Mit Radarwellen den Wald ausmessen

Aus dem Weltraum erhebt Irena Hajnsek Daten, aus denen sie die vorhandene Biomasse der Erde errechnen kann.

Irena Hajnsek ist gerade aus Afrika zurückgekehrt. In Gabun hat sich die Professorin für Erdbeobachtung und Fernerkundung um Flughafenbenutzungsgebühren und Sendegenehmigungen gekümmert. Im Februar 2016 will sie mit einem Team für eine Expedition in diesen zentralafrikanischen Staat reisen. Die Forschenden werden dort in den Urwald fliegen und mit dem Radar des externe SeiteDeutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Daten sammeln, aus denen sie die Biomasse des Walds errechnen können.

Vergrösserte Ansicht: Irina Hanjnsek
Irena Hajnsek ist seit 2009 ausserordentliche Professorin für Erdbeobachtung und Fernerkundung an der ETH Zürich. Seit 2002 leitet sie zudem die Forschungsgruppe Polarimetrische SAR-Interferometrie (Pol-InSAR) am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. (Foto: Giulia Marthaler)
«Das Wissen um die terrestrische Biomasse – was grob 50 Prozent des im Wald gespeicherten Kohlenstoffanteils entspricht – ist für die Klimaforschung von grosser Bedeutung.»Irina Hajnsek

«Mit dieser Kampagne wollen wir mehr über die spezifischen Eigenschaften des tropischen Regenwalds in Afrika herausfinden, Erfahrungen mit den Sensoren sammeln und unsere Algorithmen zur Berechnung der Biomasse überprüfen», erklärt Hajnsek. Die Kampagne ist nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zur ganz grossen Mission. «Biomass» heisst diese Mission der Europäischen Weltraumagentur (ESA), die 2020 einen Satelliten in den Weltraum schicken will. Dieser soll einmal jährlich global sämtliche Wälder aufnehmen. «Das Wissen um die terrestrische Biomasse – was grob 50 Prozent des im Wald gespeicherten Kohlenstoffanteils entspricht – ist für die Klimaforschung von grosser Bedeutung», weiss die wissenschaftliche Leiterin der Flugzeugkampagne. «Gerade auch im Zusammenhang mit der Zertifizierung des CO2-Handels braucht es genaue Informationen zur terrestrischen Biomasse und dazu, wie sich diese über die Zeit verändert.»

Wie aber misst man einen Wald aus? «Wir senden von einem Flugzeug oder einem Satelliten elektromagnetische Signale auf die Erde, und je nachdem, auf welche Struktur diese treffen, kommt ein unterschiedlich starkes Signal zurück», erklärt die 45-jährige Expertin das Prinzip. Anhand der Stärke und der Weglänge des empfangenen Signals kann sie Höheninformationen errechnen, so die Höhe der Baumwipfel. «Um die Masse des Waldes zu errechnen, braucht es aber auch Informationen zur Höhe des Waldbodens und damit elektromagnetische Wellen, die durch den Wald bis zum Boden eindringen», erklärt Hajnsek weiter, die an zwei Satellitenmissionen als wissenschaftliche Koordinatorin beteiligt ist.

Die letzte Mission startete 2012 und heisst «TanDEM-X». Während das Wort Tandem im Projektnamen auf die zwei Satelliten verweist und DEM für Digitales Geländemodell steht, steht das X für die Länge der Radarwellen von drei Zentimetern. Mit den Daten erstellen die Forschenden ein globales digitales Geländemodell mit einer Genauigkeit im Meterbereich. «Ein einheitliches Höhenmodell für den ganzen Globus – das gibt es bis anhin noch nicht», vermerkt Hajnsek mit einem Anflug von Stolz. «Dieses Höhenmodell kann dann von Wissenschaftlern weltweit genutzt werden, um beispielsweise Kartenmaterial herzustellen, aber es dient auch als Basis für viele andere Fragestellungen.»

Allerdings sind die Wellenlängen im X-Band zu kurz, um dichten Wald zu durchdringen und den Boden zu erreichen. «Für diese Aufgabe steht uns das L-Band mit 23 Zentimetern oder ein P-Band mit 80 Zentimetern Wellenlänge zur Verfügung.» In Deutschland liegt bereits der Vorschlag für die Tandem-L-Mission vor, an der sich auch die japanische Raumfahrtagentur beteiligen will. Die Idee ist auch hier, die Biomasse zu vermessen, und zwar mehrmals jährlich, um den Einfluss der Jahreszeiten zu berücksichtigen. Allerdings sei die Finanzierung noch nicht ganz gesichert, sagt Hajnsek, die auch bei diesem Projekt beteiligt ist.

Die ESA hat für das eingangs erwähnte Biomass-Projekt entschieden, zum ersten Mal Messungen vom Weltraum aus mit einem P-Band-System zu machen. Deshalb sind nun Tests angesagt. «In Schweden haben wir den im Norden typischen borealen Wald untersucht und in Deutschland den temperaten Wald», erzählt Hajnsek. «Was nun noch fehlt, sind die Wälder der Tropen, also der sehr dichte tropische Regenwald, die Mangrovenwälder und die Savannenwälder». Die wird sie Anfang nächstes Jahr in Gabun messen.

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