Neue Wege in der Medizinausbildung

Mit gespannter Vorfreude hat die ETH Zürich im Herbst 100 junge Leute im neuartigen Bachelorstudiengang in Humanmedizin begrüsst. Die Erfahrungen nach dem ersten Semester zeigen viel Begeisterung, sowohl bei den Studierenden als auch bei den Dozierenden.

Vergrösserte Ansicht: Banane als Übungsobjekt: Schon in der ersten Woche lernt eine ETH-Medizin-Studentin eine Wunde zu nähen. (Bild: Patt Wettschein, www.photoproduction.ch)
Banane als Übungsobjekt: Schon in der ersten Woche lernt eine ETH-Medizin-Studentin eine Wunde zu nähen. (Bild: Patt Wettschein, www.photoproduction.ch)

Das Bild hat sich eingeprägt: Medizinstudierende, die an Bananen das Nähen von Wunden üben. Es steht exemplarisch für den neuen Weg, den die ETH bei der Medizinausbildung einschlägt. «Wir haben den Studiengang von Grund auf neu konzipiert», sagt ETH-Rektorin Sarah Springman. «Dazu gehört unter anderem, dass die Studierenden gleich in der ersten Studienwoche Spitalluft schnuppern.»

Im Kontext lernen

Dahinter steckt das Konzept des «Contextual Learning», das auf der «Productive Failure»-Theorie beruht, und das im neuen Studiengang der ETH Zürich eine besondere Rolle spielt. Ein konkretes Beispiel: Montagmorgen, 8 Uhr, Start der Themenwoche; ein Bandscheibenvorfall wird dargestellt. Die Studierenden haben sich im Vorfeld anhand von Videos und weiteren Materialien die theoretischen Grundlagen zur Wirbelsäule erarbeitet, hauptsächlich Anatomie. Im Laufe der Woche wird das Thema von verschiedenen Dozierenden aus unterschiedlichen Blickwinkeln behandelt. Freitagnachmittag, 15 bis 17 Uhr: Zum Abschluss findet eine klinische Flagshipvorlesung mit anschliessender Diskussion statt.

Diese Art von Unterricht, die Verknüpfung von Theorie und klinischer Anwendung, kommt an. Studiendirektor Christian Wolfrum ist begeistert: «Am Montagmorgen waren alle Studierenden pünktlich um 8 Uhr da.» Stellte er eine Frage, schnellten 30 Arme hoch, wo in anderen Vorlesungen sich eher die Köpfe neigen. «Das hat mich am Anfang fast ein wenig überrumpelt», erzählt er lachend. Am Freitagabend seien die Studierenden um 18.30 Uhr immer noch am Diskutieren. «Von der Motivation der ETH-Medizinstudierenden und der Interaktion im Unterricht schwärmen übrigens alle Dozierenden, auch jene, die an anderen Universitäten lehren», weiss der Studiendirektor.

Stoff ist, was man später braucht

Entwickelt wurde das neue Lehrkonzept in enger Zusammenarbeit mit Manu Kapur, Professor für Lernwissenschaften, der vor einem Jahr aus Hongkong an die ETH Zürich gekommen ist. «Professor Kapur bringt mit seinem Hintergrund nicht nur neue Konzepte ein, sondern auch einen anderen Blick auf die Medizinausbildung», sagt Professor Jörg Goldhahn, Projektleiter für das Medizinstudium. So soll das ETH-Medizinstudium vor allem Stoff beinhalten, den die jungen Leute später als Arzt oder Ärztin auch brauchen. «Es geht uns nicht darum, die Köpfe der Studierenden mit möglichst vielen Fakten zu füttern», bringt Goldhahn den neuen Ansatz auf den Punkt.

Entsprechend wurde der ganze Studiengang rückwärts strukturiert, geleitet von den Fragen: Was brauchen die Studierenden am Ende? Wie muss der Inhalt vermittelt werden? Dazu gehört auch die Art und Weise des Prüfens. Um den Stoff authentisch abfragen zu können, wurden erstmals an der ETH Prüfungen auf Tablets durchgeführt. Die neuen Prüfungsformen sollen die Studierenden dazu bringen, den Stoff richtig zu lernen.

Ausstrahlung in andere Studiengänge

Die ETH hat den Vorteil, dass sie den Medizinbachelor gleichsam auf der grünen Wiese bauen und dabei neue Ideen ausprobieren kann. «Und wir haben das grosse Glück, dass wir auf die Mitarbeit von überdurchschnittlich motivierten Kolleginnen und Kollegen in unseren Partnerinstitutionen zählen dürfen», sagt Rektorin Springman. Dazu gehören die Spitäler und Kliniken, vor allem aber auch die Universitäten Zürich, Basel und die Università della Svizzera Italiana, wo die ETH-Bachelor den Master machen werden. «Die Partnerinstitutionen unterstützen uns tatkräftig, und wir profitieren gegenseitig von den Erfahrungen», sagt Springman. So kann, was sich an Neuem bewährt, von anderen Studiengängen übernommen werden – nicht nur innerhalb der ETH, sondern auch ausserhalb.

Anmeldefenster bis 15. Februar offen

Wer im Herbst 2018 ein Bachelorstudium in Humanmedizin beginnen möchte, kann sich noch bis 15. Februar anmelden. Wie für Medizinstudiengänge an anderen Schweizer Universitäten braucht es eine Voranmeldung zum Eignungstest bei externe Seiteswissuniversities.

Weitere Informationen zum Studiengang.

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