Die Denkfreiheit verteidigen

In manchen Weltregionen mangelt es in der Wissenschaft an Freiheit und ethischem Verhalten. Hier setzt das internationale Netzwerk «Scholars at Risk» an, das von der ETH unterstützt wird.

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Die ETH engagiert sich im Netzwerk «Scholars at Risk» (Bild: Fotolia.com/Sergey Nivens)

Im Jahr 1848 fegten Revolutionen mit Forderungen wie Versammlungs- und Pressefreiheit über Europa hinweg. Gelehrte wie Gottfried Semper und Gustav Zeuner, die für die Revolutionäre Partei ergriffen, sahen sich gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen, um zu jener geistigen Freiheit zu kommen, die heute für viele Hochschulen selbstverständlich ist.

Schliesslich kamen sie nach Zürich, wo sie wichtige Beiträge zur Architektur und Konstruktion des Hauptgebäudes der ETH Zürich leisteten und so einen Ort schufen, an dem Gelehrte zusammenkommen konnten und das Recht hatten, ohne Furcht vor Sanktionen frei zu sprechen.

Geistige Freiheit, so betonte kürzlich Gerhard Schmitt, Delegierter ETH Global, anlässlich einer Diskussion über universitäre Werte, bilde das Fundament, auf der das Hauptgebäude der ETH Zürich ruht.

Netzwerk für das Recht zu denken

Für diese Werte engagiert sich das Netzwerk externe SeiteScholars at Risk (SAR). SAR versammelt 330 Hochschulen aus über 35 Ländern, die sich für den Schutz der Menschenrechte und die Freiheit der Wissenschaft einsetzen. Derzeit sind fünf schweizerische Hochschulen und Universitäten beteiligt: die ETH Zürich, die Universität Freiburg, die Universität Genf, die Universität Lausanne und die Universität Luzern.

Die ETH war kürzlich Gastgeberin eines Workshops, an dem Vertreter der schweizerischen Mitgliedsuniversitäten ihre Aktivitäten vorstellten. Für die ETH Zürich tat dies Barbara Becker, Leiterin Globale Transformation bei ETH Global. Sie hob dabei hervor, dass die ETH Aufklärungsarbeit innerhalb der Hochschule leiste. Zudem werde an der ETH derzeit konkret über ethische Standards für die internationale Zusammenarbeit diskutiert.

Gefährdete Gelehrte

Doch wer sind diese «Scholars at Risk», die gefährdeten Gelehrten, und wie werden sie unterstützt? Wie Semper und Zeuner einst sehen sich auch heute noch Forschende in verschiedenen Teilen der Welt in ihrer akademischen Freiheit bedroht.

Abdul Jawad Sutter beispielsweise war angesehener Englisch-Professor und Dekan seiner früheren Universität im Irak. Doch aufgrund der politischen Umwälzungen in seinem Land und der Bedrohungen für seine persönliche Sicherheit musste er ins benachbarte Jordanien fliehen und seine Familie und sein Haus zurücklassen.

Das SAR-Netzwerk unterstützte Sutter dabei, Orte zu finden, an denen er seine Lehre und Forschung in einer freien und sicheren Umgebung fortsetzen konnte. Heute arbeitet Sutter an der Duke University in den USA, unter anderem in den Bereichen Nahoststudien, Journalismus und Kommunikation.

Eigene Werte einbringen

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Robert Quinn.

Die ETH-Zürich setzt weiter auf den Ausbau ihrer Forschungszusammenarbeit mit Universitäten, Verbänden und Unternehmen in aller Welt. Dabei stellt sich die Frage: Wie soll die Hochschule Partnerschaften in Ländern eingehen, deren Werte sich von den eigenen unterscheiden?

Wenn man sich vor die Wahl gestellt sehe, ob man solche Partnerschaften überhaupt eingehen solle oder nicht, sei die Frage sei falsch formuliert, sagte Robert Quinn, Gründungsmitglied und Geschäftsführer von SAR, am Austausch an der ETH. Vielmehr gehe es darum, sich mit den eigenen Werten zu engagieren.

Quinn betonte, dass die historisch tief verwurzelte Kultur offenen Nachforschens, wissenschaftlicher Integrität und anderer akademischer Werte, zentral seien für die geistige Kreativität einer Hochschule und für die Anziehungskraft gegenüber talentierten Wissenschaftlern. Hochschulen müssten deshalb den Weg ebnen für die verantwortungsvolle Anwendung geistiger Freiheit. Nur so komme diese ihnen selbst und der Gesellschaft bestmöglich zugute.

So riet Quinn den Universitäten, zunächst starke innere Werte und eine innere Kultur hervorzubringen und dann in einem Wertekanons niederzulegen, wie sie die Freiheit der Wissenschaft in ihren Räumlichkeiten, auf dem Campus und in den Vorlesungssälen definieren und wie sie schliesslich ihren geistigen Wertekern und ihre gesellschaftliche Verantwortung zum Ausdruck bringen wollen

Verhaltenskodex für Kooperationen

Die Arbeit an einem solchen Wertebekenntnis ist jedoch nur der erste Schritt des Prozesses. Anschliessend gilt es, sich der Unterstützung der verschiedenen Gruppierungen innerhalb der Universität zu versichern, die Werte in Vereinbarungen mit internationalen Einrichtungen umzusetzen und sie in Wort und Tat zu kommunizieren.

Die ETH-Zürich setzt diesen Anspruch um, indem sie sich einen internen Verhaltenskodex für wissenschaftliche Kooperationen geben will. Dieser hat sich nun über mehr als zwei Jahre entwickeln können und wurde Anfang April 2014 zur Vernehmlassung freigegeben.

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