzugs. (Bild: Molerón M et al. Nature Communications 2015)

Mit zurückgeworfenem Schall kann man Objekte sichtbar machen: In der Schifffahrt liefert das Echolot Informationen zum Meeresboden oder zu Fischschwärmen, und Gynäkologinnen nutzen Ultraschallbilder, um Ungeborene im Mutterleib zu untersuchen. Ebenfalls auf Ultraschall basieren Materialprüfungsverfahren, mit denen Eisenbahnschienen oder die Tragelemente von Flugzeugen regelmässig auf Risse untersucht werden.

Forschende der ETH Zürich entwickelten nun eine neue Art von akustischer Bildgebung – eine, die nicht ein ganzes Objekt fotorealistisch wiedergibt, sondern nur dessen Konturen und Kanten. «Das Resultat dieser Art von Messung ist vergleichbar mit dem Effekt, den man mit dem Kantenerkennungsfilter von Bildbearbeitungssoftware erzielt: Per Mausklick können dort die Umrisse von markanten Objekten auf Fotos erkannt werden», erklärt Chiara Daraio, Professorin für Mechanik und Materialien. Bloss basiert ihre Methode nicht auf Software, sondern sie filtert die Information zu den Konturen bereits während der akustischen Messung heraus.

Um das Funktionsprinzip des akustischen Kantenerkennungsfilters zu verstehen, muss man wissen, dass Schallwellen an Kanten auf bemerkenswerte Weise reflektiert werden: Es entstehen dort sogenannte evaneszente Wellen. Diese haben eine deutlich kürzere Wellenlänge als die einfallenden Schallwellen, die sie erzeugten. Ausserdem zerfallen evaneszente Wellen während ihrer Ausbreitung rasch. Sie sind daher nur im Nahbereich dieser Kanten messbar. Zwar gab es schon bisher Methoden, diese Wellen zu messen. Den ETH-Forschenden ist es nun aber gelungen, die evaneszenten Wellen mit einer neuen Methode zu verstärken und vom «normal» reflektierten, längerwelligen Schall zu unterscheiden.

Resonanz-Struktur aus dem 3D-Drucker

Vergrösserte Ansicht: Symbolbild
Die 3D-gedruckte Polymer-Struktur mit den fünf Resonanzkammern. Links sind schwarz die vier Mikrofone erkennbar. Die Struktur ist rund 2,5 Zentimeter breit und hoch. (Foto: Miguel Molerón / ETH Zürich)

Kernstück der Methode ist eine neue Polymer-Struktur, die Miguel Molerón, Postdoc in Daraios Gruppe, entwickelte und auf einem 3D-Drucker herstellte. Es handelt sich dabei um ein Rohr mit quadratischem Querschnitt. Im Innern ist es in fünf nebeneinanderliegende Resonanzkammern unterteilt. Kleine Fenster verbinden die Kammern miteinander. «Diese Struktur verstärkt über die Resonanz die evaneszenten Wellen. Durch den regelmässigen gekammerten Aufbau werden die längeren Wellen herausgefiltert», erklärt Molerón. Am Kopfende der Struktur messen vier Mikrofone den übertragenen Schall.

Um ein Umrissbild von einem Objekt zu erstellen, beschallten die Wissenschaftler das Objekt über einen Lautsprecher mit einem Ton einer bestimmten Frequenz. Auf einem Roboter befestigten sie die Polymer-Struktur mit den Mikrofonen sehr nahe an der Objektoberfläche. So scannten sie systematisch die ganze Oberfläche. Aus der gemessenen Schall-Information konnten sie das Umrissbild erzeugen.

Schnell das Relevante erkennen

Vergrösserte Ansicht: ETH-Schriftzug aus Kunststoff (Schrifthöhe: 7 Zentimeter; oben) und das daraus gewonnene Kantenbild (unten). (Bild: Molerón M et al. Nature Communications 2015)
ETH-Schriftzug aus Kunststoff (Schrifthöhe: 7 Zentimeter; oben) und das daraus gewonnene Kantenbild (unten). (Bild: Molerón M et al. Nature Communications 2015)

Nach Auskunft der Wissenschaftler bringt die neue Messmethode überall dort Vorteile, wo es nicht darum geht, von einem Objekt ein perfektes Bild zu erhalten, sondern wo man möglichst schnell relevante Objektinformationen erfassen muss. «Wir haben eine Methode der akustischen Bildgebung geschaffen, bei der nicht benötigte Information gar nicht erst erfasst wird», sagt ETH-Professorin Daraio. «Um beispielsweise Objekte anhand ihrer Form und Grösse zu klassifizieren, reichen Umrisse und Kanten aus. Ebenso, um Risse oder oberflächliche Materialfehler erkennen zu können», ergänzt Postdoc Molerón.

Bei der Arbeit der ETH-Forschenden handelt es sich um eine Machbarkeitsstudie. Um sie anwendungsreif zu machen, bedarf es noch weiterer Entwicklung. Für die Studie benutzten die Wissenschaftler Schall im hörbaren Bereich. Interessant wäre jedoch auch, die Methode für den kürzerwelligen Ultraschall-Bereich anzupassen. «Da die Ausmasse der Polymer-Struktur auf die Wellenlänge abgestimmt sein muss, müssen wir dazu die Struktur miniaturisieren. Wir wollen nun herausfinden, wie weit wir dabei gehen können», sagt Molerón. Sein Ziel ist, die akustische Bildgebung zu verbessern – für mögliche Anwendungsgebiete in der biologischen Forschung oder der Medizin.

Literaturhinweis

Molerón M, Daraio C: Acoustic metamaterial for subwavelength edge detection. Nature Communications, 25. August 2015, doi: externe Seite10.1038/ncomms9037

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