Detailaufnahme der Wand

Mittagssonne auf Knopfdruck

An der ETH Zürich gibt es einen Raum, in dem die Sonne auf Knopfdruck scheint wie Mittags in der Sahara oder wie im Januar in Berlin. Forschende testen damit neu entwickelte Gebäudesysteme, -teile, und -materialien.

von Michael Walther
(Bild: ETH Zurich / Girts Apskalns)

In Kürze

  • Im Zero Carbon Building Systems Lab können Forschende verschiedene klimatische Bedingungen simulieren, um neue Gebäudesysteme, -teile und -materialien zu testen.
  • Eine künstliche Sonne aus hunderten von starken Leuchtdioden kann den Lauf der Sonne imitieren, um die Wirkung der Sonneneinstrahlung zu testen.
  • Wände, Böden und Decken des Labors lassen sich durch Prototypen austauschen. So können diese vor Ort getestet und schnell weiterentwickelt werden.

Wie gut schützt das neue Baumaterial vor der Mittagshitze in Marrakesch? Wie muss die neue Fassade gedruckt werden, damit es im Berliner Winter nicht zu kalt und im Sommer nicht zu heiss wird?

ETH-Forschende können das nun eins zu eins simulieren, in einem silbergrauen Bau auf dem Hönggerberg, dem Zero Carbon Building Systems Lab. Das Labor wurde von Arno Schlüter, ETH-Professor für Architektur und Gebäudesysteme, initiiert.

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(Video: ETH Zürich / Girts Apskalns und Nicole Davidson)

Für Gebäude, die die Sonne nutzen

In dem neuen Labor können Forschende einfacher und schneller testen, wie sich neu entwickelte Gebäudesysteme, -teile und -materialien unter verschiedenen klimatischen Bedingungen bewähren. Der Sonnenstand, die Zusammensetzung der Strahlung, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit können so reguliert werden, dass sie einem fast beliebigen Punkt auf der Erde entsprechen, an einem beliebigen Tag im Jahr.

Das Herzstück des Labors ist eine Weltneuheit: Eine künstliche Sonne aus hunderten von starken Leuchtdioden, befestigt an einem schwenkbaren Arm, dank dem die Anlage den Lauf der Sonne an verschiedenen Orten auf der Welt imitieren kann. Der Simulator entwickelte Schlüters Gruppe in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie.

Neben dem Raum mit der künstlichen Sonne gibt es auf der Südseite des Gebäudes zwei weitere Testzellen, die dem natürlichen Sonnenlicht und dem Aussenklima ausgesetzt sind.

Bauteile schneller testen

Speziell an dem Labor ist, dass sich die Aussenwände, Decken oder Böden der drei Forschungszellen austauschen und mit Prototypen bestücken lassen. Auf diese Weise lassen sich Gebäudeteile, die zum Beispiel im robotischen Fertigungslabor nebenan entwickelt werden, sofort in voller Grösse auf ihre Leistungsfähigkeit testen und schneller weiterentwickeln.

Vergrösserte Ansicht: Grafik, wie die Module eingesetzt werden können
Aussenwände, Decken oder Böden der Forschungszellen lassen sich austauschen und mit Prototypen bestücken. (Bild: ETH Zürich)

So auch eine halbtransparente Fassade aus gedrucktem Polymer, die das Sonnenlicht durch ihre Struktur je nach Einfallswinkel abschirmt oder passieren lässt. Entwickelt wird sie von Schlüters Gruppe zusammen mit Forschenden aus der Gruppe der ETH-Professoren Fabio Gramazio und Matthias Kohler sowie jener von Benjamin Dillenburger im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunktes (NCCR) Digitale Fabrikation.

Bild der gedruckten Fassade
Eine halbtransparente Fassade aus gedrucktem Polymer ist bereit für den Test mit der künstlichen Sonne. (Bild: ETH Zürich)

Bald getestet werden sollen auch 3D-gedruckte Bauteile für Fassaden, die dank einer ausgeklügelten Makrostruktur Sonnenwärme passiv von der Fassade ins Innere von Gebäuden leiten können oder nach Bedarf auch isolierend wirken.

Weiterentwickelt wird im Labor zudem die adaptive Solarfassade aus Schlüters Gruppe. Ihre beweglichen Solarpanels richten sich nach dem Sonnenstand und maximieren dadurch den Energiegewinn. Sie können zudem Schatten spenden oder die Sonnenstrahlen passieren lassen, sodass weniger Heiz- oder Kühlenergie benötigt wird.

Im Zero Carbon Building Systems Lab soll das intelligente System anhand der Interaktionen von Benutzer:innen lernen, die Panels so auszurichten, dass ein Maximum aus Energiegewinnung und Komfort resultiert. Weil die Forschungsräume begeh- und bewohnbar sind, kann auch das Verhalten von Nutzer:innen mit einbezogen und ausgewertet werden.

Auf dem Weg zu klimaneutralen Gebäuden

Das Labor soll dazu beitragen, dass Gebäude in der Herstellung und im Betrieb klimaneutral werden. Schlüter sagt dazu: «Wenn man die Treibhausgas-Emissionen von Gebäuden senken will, spielen Materialien, Gebäudetechnik und das Verhalten der Bewohner eine Rolle. Im Zero Carbon Building Systems Lab können wir das Zusammenspiel dieser Faktoren erforschen.»

In dem Labor sollen verschiedene Disziplinen miteinander forschen: Architekt:innen und Bauingenieur:innen mit Informatiker:innen und Materialwissenschaftler:innen. Auch soll es für die Ausbildung der Studierenden eine wichtige Rolle spielen, Doktorierende und Masterstudierende etwa sollen dort Raum für Experimente finden und am Beispiel lernen, wie klimaschonende Gebäude entwickelt werden können. Zudem soll das Labor auch externen Forschern und für Industriepartnerschaften offenstehen.

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