Fluktuationen im Nichts

In der Quantenphysik ist das Vakuum nicht leer, sondern durchdrungen von winzigen Fluktuationen des elektromagnetischen Felds. Diese Vakuum-Fluktuationen direkt zu untersuchen war bislang unmöglich. Forschende der ETH Zürich haben nun eine Methode entwickelt, mit der sie die Fluktuationen genau charakterisieren können.

Vakuum-Fluktuationen
Vakuum-Fluktuationen des elektromagnetischen Feldes (bunte Linien) können durch ihre Auswirkungen auf zwei Laserstrahlen (rot) gemessen werden, die durch ein Kristall fliegen. (Visualisierung: ETH Zürich)

Die Leere ist nicht wirklich leer – jedenfalls nicht nach den Gesetzen der Quantenphysik. Im Vakuum, in dem sich nach klassischer Vorstellung buchstäblich «nichts» befindet, wimmelt es der Quantenmechanik zufolge von so genannten Vakuum-Fluktuationen. Das sind kleine Ausschläge zum Beispiel eines elektromagnetischen Felds, die zwar über die Zeit gemittelt Null ergeben, für einen kurzen Moment aber davon abweichen können. Jérôme Faist, Professor am Institut für Quantenelektronik der ETH Zürich, und seinen Mitarbeitern ist es nun gelungen, diese Vakuum-Fluktuationen erstmals direkt zu charakterisieren.

«Die Vakuum-Fluktuationen des elektromagnetischen Felds haben zwar deutlich sichtbare Folgen und führen unter anderem dazu, dass ein Atom spontan Licht aussenden kann», erklärt Ileana-Cristina Benea-Chelmus, mittlerweile promovierte Doktorandin in Faists Labor und Erstautorin der soeben im Fachjournal Nature erschienenen Arbeit. «Sie direkt zu messen erscheint allerdings zunächst unmöglich. Herkömmliche Detektoren zum Beispiel für Licht, wie etwa Photodioden, basieren darauf, dass Lichtteilchen – und damit Energie – vom Detektor absorbiert werden. Aus dem Vakuum aber, das den niedrigsten Energiezustand eines physikalischen Systems darstellt, kann keine Energie mehr entnommen werden.»

Elektro-optischer Nachweis

Faist und seine Kollegen entschieden sich daher für eine direkte Messung des elektrischen Feldes der Fluktuationen. Dazu benutzten sie einen Detektor, der auf dem sogenannten elektro-optischen Effekt basiert. Dieser Detektor besteht aus einem Kristall, in dem die Polarisierung (also Schwingungsrichtung) von Lichtwellen durch ein elektrisches Feld gedreht werden kann – zum Beispiel durch das elektrische Feld der Vakuum-Fluktuationen. Auf diese Weise hinterlässt dieses elektrische Feld eine sichtbare Spur in Form der geänderten Polarisierungsrichtung der Lichtwellen. Zwei sehr kurze Laserpulse (einen Bruchteil einer Billionstel Sekunde lang) werden nun leicht zeitversetzt durch zwei verschiedene Punkte des Kristalls geschickt, und anschliessend werden ihre Polarisierungen gemessen. Aus diesen Messungen können schliesslich die zeitlichen und räumlichen Korrelationen zwischen den augenblicklich im Kristall bestehenden elektrischen Feldern berechnet werden.

Winzige Signale

Um sicherzugehen, dass die so gemessenen elektrischen Felder tatsächlich von Vakuum-Fluktuationen herrühren und nicht etwa von der thermischen Schwarzkörperstrahlung, kühlten die Forscher die gesamte Messapparatur auf minus 269 Grad Celsius ab. Bei diesen niedrigen Temperaturen befinden sich praktisch keine Photonen der Wärmestrahlung mehr im Apparat, so dass die übrigbleibenden Fluktuationen des elektrischen Felds aus dem Vakuum kommen müssen. «Trotzdem ist das gemessene Signal wirklich winzig», räumt ETH-Professor Faist ein, «und wir mussten unsere experimentellen Fähigkeiten der Messung kleinster Felder schon bis zum äussersten ausreizen.» Eine weitere Herausforderung sei, dass die Frequenzen der mit Hilfe des elektro-optischen Detektors gemessenen elektromagnetischen Fluktuationen im Terahertz-Bereich liegen, also bei einigen Billionen Schwingungen pro Sekunde. In ihrem Experiment schafften es die ETH-Wissenschaftler trotzdem, Quantenfelder mit einer Auflösung zu messen, die räumlich und zeitlich weniger als eine Schwingungsperiode des Lichts beträgt.

Messungen exotischer Vakuum-Fluktuationen

Die Forscher hoffen, mit ihrer Methode in Zukunft sogar noch exotischere Fälle von Vakuum-Fluktuationen untersuchen zu können. Bei starken Wechselwirkungen zwischen Photonen und Materie, wie man sie etwa in optischen Resonatoren erzeugen kann, sollte das Vakuum theoretischen Berechnungen zufolge von einer Vielzahl sogenannter virtueller Photonen bevölkert sein. Mit der von Faist und seinen Mitarbeitern entwickelten Methode sollte es möglich sein, diese theoretischen Vorhersagen zu überprüfen.

Literaturhinweis

Benea-Chelmus IC, Settembrini FF, Scalari G, Faist J: Electric field correlation measurements on the electromagnetic vacuum state. Nature 2019, 568: 202, doi: externe Seite10.1038/s41586-019-1083-9

Moskalenko AS, Ralph TC: Correlations detected in a quantum vacuum. Nature 2019, 568: 178, doi: externe Seite10.1038/d41586-019-01083-z

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