«Die ETH nimmt die Forderungen der Studierenden ernst»

Die Arbeitsgruppe Studierende des Klimastreiks Zürich fordert von den Hochschulen, sich dem Klimawandel zu stellen und den nachhaltigen Wandel zu beschleunigen. Im Interview erklärt der ETH-Delegierte für Nachhaltigkeit, Reto Knutti, wie die ETH Zürich das Engagement der Studierenden unterstützt und wie sich diese einbringen können.

Reto Knutti
Im Interview: Reto Knutti, Professor für Klimaphysik und Delegierter für Nachhaltigkeit der ETH Zürich. (Bild: Manuel Rickenbacher / ETH Zürich)

Reto Knutti, die Klimastreik-Studierenden haben einen umfassenden Forderungskatalog präsentiert, der 30 teils ambitionierte Begehren enthält. Wie reagiert die ETH Zürich darauf?
Reto Knutti: Als Hochschule begrüssen wir es, wenn sich junge Menschen für Massnahmen gegen den Klimawandel engagieren. Darum haben wir den Studierenden unsere Haltung und unser Engagement in Sachen Nachhaltigkeit in einer schriftlichen Stellungnahme ausführlich dargelegt und bieten ihnen ein Gespräch an, um ihre Forderungen und unsere Antworten zu diskutieren.

In der Stellungnahme gehen Sie aber auf einige zentrale Forderungen – etwa die Ausrufung des Klimanotstands – gar nicht ein…
Wir teilen mit den Studierenden die Vision einer nachhaltigen Gesellschaft, auch wenn wir auf dem Weg zum Ziel bei einzelnen Forderungen unterschiedliche Ansätze verfolgen. Die Studierenden verlangen unter anderem ein generelles Forschungsverbot für fossile Energien und Pflichtkurse zum Klimawandel. Freiheit in Lehre und Forschung gehört zu den wichtigsten Errungenschaften unserer aufgeklärten Gesellschaft. Verbote und Einschränkungen der Lehr- und Forschungsfreiheit sind aus unserer Sicht kontraproduktiv und widersprechen der Ermöglichungskultur der ETH. Ferner ist die Ausrufung eines Klimanotstands nicht die Aufgabe einer Hochschule – hier wäre, wenn schon, die Politik gefragt.

Was ist denn die Aufgabe einer Hochschule?
Wir sind verpflichtet, über neue Erkenntnisse zu informieren und diese einzuordnen, damit Öffentlichkeit und Politik faktenbasiert entscheiden können. Eine zentrale Voraussetzung dafür sind eine dogmenfreie Forschung und Lehre. Das fördert die Meinungsvielfalt und kritisches Denken – der Nährboden, auf dem an der ETH wichtige Kompetenzen und interdisziplinäre Zentren entstanden, die sich mit dem Klimawandel und anderen Nachhaltigkeitsthemen befassen.

Aber ist angesichts der vielbeschworenen Klimakrise die Zeit nicht reif, entschieden mehr zu tun?
Aus meiner Sicht haben wir mit unseren Möglichkeiten als technisch-naturwissenschaftliche Hochschule tatsächlich eine besondere gesellschaftliche Verantwortung, und gerade in Umweltbelangen eine Vorbildfunktion. Deshalb nehmen wir die Forderungen ernst. Die ETH Zürich trägt seit Jahren zur nachhaltigen Entwicklung bei – durch dezidierte Lehrangebote, nachhaltigkeitsrelevante Forschung und Technologietransfer. Dazu gehört auch, dass wir uns in die öffentliche Diskussion einbringen, sei es mit Beiträgen in Medien oder im direkten Kontakt mit der Bevölkerung an Anlässen.

Können Sie ein Beispiel für die Vorbildfunktion geben?
Wir investieren viel in einen möglichst vorbildlichen Campus, den wir gezielt als Reallabor nutzen, etwa mit dem Anergienetz, einem Erdspeicher für Energie, mit dem Klimaprogramm in der Gastronomie oder mit der Mobilitätsplattform. Der Stromverbrauch ist seit 2016 fast vollständig durch erneuerbare Energie gedeckt. Zudem wird die ETH als Teil der Bundesverwaltung den CO2-Austoss bis 2030 um 50 Prozent gegenüber 2006 senken und den Rest kompensieren.

Und wie geht es nun weiter?
Wir sind uns bewusst, dass noch viel mehr getan werden kann und muss. So orten wir laufend Verbesserungspotenzial, das wir und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben, etwa durch den Denkmalschutz oder die Pflicht zum effizienten Umgang mit Steuergeldern, umsetzen. In diesen Prozess fliessen auch die Forderungen ein. Die Studierenden können aber auch selber zu Veränderungen beitragen, etwa über die Sustainable Students Commission des VSETH, die im engen Austausch mit ETH Sustainability, der Stabstelle für Nachhaltigkeit, steht. Darüber hinaus gibt es an der ETH zahlreiche weitere Möglichkeiten für Studierende, sich aktiv einzubringen und Verantwortung zu übernehmen. Auch dazu gibt unsere Stellungnahme einen Überblick.

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