Brustkrebs mit 3D-Röntgen früher erkennen

Ein Forschungsteam der ETH Zürich und des Paul Scherrer Instituts PSI will zusammen mit dem Kantonsspital Baden und dem Universitätsspital Zürich ein Verfahren zur Brustkrebsdiagnostik verbessern.  

Michal Rawlik (links), Erstautor der Veröffentlichung, und Marco Stampanoni hoffen, die Brustkrebsdiagnostik mit dem neuen Verfahren entscheidend verbessern zu können.
Michal Rawlik (links), Erstautor der Veröffentlichung, und Marco Stampanoni hoffen, die Brustkrebsdiagnostik mit dem neuen Verfahren entscheidend verbessern zu können. (Bild: Paul Scherrer Institut/Markus Fischer)

In Kürze

  • Forschende der ETH Zürich, des Paul Scherrer Instituts PSI, des Kantonsspitals Baden und des Universitätsspitals Zürich haben einen Meilenstein auf dem Weg zu einer verbesserten Brustkrebsvorsorge erreicht. 
  • Sie haben nachgewiesen, dass sich mit einer neuartigen 3D-Röntgen-Computertomografie Brust-Tumore früher erkennen lassen als mit konventioneller Computertomografie. 
  • Die neue Gitterinterferometrie-Computertomografie übertrifft die herkömmliche Methode in puncto Auflösung und Kontrast deutlich. Dies kann die Heilungschancen betroffener Frauen erhöhen.

Im Jahr 2020 war Brustkrebs weltweit die am häufigsten diagnostizierte Krebsart mit über zwei Millionen Fällen. Bei Frauen macht sie rund ein Viertel der Krebsfälle aus und ist für 15,5 Prozent der krebsbedingten Todesfälle verantwortlich. Je früher es eine gesicherte Diagnose gibt und die passende Therapie einsetzen kann, desto höher sind die Überlebenschancen. Daher arbeiten Forscher:innen weltweit daran, diese Frühdiagnostik zu verbessern.

Nun ist es einem Team von Forschenden des Paul Scherrer Instituts PSI, der ETH Zürich zusammen mit dem Kantonsspital Baden (KSB) und dem Universitätsspital Zürich (USZ) gelungen, das Verfahren zur Früherkennung von Tumoren so weiterzuentwickeln, dass es erheblich zuverlässigere Ergebnisse liefert und für die Patientinnen weniger unangenehm ist. Die Forschenden haben dabei die herkömmliche Computertomografie (CT) so erweitert, dass die Auflösung der Bilder bei gleicher Strahlendosis deutlich verbessert wird.

So sind etwa kleine Einlagerungen von Kalk, sogenannte Mikrokalzifizierungen, die auf Brustkrebs hinweisen, potenziell früher als bislang erkennbar. Dies könnte die Heilungschancen von betroffenen Frauen erhöhen. Laut den Expert:innen könnte das Verfahren auf Basis des Röntgenphasenkontrasts zügig in die klinische Anwendung kommen. «Ein bisschen Zeit brauchen wir noch«, sagt Marco Stampanoni, Forschungsgruppenleiter am PSI sowie Professor für Röntgenbildgebung an der ETH Zürich. «Aber wir haben mit unserer Arbeit einen Meilenstein auf dem Weg dahin erreicht.»

Wie wirksam ist Mammografie?

Eine genauere Früherkennung von Tumoren ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Brustkrebs. Aktuell dienen Mammografie-Screening-Programme als Vorsorge-Instrument in vielen Industrieländern. Allein, die Wirksamkeit von Mammografie ist umstritten.

Kontrollstudien stellten fest, dass nur 46 Prozent der im Screening entdeckten Verdachtsfälle tatsächlich Krebsfälle sind. Ein falscher Alarm kann Betroffene stark belasten, da es zwei bis drei Wochen dauern kann, bis das Ergebnis der Biopsie Entwarnung bringt. Daneben übersieht die Mammografie gemäss Studien 22 Prozent der tatsächlichen Fälle, wiegt Betroffene also in falscher Sicherheit. Das ist noch gravierender, da wertvolle Zeit zur Therapie verstreicht.

Der Grund für die genannten Schwächen ist, dass selbst Fachkräfte die Mammografie-Bilder schwer interpretieren können. Das weiche Gewebe der Brust bietet beim Röntgen nur einen begrenzten Kontrast. Zudem bleibt das komplizierte Innere der Brust bei zweidimensionaler Durchleuchtung oft unklar. Um für die Röntgenuntersuchung überhaupt zugänglich zu sein, muss die Brust stark zusammengedrückt werden.  Patientinnen empfinden das mitunter als unangenehm oder gar als schmerzhaft, weshalb manche Frauen nicht zur Vorsorge gehen.

Dreidimensionales Röntgen bringt Vorteile

Beim Röntgenphasenkontrast erweitern Forschende die Tumordiagnostik mit zusätzlichen physikalischen Informationen. Das heisst, sie ziehen Informationen zur Bild-Erstellung heran, die beim konventionellen Röntgen unberücksichtigt bleiben. Das sind die Signale, die bei der Brechung und der Streuung der Strahlen am biologischen Gewebe entstehen.

Denn Röntgenstrahlen werden beim Passieren von Strukturen unterschiedlicher Dichte nicht nur abgeschwächt, sondern auch gebrochen und gebeugt. Mithilfe dieser Informationen lassen sich sowohl der Kontrast der Bilder als auch deren Auflösung verbessern, kleinste Objekte sind leichter zu identifizieren.

Vergrösserte Ansicht: Vergleich von Aufnahmen mit der konventionellen Computertomografie und mit den neuen GI-CT-Bildern
Vergleich der konventionellen Computertomografie mit den neuen GI-CT-Bildern. Die erhöhte Bildqualität des GI-CT zeigt sich besonders gut bei kleinen Merkmalen (siehe Pfeil). (Bild: Optica/X-Ray Tomography Group)

Die Forschenden des PSI, der ETH, des KSB und des USZ nutzen eine Methode, die aus der physikalischen Messtechnik bekannt ist: die Gitter-Interferometrie (auf Englisch: Grating-Interferometry, kurz: GI). Die Röntgenstrahlen passieren nicht nur das zu untersuchende Objekt, sondern zusätzlich drei Gitter mit einem Linienabstand von wenigen Mikrometern, welche die zusätzlichen Informationen sichtbar machen. In der Fachzeitschrift Optica publizierte die Arbeitsgruppe um Stampanoni mehrere Bilder, die die Vorteile der GI-Computertomografie in puncto Auflösung und Kontrast gegenüber dem herkömmlichen Röntgen deutlich belegen.

Das dafür nötige Röntgenlicht lässt sich mit einer konventionellen Röntgenquelle erzeugen und entspricht etwa der Strahlendosis, die auch bei konventionellen Computer-Tomografien der Brust auftritt. «Unser Ziel ist, die Dosis um das Zwei- bis Dreifache zu verringern, bei gleichbleibender Auflösung oder eine Erhöhung der Auflösung um 18 bis 45 Prozent – jeweils im Vergleich zum herkömmlichen Röntgen», erklärt Physiker Michał Rawlik, Erstautor der Publikation und Mitglied des Forschungsteams rund um Stampanoni.

Mehr Komfort bei Krebs-Früherkennung

Die Zulassung von Swissmedic vorausgesetzt, planen die Forschenden mit dem Start von klinischen Versuchen zusammen mit den klinischen Partnern USZ und KSB bis Ende 2024. Bis dahin soll ein Prototyp des dazu notwendigen Gerätes einsatzbereit sein, mit welchem erstmals Patientinnen untersucht werden können. Für diese Testreihen planen die Forschenden laut Stampanoni eine Projektdauer von ein bis zwei Jahren. «Falls alles wie geplant läuft, kann mit der Entwicklung eines kommerziellen Geräts und Studien in ausgewählten Kliniken begonnen werden», sagt der Forscher.

Die Neuentwicklung soll auch den Komfort der Vorsorgemethode deutlich verbessern. Das Gerät wird so aufgebaut sein, dass die Patientin auf dem Bauch auf einer Liege mit Aussparungen im Brustbereich ruht. Darunter und von der Patientin abgeschirmt befindet sich der Tomograf, dessen Messeinrichtung um die Brüste herum rotiert und ein dreidimensionales Bild erstellt.

«Dank des Röntgenphasenkontrasts können feine Gewebedetails sichtbar gemacht werden», ergänzt die an der Forschungsarbeit beteiligte Rahel Kubik-Huch, Direktorin des Departementes Medizinische Dienste am KSB und Chefärztin Radiologie. «In diesem translationalen Projekt soll das Potenzial dieser Technik bei der Früherkennung von Brustkrebs ausgelotet werden. Das KSB ist sehr daran interessiert, die Forschungskooperation mit dem PSI und der ETH Zürich weiter voranzutreiben. Die Hoffnung ist, dass dereinst unsere Patientinnen von diesen Fortschritten profitieren können.»hh

Dies ist eine leicht bearbeitete Version einer externe SeiteMedienmitteilung, die beim Paul Scherrer Institut PSI erschienen ist. Werner Siefer ist freischaffender Journalist und Sachbuchautor.

Literaturhinweis

Rawlik, M et al. Increased dose efficiency of breast CT with grating interferometry. Optica, 18.07.2023. DOI: externe Seite10.1364/OPTICA.487795
 

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert