Suche nach Gravitationswellen eingeläutet

Die Europäische Weltraumorganisation ESA möchte ab 2034 mit Raumsonden erstmals experimentell Gravitationswellen nachweisen. Bereits übernächstes Jahr startet dazu eine Vorbereitungsmission, an der auch die ETH Zürich beteiligt ist. ETH-News sprach darüber mit Domenico Giardini, Professor am Institut für Geophysik.

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Mit der Raumsonde «LISA Pathfinder» sollen ab 2015 Schlüsseltechnologien für die Detektion von Gravitationswellen getestet werden. (Illustration: ESA)

Am vergangenen Freitag veröffentlichte die Europäische Weltraumorganisation ESA ihren Fahrplan für ihre nächsten Grossmissionen. Teil dieses Plans ist eine Grossmission zur Suche nach Gravitationswellen im All rund um das Jahr 2034. Die Existenz dieser Wellen hat Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorausgesagt. Trotz intensiven Bemühungen in den letzten Jahren gelang es der Wissenschaft bislang nicht, sie experimentell nachzuweisen. Im Grossprojekt eLISA ist geplant, mit Raumsonden auf einer Umlaufbahn um die Sonne diese Wellen zu messen. Die Schlüsseltechnologien des Grossprojekts sollen bereits ab übernächstem Jahr in einer Vorbereitungsmission («LISA Pathfinder») getestet werden. Die ETH Zürich ist über die Gruppe von Domenico Giardini, Professor für Seismologie und Geodynamik, Teil eines internationalen Konsortiums, das die Vorbereitungsmission entwickelt und die Grundsteine für die Grossmission gelegt hat.

ETH-News: Was möchte man mit der Vorbereitungsmission «LISA Pathfinder» erreichen?
Domenico Giardini: Über eine Weltallmission zur Detektion von Gravitationswellen wird schon seit vielen Jahren diskutiert. Man war sich jedoch immer bewusst, dass sie sehr schwierig werden wird, da die dafür nötigen Technologien erst noch entwickelt werden müssen. Man wählte daher ein Vorgehen in zwei Schritten. «LISA Pathfinder» beinhaltet schon rund die Hälfte der Technologien der eLISA-Grossmission und ermöglicht so, diese zu testen. Die Vorbereitungsmission wird keine Forschungsresultate zu Gravitationswellen, sondern nur Daten zu den entwickelten Sensoren und zur verwendeten Elektronik liefern.

«Das LISA-Pathfinder-Konsortium hat uns für die Mitarbeit angefragt, weil wir grosse Erfahrung mit Seismometer-Elektronik haben.»Domenico Giardini
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Domenico Giardini (Bild: ETH Zürich)

Im Prinzip sind aber dieselben Detektoren an Bord, die man auch bei der Grossmission nutzen möchte?
Grundsätzlich ja. Bei der Grossmission wird es jedoch darum gehen, mit Laserstrahlen die Distanz zwischen drei Raumsonden zu messen, die jeweils eine Million Meilen voneinander entfernt und in einem Dreieck angeordnet sind. Durchläuft eine Gravitationswelle das Dreieck, so verändern sich die Abstände der Raumsonden geringfügig. Die grosse Herausforderung ist es, über eine Strecke von einer Million Meilen Distanzänderungen von weniger als hundert Milliardstel Millimeter zu messen. Bei «LISA Pathfinder» geht es allerding um kleinere Strecken. Hier werden dieselben Sensoren den Abstand von zwei 35 Zentimeter voneinander entfernten tischtennisballgrossen Gold-Platin-Würfeln messen. Jeder Würfel schwebt in einem Vakuumbehälter im Innern der Raumsonde. Die Instrumente in «LISA Pathfinder» haben aber bereits immerhin ein Zehntel der Messgenauigkeit, die dereinst für eLISA nötig sein wird.

Was ist der Beitrag der ETH an der LISA-Pathfinder-Mission?
Das LISA-Pathfinder-Konsortium hat uns für die Mitarbeit angefragt, weil wir grosse Erfahrung mit Elektronik haben, die normalerweise in Seismometern benutzt wird, um Erdbeben zu detektieren. In der LISA-Pathfinder-Raumsonde hat es neben der erwähnten Distanzmessung mit Laserstrahlen noch ein zweites Distanzmesssystem, das mit sogenannten Näherungssensoren (Englisch: Proximity sensors) funktioniert. Damit wird die Position der Gold-Platin-Würfel im Vakuumbehälter hochpräzise bestimmt. Der Näherungssensor erzeugt ein elektromagnetisches Feld. Bewegt sich ein Würfel, wird das elektromagnetische Feld verändert, was vom Sensor registriert wird. Dieses Messsystem ist ganz ähnlich wie das eines Seismometers. Wir haben auch Erfahrung mit solchen Systemen bei Weltraummissionen. Unsere Elektronik-Gruppe ist unter der Leitung von Peter Zweifel an der Marsmission Insight der Nasa beteiligt, bei der zur Erforschung des Innern des roten Planeten 2016 ein Seismometer auf dessen Oberfläche abgesetzt werden soll.

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Blick ins Innere der Raumsonde «LISA Pathfinder». In Gelb sind die beiden Gold-Platin-Würfel dargestellt. (Illustration: ESA)

Wozu werden diese seismometer-ähnlichen Näherungssensoren bei «LISA Pathfinder» gebraucht?
Die Raumsonde verfügt über Mikroantriebsmechanismen, mit denen sie ihre Position leicht variieren kann. Sie sorgt so dafür, dass die Gold-Platin-Würfel die Behälterwand nie berühren und sie sich immer im freien Fall befinden. Dazu muss die Sonde stets die genaue Position der Würfel kennen. Seit 10 Jahren hat unsere Gruppe zusammen mit der Schweizer Industrie und mit Unterstützung des Swiss Space Office an diesem Projekt gearbeitet. Die Elektronik haben wir jetzt geliefert, und nun erwarten wird mit Spannung, dass die Raumsonde übernächstes Jahr ins All gebracht wird. Die ETH Zürich wird dann auch an der Datenanalyse beteiligt sein.

Und wie sieht es mit der Grossmission eLISA aus?
Sobald die LISA-Pathfinder-Mission erfolgreich abgeschlossen ist, beginnen die Vorbereitungen für eLISA, wobei dafür noch weitere Technologien entwickelt werden müssen. Wir werden gemeinsam mit Kollegen an der Universität Zürich die Unterstützung des Swiss Space Office anfragen, an dieser spannenden Mission teilzunehmen. An der ETH beabsichtigen wir, uns neben dem Bau von Teilen der Steuerungselektronik des Satelliten auf die Detektion und Charakterisierung der Gravitationswellen zu konzentrieren. Das Team der Universität Zürich unter der Leitung von Philippe Jetzer, Professor für Theoretische Physik, wird sich auf die astrophysikalischen Anwendungen und Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie fokussieren. Wie alle anderen ESA-Grossmissionen ist eLISA ein Generationenprojekt mit einem Horizont von 15 bis 20 Jahren. Das wird eher ein Projekt für meinen Nachfolger oder meine Nachfolgerin.

Wagen Sie eine Prognose: Wird man damit tatsächlich erstmals Gravitationswellen messen können?
Wenn eLISA wie geplant fliegt – und wenn Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie stimmt, wovon ich ausgehe –, dann wird man damit bestimmt Gravitationswellen messen können. Ob es aber das erste Mal sein wird, oder ob es bereits zuvor mit neuen Technologien von einem Observatorium auf der Erde aus gelingen wird, Gravitationswellen einer besonders starken Quelle – beispielsweise eines nahen schwarzen Lochs im Weltraum – zu detektieren, wird sich zeigen. eLISA wird so präzise sein, dass man damit nicht nur wenige besonders starke Quellen, sondern Tausende von Quellen messen kann, was helfen wird, ein neues Verständnis des Universums zu entwickeln.

Domenico Giardini ist Professor am Institut für Geophysik. Von 2004 bis 2005 war er Vorsteher des Departements Erdwissenschaften und von 1997 bis 2011 Direktor des Schweizerischen Erdbebendiensts.

 

Gravitationswellen

Die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein sagt voraus, dass immer dann, wenn Massen beschleunigt werden, Gravitationswellen entstehen, die sich im Raum mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen. Das Konzept ist ähnlich der elektromagnetischen Strahlung, die entsteht, wenn elektrische Ladungen beschleunigt werden. Im Gegensatz zur elektromagnetischen Strahlung sind Gravitationswellen jedoch bisher noch nie in einem Experiment gemessen worden. Der Nachweis letzterer gilt als schwierig. Im Projekt eLISA wird versucht, die beispielsweise bei der Fusion zweier schwarzer Löcher entstehenden Gravitationswellen mit einem sogenannten Laser-Interferometer im Weltall zu messen (siehe Interview).

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