Im Kreis von Nobelpreisträgern

Thomas Gianetti von der ETH Zürich trifft an der Lindauer Nobelpreisträgertagung zusammen mit weiteren ETH-Jungforschenden auf die vielversprechendsten Nachwuchswissenschaftler der Welt.

Thomas Gianetti an der 67. Lindauer Nobelpreisträgertagung
Thomas Gianetti an der 67. Lindauer Nobelpreisträgertagung (Bild: ETH Zürich)

Gäbe es einen Nobelpreis für Leidenschaft in der Forschung, würde Thomas Gianetti ganz sicher zu den Preisträgern gehören. Denn wenn Gianetti, der als Post-Doc in der Gruppe von Hansjörg Grützmacher am ETH-Laboratorium für Anorganische Chemie arbeitet, über Wissenschaft spricht, ziert ein breites Lächeln sein Gesicht und seine Augen leuchten vor Ideen. Er hat sich der Aufgabe verschrieben, die Erde zu retten, oder zumindest zum wissenschaftlichen Fortschritt im Bereich der «grünen Chemie» beizutragen. Gianetti, der sich mit dem schädlichen, die Ozonschicht zerstörenden Treibhausgas Distickstoffmonoxid – umgangssprachlich: Lachgas – (N2O) beschäftigt, will mit seiner Arbeit Anwendungen entwickeln, bei denen N2O nicht als Umweltrisiko, sondern als «Saubermann» zum Einsatz kommt.

Im Vergleich zu CO2 und Methan mag N2O als kleines Problem erscheinen. Laut Gianetti ist es aber rund dreihundertmal schädlicher als andere Treibhausgase. N2O kommt in der Natur vor. In den letzten 40 Jahren wurde die Landwirtschaft intensiviert, um den Nahrungsmittelbedarf der stetig wachsenden Weltbevölkerung zu decken. Für die Massenproduktion werden Unmengen an Düngemitteln verwendet, die Nitrate freisetzen. Gianetti zufolge ist die N2O-Belastung durch den Einsatz von Düngemitteln und andere industrielle Prozesse seither um etwa einen Drittel gestiegen. «Während sich die meisten Bemühungen gegen die CO2-Emissionen richten, muss der Kampf gegen den Klimawandel an mehreren Fronten geführt werden. Mein Augenmerk gilt dabei dem N2O», so Gianetti.

«Paradies für Nerds»

Letzte Woche nahm Gianetti als Nachwuchswissenschaftler an der 67. Lindauer Nobelpreisträgertagung teil. Eine seltene und wahrscheinlich einmalige Gelegenheit, um 30 Nobelpreisträger (28 von ihnen in seinem Gebiet, der Chemie) zu treffen und von ihnen zu lernen. «Es ist wie ein Paradies für Nerds», so Gianetti. Als Doktorand ging Gianetti fünf Jahre lang täglich an den Fotos von Nobelpreisträgern wie Mario José Molina und Richard Schrock vorbei, welche die Gänge des Latimer Building der University of California in Berkeley zierten. «Sie sind meine Idole, meine Mentoren. Letzte Woche durfte ich sie gemeinsam mit ETH-Nobelpreisträger Kurt Wüthrich treffen – eine grosse Freude und Ehre für mich, aber vor allem inspirierend.»

Gianetti, der an der Côte d’Azur vor den Toren Marseilles aufwuchs, ist Sohn italienischer Einwanderer. Als Kind fiel er zwar mit seinem unablässigen Interesse auf, den Dingen auf den Grund zu gehen. Seine Leidenschaft für die Wissenschaft machte sich jedoch erst viel später als bei anderen Forschern bemerkbar, die eine akademische Laufbahn einschlagen. Als Gymnasiast, sagte er, bereitete ihm die Chemie gar Probleme.

Hartnäckig zum Ziel

Als Student in Lyon entdeckte Gianetti seine Leidenschaft. «Ich erinnere mich genau an den Moment im Labor, als ich mein erstes Gramm Paracetamol herstellte, ein Kopfschmerzmittel. Es handelte sich um eine einfache Synthese, aber für mich war es ein Erfolgserlebnis, das mich sofort dazu bewog, Chemiker zu werden und Wirkstoffe herzustellen, die den Menschen helfen»

Zunächst wollte Gianetti Chemieingenieur werden, aber bei einem Praktikum in Grossbritannien kam er zum Schluss, dass ihn das «Wie» und «Warum» der Grundlagenforschung mehr interessierte als die Forschung zu Industrieanwendungen. Als erstes Mitglied seiner Familie, das eine höhere Bildung anstrebte, betrat mit einer akademischen Karriere Neuland. Er bewarb sich bei den zehn führenden Universitäten der USA und wurde zunächst abgelehnt. Aber er liess sich nicht beirren, bewarb sich weiter erhielt schliesslich eine Zusage von T. Don Tilley von der UC Berkeley. Daraus wiederum ergab sich Gianettis Doktorarbeit bei John Arnold und Robert Bergman an derselben Universität.

Ermutigt vom Umfeld

Gianetti weist darauf hin, dass andere viel zu seinem Erfolg beigetragen haben: «Erfolge gehören einem nie allein. Ich bin dankbar für die Unterstützung durch Menschen wie Professor Christophe Copéret von der ETH Zürich, den ich während meines Studiums in Lyon kennenlernte.» Der gute Ruf der ETH Zürich und die Bekanntschaft mit Copéret brachten Gianetti schliesslich dazu, sich als Post-Doc bei Professor Hansjörg Grützmacher mit «grüner Chemie» zu beschäftigen.

Gianetti verbindet seinen Erfolg auch mit seinem Umfeld. Wenn er über seine Familie spricht, werden seine südländischen Wurzeln deutlich: «Ohne die Liebe und Unterstützung meiner Frau und die Ermutigung durch meine Familie wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt stehe. Ich habe zwei Kinder, und es ist mir wichtig, was ich ihnen und meinen Enkelkindern hinterlasse. Als Chemiker sehe ich mich in der Verantwortung, etwas zu verändern.»

Nina Hentzen, Cornelius Gropp, Philipp Probst, Thomas Gianetti und Thomas Edwardson, Nachwuchswissenschaftler der ETH Zürich, an der 67. Lindauer Nobelpreisträgertagung
Nina Hentzen, Cornelius Gropp, Philipp Probst, Thomas Gianetti und Thomas Edwardson (v.l.), Nachwuchswissenschaftler der ETH Zürich, an der 67. Lindauer Nobelpreisträgertagung (Bild: ETH Zürich)

Lindauer Nobelpreisträgertagung

An der 67. Lindauer Nobelpreisträgertagung im Bereich Chemie kamen auf der Insel Lindau im Bodensee 30 Nobelpreisträger zusammen und trafen 420 führende Wissenschaftler der nächsten Generation: Studierende, Doktorierende und Post-Docs aus der ganzen Welt. Die Lindauer Nobelpreisträgertagungen fördern den Austausch zwischen Wissenschaftlern unterschiedlicher Generationen, Kulturen und Disziplinen. externe Seitehttp://www.lindau-nobel.org/de/meeting/

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