«Ich bin fasziniert, wie detailliert wir unseren Planeten durchleuchten können.»

Der Seismologe Andreas Fichtner erkundet mit neuesten Technologien das Innere der Erde. Seine Forschung mit seismischen Wellen findet auch Anwendung in der Medizin.

Porträtfoto von Andreas Fichtner
Seismologe Andreas Fichtner: «Erdbeben vorherzusagen ist, wie wenn man eine Nadel auf ihrer Spitze balancieren und dann präzise wissen möchte, wann sie in welche Richtung kippt, nur viel komplexer.» (Bild: ETH Zürich / Daniel Winkler)

Trägt Ihre Forschung dazu bei, Erdbebenvorhersagen zu verbessern?
Erdbeben vorherzusagen ist, wie wenn man eine Nadel auf ihrer Spitze balancieren und dann präzise wissen möchte, wann sie in welche Richtung kippt, nur viel komplexer. Daher konzentrieren wir uns darauf, das Innere der Erde so genau wie möglich zu erkunden, um die Mechanismen von Erdbeben und die von ihnen verursachten Erschütterungen besser quantifizieren zu können.

Was ist dabei Ihre neueste Erkenntnis?
Ich bin fasziniert und überrascht, wie detailliert man unseren Planeten mithilfe moderner Technologien durchleuchten kann. Dazu zählen nicht nur Hochleistungsrechner und schnellere Simulationsalgorithmen, sondern auch Glasfasernetzwerke aus der Telekommunikation, die wir heute als dichte Sensornetzwerke nutzen können.

Kommt die Rechnerleistung denn bald an ihre Grenzen?
Das grössere Problem als die Leistungsgrenze der Technologien ist eher die schnell steigende Anzahl der Nutzer und deren zunehmenden Bedürfnisse. Ob neue Ansätze wie Quantum Computing da eine Verbesserung bringen könnten, versuchen wir aktuell herauszufinden.

Sie arbeiten auch mit Spitälern zusammen. Was können Sie als Seismologe zur medizinischen Forschung beitragen?
Wir leisten Grundlagenforschung zur Entwicklung neuer bildgebender Verfahren in der Medizin. Es geht darum, moderne Simulations- und Analysealgorithmen, die wir für die Erde entwickelt haben, auf die viel kleineren räumlichen Skalen in der Medizin zu adaptieren. Dabei nutzen wir aus, dass die Physik und die Mathematik von seismischen Wellen und Ultraschallwellen sehr ähnlich sind.

Sie sind Forscher, Mitgründer des ETH-Spin-offs Mondaic und Studiendirektor des Departements Erdwissenschaften. Haben Sie noch Zeit für Musse?
Musse wäre nicht Musse, wenn man genügend Zeit für sie hätte. Dass ich das eher nicht habe, ist ein Preis, den ich gerne und bewusst dafür zahle, dass mein Beruf mein Hobby ist, ich an faszinierenden Themen arbeiten darf, die die Menschheit hoffentlich etwas voranbringen, und dabei von einem brillanten Team umgeben bin! 

Zur Person

Andreas Fichtner ist Professor für Seismologie und Wellenphysik am Departement Erdwissenschaften.

«Globe» Mensch im Mittelpunkt

Globe 23/04 Titelblatt

Dieser Text ist in der Ausgabe 23/04 des ETH-​​​​Magazins Globe erschienen.

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