Alles Gute für 2030, sorgen wir dafür!

Nachhaltigkeit ist eine grosse Herausforderung unserer Zeit. Bewusstsein und Lösungen können an Hochschulen entstehen, müssen aber den Weg in die Gesellschaft finden, sagt Reto Knutti.

Reto Knutti

Sicher haben Sie, wie auch ich, vielen Menschen das Beste für das neue Jahr gewünscht. Aber kümmern wir uns auch darum, dass sie es wirklich finden? Denken wir in erster Linie nicht oft an uns selber, auch im grösseren gesellschaftlichen Kontext? Klimawandel, Ressourcenverbrauch, Artensterben, Übernutzung von Böden und Meeren: Wir Menschen betreiben Raubbau an unserer Lebensgrundlage. Und wir wissen es seit Jahrzehnten – die Bücher und Berichte dazu füllen Bibliotheken.

Kluft zwischen Wissen und Handeln

Immerhin: Es scheint uns nicht völlig egal zu sein. Laut einer repräsentativen Umfrage von SRF Ende 2017 stufen Schweizerinnen und Schweizer den Klimawandel bedrohlicher ein als Terrorismus, Wirtschaftskrisen oder eine unsichere Altersvorsorge.1 Dennoch tun wir wenig dagegen. Die UNO etwa stellte 2017 fest, dass der Fortschritt in Richtung der Sustainable Development Goals «in vielen Bereichen viel langsamer ist als nötig, um die Ziele bis 2030 zu erreichen».2 Viele nehmen das mit Schulterzucken zur Kenntnis – Hauptsache es geht ihnen selber momentan gut.

Das langfristige Wohl der Erde im Visier
Das langfristige Wohl der Erde im Visier. Die Nullen im Bild sind Klimasimulationen. (Bild: Reto Knutti / ETH Zürich)

Die Gründe für das kurzfristige Denken und die Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln sind bekannt. Viele Ziele der nachhaltigen Entwicklung sind global, langfristig, komplex und abstrakt. Unsere Entscheide hingegen sind unmittelbar, egoistisch, emotional. Sie sind eher von persönlichen Werten und den Meinungen anderer bestimmt, die uns nahe stehen, als von rationalen Argumenten.

Das mag vieles erklären, aber nicht entschuldigen. Stehen wir nicht in der Pflicht, gemeinsam die Zukunft so zu gestalten, dass es allen besser geht, auch der nächsten Generation? Damit meine ich nicht nur das Bankkonto. Werte wie Respekt, Gerechtigkeit oder eine intakte Natur kann man nicht kaufen. Man muss dafür sorgen.

Die Rolle der Hochschulen

Für eine Universität wie die ETH Zürich, die im Dienste der Gesellschaft forscht und lehrt, ist Nachhaltigkeit deshalb schon lange ein thematischer Schwerpunkt. Forschend können Hochschulen nicht nur ihren eigenen Fussabdruck verbessern, sondern zusammen mit anderen Disziplinen technische und gesellschaftliche Lösungen für drängende Probleme entwickeln.

In der Lehre bilden wir junge Menschen auf höchstem Niveau aus und motivieren sie, über fachliche und kulturelle Grenzen hinweg kreativ und kritisch zu denken und verantwortungsvoll zu handeln. Und auf dem Campus lebt die ETH Zürich eine Kultur des «Living Labs», die Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung möglichst umfassend testet und ins Alltagsleben integriert.3

Kommunikativ gefordert

Als Wissenschaftler können wir Gefahren aufzeigen, Massnahmen und Lösungswege vorschlagen. Als Hochschule können wir mittels Technologietransfer unsere Forschungsresultate rasch für Wirtschaft und Gesellschaft verfügbar machen. Aber entscheiden, welchen Weg wir gehen, und handeln, das müssen wir als Gemeinschaft.

«Werte wie Gerechtigkeit oder eine intakte Natur kann man nicht kaufen. Man muss dafür sorgen.»Reto Knutti

Doch wie führen wir diesen Dialog mit der Gesellschaft? Das kommunikative Spannungsfeld zwischen Hochschulen und Öffentlichkeit ist heute geladener denn je. In einer Zeit, in der wissenschaftliche Erkenntnisse auf alternative Fakten stossen, und wo Ideologie und Polarisierung die Politik dominieren, sind die Hochschulen unter Zugzwang. «Mischt Euch ein!», forderte ein ausgezeichneter NZZ-Kommentar kürzlich die Wissenschaftler auf.4

Tatsächlich muss die Forschung darauf hinweisen, wenn die Politik relevante Fakten verzerrt oder bei Entscheidungen kaum beachtet. Wer sich allerdings einmischt mit einer Aussage zu Gentech, Energiewende oder Klimawandel, muss sich auch bewusst sein, dass er oder sie rasch politisch schubladisiert und für andere zum elitären Feindbild werden kann.

Eine tragbare Zukunft gestalten

Resignation ist keine Antwort. Mit Forschung und Lehre können Hochschulen zwar Probleme analysieren und Lösungen entwickeln. Das allein reicht aber nicht: Wir müssen Brücken bauen zwischen den Menschen, Geschichten erzählen über das, was uns Forschende antreibt, und dabei Risiken und Chancen benennen, ohne zu werten oder vorzuschreiben, was zu tun ist.

Darum werden Sie auch weiterhin von uns zu Nachhaltigkeit und anderen relevanten Themen hören bzw. lesen. Gemeinsam können wir einen konstruktiven Dialog starten, wie die Welt in Zukunft aussehen soll: nicht nur 2018, sondern 2030 und später. Nachhaltigkeit ist ein Generationenprojekt. Sie ist auch künftig keine leere Worthülse, sondern eine gesellschaftliche Verantwortung. Die Herausforderungen sind gross, aber es liegt an uns, sie anzupacken. Sie auf die nächste Generation abzuschieben, wäre verantwortungslos.

Weiterführende Informationen

1 SRG-externe SeiteUmfrage zur Bedrohung durch Klimawandel

2 UN-Bericht zu den externe SeiteNachhaltigkeitszielen

3 Einige Beispiele für Nachhaltigkeit an der ETH Zürich sind das Anergienetz, das House of Natural Resources, oder das Projekt nachhaltige Gastronomie. Aktuell läuft unter der Mobilitätsplattform das Projekt Reduktion CO2-Emissionen durch Flugreisen.

4 Kommentar in der NZZ vom 22.12.2017: externe SeiteMischt euch ein!

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