Neue Schaltstelle nach Schlaganfall

Nach einem Schlaganfall leiden Betroffene oft unter schweren Bewegungsstörungen. Forschende der ETH Zürich und der Universität Zürich entdecken nun, dass der Hirnstamm bei der Regeneration der motorischen Fähigkeiten eine wesentliche Rolle spielt.

Vergrösserte Ansicht: hirn
Der Hirnstamm (violett) wird nach einem Schlaganfall zu einer wichtigen Schaltstelle. (Graphik: istockphoto.com)

Rund 16'000 Personen in der Schweiz erleiden jährlich einen Schlaganfall. Durch einen plötzlichen Verschluss eines hirnversorgenden Gefässes verursacht, ist er die häufigste lebensbedrohliche neurologische Erkrankung, die für Überlebende meistens tiefgreifende Folgen hat: Oftmals müssen die Betroffenen mit Behinderungen zurecht kommen und eine Rehabilitation dauert lange. Das Gehirn hat aber grundsätzlich eine «hohe Regenerationsfähigkeit», sagt Lukas Bachmann, Postdoc in der Gruppe von Martin Schwab, Professor für Neurowissenschaften von ETH und Universität Zürich. Der Forscher fand heraus, dass bei der Regeneration der motorischen Fähigkeiten auch der Hirnstamm, das älteste Areal des Gehirns, eine wichtige Rolle spielen könnte. Die Resultate wurden soeben im «The Journal of Neuroscience» publiziert.

Gesunde Gehirnhälfte übernimmt Kontrolle

Ein Schlaganfall in der Grosshirnrinde schränkt häufig die Motorik einer Körperhälfte ein. Grund für diese so genannte Hemiparese ist der Verlust der Nervenbahnen, die Signale von der Grosshirnrinde ins Rückenmark leiten. Da diese Bahnen übers Kreuz verlaufen, wird jeweils diejenige Körperhälfte in Mitleidenschaft gezogen, die der betroffenen Gehirnhälfte gegenüberliegt. Die anfänglich starken Beeinträchtigungen bestehen aber oftmals nur vorübergehend, und die Betroffenen können sich auf erstaunliche Weise erholen. «Die betroffene Körperhälfte wird immer stärker von der gleichseitigen Hälfte der Grosshirnrinde, also der gesunden Seite, kontrolliert», erklärt Bachmann. Da die Nervenbahnen übers Kreuz verlaufen, stellte sich den Neurowissenschaftlern die Frage, auf welchem Weg Signale aus der motorischen Grosshirnrinde in die gleichseitigen Teile des Rückenmarks umgeleitet werden.

Aussprossung aus dem Hirnstamm

In ihrer Studie an Mäusen können die Forschenden nun zeigen, dass der Hirnstamm vermutlich eine Schlüsselrolle bei dieser Umleitung der Nervenimpulse spielt. Bildaufnahmen des Gehirns machen sichtbar, dass nach einem grossen Schlaganfall Nervenfasern aus spezifischen Kerngebieten des Hirnstamms in das Areal des Rückenmarks hineinwuchsen, welches nach dem Schlaganfall seine Inputfähigkeit verloren hatte. «Gleichzeitig sprossen vermehrt Nervenfasern aus der intakten Grosshirnrinde in eben diese Gebiete des Hirnstammes», führt Bachmann weiter aus. Diese Veränderungen in den neuronalen Schaltkreisen erlauben womöglich den ungekreuzten Fluss von Nervenimpulsen nach einem Schlaganfall. «Dies könnte sich als entscheidender Mechanismus herausstellen, der die Erholung von bestimmten Bewegungen nach einem Schlaganfall ermöglicht», sagt der Hirnforscher. Diese Erkenntnisse wollen die Wissenschaftler nun dazu nutzen, um mit gezielten Therapieansätzen die Aussprossung von Nervenzellen in verschiedenen Gehirnarealen so zu steuern, dass eine Erholung von motorischen Funktionen maximiert werden kann.

Dieser Text wurde von Media Relations der Universität Zürich verfasst und unter externe Seitewww.mediadesk.uzh.ch zuerst veröffentlicht.

Literaturhinweis

Bachmann LC, Lindau NT, Felder P, Schwab ME: Sprouting of Brainstem–Spinal Tracts in Response to Unilateral Motor Cortex Stroke in Mice. The Journal of Neuroscience, February 25, 2014. DOI: externe Seite10.1523/JNEUROSCI.4384-13.2014

Brain Fair 2014

Mit einem Vortrag zum Thema «Angst: Gefühl, Symptom, Krankheit? Die psychiatrische Perspektive» von Neurologe Paul Hoff wird die diesjährige Brain Fair zum Thema «Angst im Gehirn» lanciert. Bis zum 15. März finden allabendlich Diskussionsforen statt. Dabei beleuchten Fachleute die unterschiedlichen Facetten der Angst, von der Neurobiologie bis hin zur Therapie von Angststörungen. Sie zeigen auf, was im Gehirn passiert, wenn ein Mensch Angst hat, wieso die gesunde Angst auch krankhafte Formen annehmen kann und wie die pathologische Angst heute behandelt wird. Die Brain Fair wird seit 1998 vom Zentrum für Neurowissenschaften Zürich, einem gemeinsamen Kompetenzzentrum der ETH Zürich und der Universität Zürich, organisiert. Das Ziel ist, die Öffentlichkeit über aktuelle Forschung in den Neurowissenschaften zu informieren.

Angst im Gehirn - Brain Fair 2014, 10.-15. März, «Audimax» und Hörsaal F7, ETH Zürich, Rämistrasse 101, Zürich. Programmdetails unter www.neuroscience.ethz.ch

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert