In der Welt der kalten Atome zuhause

Die Physikerin Laura Corman ist fasziniert vom Verhalten von Elektronen in Festkörpern. Doch die Nachwuchsforscherin ist auch ausserhalb des Labors sehr engagiert.

Laura Corman
Laura Corman taucht ein in die Welt der kalten Atome (Bild: Annick Ramp / ETH Zürich).

Die Welt der kalten Atome dürfte für die meisten Menschen ein Buch mit sieben Siegeln sein. Doch Laura Corman, Postdoktorandin am Institut für Quanten-Elektronik, kommt richtig ins Schwärmen, wenn sie erzählt, wie Atome plötzlich sichtbar werden und sich zu Wolken formieren. Das sei visuell einmalig, beinahe magisch. Das Abkühlen von Atomen bis fast auf den absoluten Nullpunkt erlaubt Rückschlüsse auf das Verhalten von Elektronen in Festkörpern.

Laura Corman hat Spass an der Popularisierung von Wissenschaft und schaffte es mit ihrem komplexen Thema bis ins Finale des Wettbewerbs «Ma thèse en 180 secondes». Dabei verglich sie die Atome mit den Zuschauern im Saal: Haben sie Zeit, verteilen sie sich gleichmässig auf die Plätze. Stoppt man sie abrupt, gibt es hier Lücken, dort Kollisionen. «Danach hat sogar meine Grossmutter verstanden, worum es bei meiner Arbeit geht», freut sich die 29-Jährige.

Dass ihr Herz für die Wissenschaft schlägt, entdeckte Laura Corman schon als Zehnjährige, als sie während der Sommerferien in der Provence ein Laien-Observatorium besuchte. Sie ist ihren Eltern – der Vater ist Ingenieur in der Automobilbranche, die Mutter Lehrerin – enorm dankbar, dass diese ihr und dem jüngeren Bruder schon früh Einblicke in verschiedene Welten ermöglichten.

Für das Studium zog sie vom nördlichsten Zipfel Frankreichs nach Paris. Dort eröffneten sich ihr nochmals ganz neue Dimensionen: «Beim Experimentieren mit eigenen Projekten begriff ich immer mehr, wie die Dinge zusammenhängen.» In ihrer Freizeit engagierte sie sich in einem Verein, um sozial benachteiligte Kinder in Mathematik und Physik zu unterstützen.

In der Minderheit

Im Masterstudium liebäugelte die Physikerin mit einem Austauschaufenthalt in den USA, wurde dann aber durch Kollegen auf die ETH aufmerksam und bewarb sich umgehend. Das Interesse war gegenseitig: Die ETH bot Corman ein Excellence Scholarship an – und der Umzug in die Schweiz war beschlossen. Gekrönt wurde das Jahr von der Auszeichnung mit dem Willi-Studer- Preis für ihr hervorragendes Resultat in der Master-Abschlussprüfung.

Als Frau gehörte sie in ihrem Fach stets zur Minderheit, aber eine grosse Rolle gespielt hat das in ihren Augen kaum. Doch, einmal: Während eines Industriepraktikums hatte Corman den Eindruck, weniger interessante Arbeit als ihre männlichen Kollegen zu erhalten. Direkt, wie sie sei, habe sie sich gewehrt. Im Nachhinein fragte sie sich, inwiefern das Problem tatsächlich damit zu tun hatte, dass sie eine Frau ist, oder ob allenfalls Vorurteile ihre Wahrnehmung verzerrten. «Solche Fragen stellen sich Männer wohl nie», räumt Corman nachdenklich ein.

Laura Corman
«Es ärgert mich, dass man oft nur Frauen auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie anspricht. Das geht Männer heutzutage genauso an.»Laura Corman, Postdoktorandin am Institut für Quanten-Elektronik

Als Tilman Esslinger, Professor für Quanten-Optik, sie nach ihrem Doktorat in Paris einlud, in sein Labor an die ETH zurückzukehren, zögerte sie keine Sekunde. Das Team sei fantastisch, Infrastruktur und Support erstklassig, schwärmt Corman, die nun vom ETH-Fellowprogramm für vielversprechende Postdoktorierende gefördert wird. Allerdings: Vorlesungen auf Deutsch zu geben, verlangt ihr noch einiges ab. Um sich sprachlich zu verbessern und Kontakte zu knüpfen, spielen sie und ihr Partner Handball beim ASVZ. «Wir sind in beidem – Handball und Deutsch – noch totale Anfänger», lacht sie.

Für Corman ist klar, dass sie ihre Karriere auch weiterverfolgen würde, wenn sie dereinst Mutter würde. In Frankreich sei das gang und gäbe, erklärt sie, allerdings sind die Rahmenbedingungen dort etwas anders: Ein Einkommen allein reicht meist nicht aus, dafür gibt es genug und erschwingliche Krippenplätze. Laura Corman ärgert sich, dass man oft nur Frauen auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie anspricht. Das gehe Männer heutzutage genauso an und sei primär eine Frage der Organisation.

Wohin ihr beruflicher Weg sie dereinst führen wird, ist noch offen: «Eine eigene Gruppe an einer Universität aufbauen zu können, wäre fantastisch. Aber auch anderswo können spannende Möglichkeiten lauern – rien n’est joué».

Globe: Warum die ETH mehr Frauen braucht

Zugegeben, Hochschulen sind keine reinen Männerdomänen mehr. Dennoch sind Frauen in der Wissenschaft, besonders in technischen Fächern, unterrepräsentiert. An der ETH sind 30 Prozent der Studierenden und knapp 14 Prozent der Professorenschaft Frauen. Warum sich das ändern sollte und was die ETH dafür tut, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von Globe, dem Magazin der ETH Zürich und ETH Alumni.

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