Ein Taxi zum Stärkekorn

ETH-Pflanzenwissenschaftler entdeckten ein spezielles Protein, das die Bildung von Stärke in Pflanzenzellen massgeblich beeinflusst. Diese Erkenntnis lässt sich möglicherweise in der Lebensmittel- oder Verpackungsindustrie nutzen.

Vergrösserte Ansicht: Photo: from Seung et al. 2015
Forscher haben in der Ackerschmalwand einen Faktoren entdeckt, der die Bildung von Stärke massgeblich beeinflusst. (Bildmontage: ETH Zürich / Seung D et al. 2015)

Stärke dient Pflanzen als Energiespeicher, und als Bestandteil der Nahrung Mensch und Tier als wichtige Kohlenhydratquelle. Ausserdem wird sie in der Lebensmittel-, Bau-, Papier- und Textilindustrie gebraucht. Ein für Menschen eher schwer verdaulicher Bestandteil der Stärke, die Amylose, dient unter anderem als Binde- oder Geliermittel in der Nahrungsindustrie.

Trotz der hohen Bedeutung der Stärke für Pflanze, Mensch und Industrie, versteht die Forschung nur unvollständig, wie sie gebildet wird. Forscherinnen und Forscher aus der Gruppe von Samuel Zeeman, Professor für Pflanzenbiochemie der ETH Zürich, haben nun ein wichtiges Puzzleteil gefunden, welches das Bild des Stärkeaufbaus ergänzt. Dies berichteten sie soeben in der Fachzeitschrift «Plos Biology».

Solarer Energiespeicher

Tagsüber, wenn die Sonne scheint, betreiben grüne Pflanzen Photosynthese. Sie stellen dabei mit Kohlendioxid aus der Luft Zucker her, der ihren Stoffwechsel befeuert. Überschüssiger Zucker wird in Stärkekörner umgewandelt, welche die Pflanzen in ihren Blättern speichern. Nachts, wenn die Energie benötigt wird und die Photosynthese stillsteht, zapfen Pflanzen diesen Zuckerspeicher an.

Stärke ist jedoch mitnichten etwas Einheitliches, sondern sie besteht aus verschiedenen Komponenten; zu einem grösseren Teil aus dem sogenannten Amylopektin, einem reich verzweigten leicht verdaubaren Mehrfachzucker, und zu einem kleineren Teil aus der linear aufgebauten Amylose.

Neues Gen entdeckt

Bis anhin kannte man nur ein Enzym, das, auf Stärkekörner sitzend, am Aufbau der Amylose beteiligt ist. Ohne dieses molekulare Maschinchen, das als Granular Bound Starch Synthase (GBSS) bekannt ist, kann die Pflanze keine Amylose aufbauen.

Mit einer systematischen Suche in der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) nach weiteren möglichen Genen, die bei der Stärkeproduktion aktiv sind, entdeckten die Forschenden um Zeeman nun eines, das ebenfalls in die Amylosebildung involviert ist. Dieses Gen kodiert für ein Protein, das vorübergehend an GBSS und an Stärke binden kann, um ersteres an seinen Einsatzort zu führen. Deshalb benannte der Entdecker des Gens (respektive des Proteins), Zeemans Doktorand David Seung, dieses Molekül als «Protein Targeting to Starch» (PTST).

Moleküle bedingen sich gegenseitig

Um seine Rolle zu klären, führten die Forschenden Experimente mit mutierten Pflanzen durch. Diese Mutationen unterdrückten die Bildung von PTST. Dies führte dazu, dass den Mutanten auch Amylose komplett fehlte, obwohl der Gesamtgehalt an Stärke gleich hoch war wie in einer Wildpflanze. Die Pflanzenforscher schlossen daraus, dass die Ackerschmalwand für den Amyloseaufbau zwingend auf PTST angewiesen ist. Zu ihrer Überraschung entdeckten die Forscher, dass GBSS, das häufigste Enzym das an Pflanzenstärkekörner gebunden ist, in mutierten Pflanzen kaum zu finden war. Wie liess sich dies erklären?

Indem die Forschenden die beiden Proteine mit fluoreszierenden Stoffen markierten, konnten sie dieses Rätsel schliesslich lösen: GBSS braucht PTST, denn dieses ist das Taxi, welches GBSS zu den Stärkekörnern transportiert. Nachdem PTST das GBSS aufgesammelt hat, «parkiert» es kurzzeitig auf der Oberfläche der werdenden Stärkekörner, um die Fracht abzuladen. Danach löst sich PTST wieder vom Stärkekorn, während GBSS mit der Amylose-Synthese weitermacht. Ausserdem scheint das Transportprotein auch für die Stabilität von GBSS nötig zu sein. Ohne PTST und ohne Anbindung an das Stärkekorn ist GBSS unstabil.

Das PTST-Taxi beeinflusst auch die Menge der gebildeten Stärke, obwohl es selbst nur ein Transportvehikel ist. Verstärkten die Wissenschaftler in Versuchspflanzen die Bildung von GBSS, konnten die Pflanzen trotzdem nicht mehr Stärke bilden. «Es nützt wenig, mehr Fahrgäste aufzubieten, welche Stärke synthetisieren sollen, wenn es an Taxis fehlt», sagt der ETH-Professor. Umgekehrt stellten die Pflanzenwissenschaftler fest, dass eine Vermehrung der Taxis, also ein verstärkte Bildung von PTST ebenfalls nicht zu einer Steigerung der Stärkeproduktion führt, da den Taxis die Fahrgäste fehlen.

Stärkegehalt nach Bedarf?

Das Protein PTST kommt indes nicht nur in der Ackerschmalwand vor. Es ist entwicklungsgeschichtlich konserviert; das heisst, es entstand im Laufe der Evolution der Pflanzen schon früh, blieb in den neu entstehenden Arten erhalten und veränderte sich seither kaum. So kommt es denn auch in vielen Pflanzen vor, unter anderem in verschiedenen Getreidearten. Welche Rolle es dort spiele, müsse noch geklärt werden, sagt Zeeman. «Diese Entdeckung zeigt uns dennoch einen möglichen Weg auf, mit dem wir den Amylose-Gehalt in Nutzpflanzen bedarfsgerecht regulieren können», sagt der Pflanzenwissenschaftler.

Die neue Erkenntnis könnte dereinst dazu genutzt werden, um reine Amylose für industrielle Anwendungen zu erzeugen. Amylose kann als Lebensmittelzusatz zur Gelierung von Saucen oder Puddings sowie zur Produktion von biologisch abbaubaren Verpackungen genutzt werden. Dies sei der Grund dafür, weshalb sie ihre Entdeckung mit einem Patentantrag, den sie über ETH Transfer stellten, schützen.

Die spezielle Funktion von PTST entdeckte David Seung während seiner Doktorarbeit. Der Australier erhielt zuvor einen ETH Excellence Scholarship, was ihm ermöglichte, für seine Masterausbildung nach Zürich zu kommen.

Literaturhinweis

Seung D, Soyk S, Coiro M, Maier BA, Eicke S, Zeeman SC: Protein Targeting to Starch is Required for Localising Granule-Bound Starch Synthase to Starch Granules and for Normal Amylose Synthesis in Arabidopsis, Plos Biology, 24. Februar 2014, doi: externe Seite10.1371/journal.pbio.1002080

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