Auf der Suche nach neuer Physik
Für ihre herausragende Leistung in der theoretischen Physik wurde Lavinia Heisenberg mit dem ETH Latsispreis ausgezeichnet. Die Professorin träumt davon, Astronautin zu werden.
Können Sie die Relativitätstheorie von Albert Einstein in wenigen Sätzen erklären?
Unter dem Einfluss der Schwerkraft fallen alle Körper gleich schnell, wenn man vom Luftwiderstand absieht. Aus dieser Beobachtung schloss Einstein, dass man die Schwerkraft als Eigenschaft des Raums auffassen kann: Wenn alle Körper auf dieselbe Weise fallen, kann das zum Beispiel daran liegen, dass sie alle in dieselben Mulden im Raum rutschen. Diese Idee verband er mit der speziellen Relativitätstheorie, aus der er wusste, dass Raum und Zeit zusammengehören. Seitdem beschreibt die allgemeine Relativitätstheorie Raum und Zeit wie ein elastisches Gebilde, das sich in der Nähe von Massen verformt.
Reicht die Relativitätstheorie aus, um das Universum korrekt zu beschreiben?
Das Standardmodell der Kosmologie – bestehend aus der allgemeinen Relativitätstheorie (ART) und dem kosmologischen Prinzip – zwingt uns, drei unbekannte Bestandteile einzuführen, um Beobachtungen korrekt zu beschreiben. Dies und der Umstand, dass sich die ART nicht mit der Quantentheorie vereinbaren lässt, motiviert zur Suche nach neuer Physik.
Wann haben Sie Ihre Faszination für die Gravitation entdeckt?
Schon als Kind war ich sehr neugierig und wollte wissen, warum sich zwei Magnete abstiessen, ohne dass man die Kräfte dahinter sehen konnte. Die Vielfalt astrophysikalischer Phänomene und die Dynamik des gesamten Universums faszinierten mich besonders.
Nun wollen Sie Ihren Kindheitstraum umsetzen und Astronautin werden. Was erhoffen Sie sich davon?
Natürlich wäre es schön, die Schwerelosigkeit zu erleben. Aber es steckt viel mehr dahinter: Als Wissenschaftlerin sehe ich mich in der Pflicht, die Grenzen des menschlichen Wissens voranzutreiben und einen Beitrag zur Zukunft der Menschheit zu leisten. Wenn es mir dabei noch gelingt, junge Menschen zu inspirieren und vor allem junge Frauen zu motivieren, eine naturwissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen, wäre mir das eine grosse Ehre.
«Als Wissenschaftlerin will ich die Grenzen des menschlichen Wissens vorantreiben.»Lavinia Heisenberg
Sie sind in verschiedenen Ländern aufgewachsen und kamen durch Forschungsaufenthalte in der ganzen Welt herum. Was wäre ein Grund, in Zürich sesshaft zu werden?
Ich bin in den letzten zehn Jahren viel gereist. Dabei war es mir immer wichtig, mir die Sprache meiner Mitmenschen anzueignen, und auch deren Kultur kennenzulernen. In Zürich fühle ich mich sehr wohl und ich würde meine tolle Forschungsgruppe, die ich an der ETH aufbauen durfte, nur ungern hier lassen!
Dieser Text ist in der Ausgabe 20/04 des ETH-Magazins Globe erschienen.