Kontinente geben den Takt an

Ursprung und Antrieb der Plattentektonik können mit Hilfe von Hochleistungsrechnern simuliert werden. Eine neue Studie beleuchtet die Rolle der Kontinente bei der Bildung ozeanischer Kruste.

Vergrösserte Ansicht: Mittelatlantischer Rücken
Laut neusten Simulationen beeinflusst die kontinentale Kruste auch die Bildung der ozenanischen Kruste, wie hier im Atlantik. (Bild: Google Earth)

An den Mittelozeanischen Rücken (MOR), die sich zehntausende von Kilometern mitten durch die Weltmeere erstrecken, öffnet sich der Meeresboden. Hier gelangt heisses Magmamaterial, transportiert durch die Konvektionsströmungen des Erdmantels, an die Oberfläche und erzeugt neue ozeanische Kruste. Wie diese Prozesse in der frühen Erdgeschichte in Gang kamen, ist Gegenstand anhaltender Debatten. Forscher der ETH Zürich und Universität Lyon beleben diese Debatte nun mit neuen Computersimulationen.

Vergrösserte Ansicht: Simulation Alter Ozeanboden
Die Forscher haben mit dem Computer berechnet, wie die lokale Altersverteilung des Ozeanbodens aussieht unter der Annahme, dass der globale Anteil der kontinentalen Kruste 30 Prozent beträgt. (Coltice N et al., Geology 2014)

Die Simulationen zeigen laut den Wissenschaftlern, dass die kontinentale Kruste die Bildungsrate der ozeanischen Kruste und somit die Dynamik der gesamten Erde massgeblich beeinflusst. Die Berechnungen der Wissenschaftler weisen ausserdem darauf hin, dass während die Kontinente zu ihrer heutigen Grösse heranwuchsen, die Wärmeabgabe des Erdmantels stark variierte. Auch stützen die Ergebnisse die Annahme, dass sich bereits vor spätestens 2,5 Milliarden Jahren etwa 90 Prozent der heute vorhanden kontinentalen Kruste gebildet hatte, schreiben die Forscher. Computermodelle konnten zwar bereits zuvor das Verständnis der Dynamik der Erde erheblich verbessern, doch wie schnell und wie viel kontinentale Kruste sich in der frühen Erdgeschichte bildete, ist nicht eindeutig geklärt.

Gekoppelte dreidimensionale Darstellung

Paul Tackley, Professor für Geophysik an der ETH Zürich, hat in den vergangenen Jahren ein Modell entwickelt und mit seinem Team zunehmend verfeinert, mit dem sich physikalischen Prozesse in und auf der Erde dreidimensional und gekoppelt darstellen lassen. Auch wenn es sich dabei um ein stark vereinfachtes Modell handle, das nicht alle Gegebenheiten der Erde realistisch wiedergebe, reiche es aus, um die für ihre Fragestellungen wesentlichen Mechanismen zu simulieren, betont Tobias Rolf. Der Geophysiker untersuchte mit dem Modell während seiner Doktorarbeit bei Tackley unter anderem, wie sich die gesamte global vorhandene kontinentale Kruste auf Konvektionsströme im Erdinneren und die Bildung ozeanischer Kruste auswirkt. Die Resultate dieser Studie, die Rolf in Zusammenarbeit mit Nicolas Coltice von der Universität Lyon erzielte, wurden kürzlich in der Fachzeitschrift «Geology» publiziert.

Krustenunterschiede beeinflussen Dynamik

Die Erdoberfläche besteht heute aus rund 30 Prozent kontinentaler Kruste. Die Kruste der Kontinente unterscheidet sich in Dicke, Dichte sowie Verformungs- und Fliesseigenschaften deutlich von der ozeanischen Kruste. Dieser Kontrast beeinflusst plattentektonische Prozesse sowie auch den Wärmefluss durch die Erdoberfläche: Während über die MOR Wärme aus dem Erdinneren abgeleitet wird, wirken Kontinente im Vergleich thermisch isolierend.

Auf dem Supercomputer «Monte Rosa» des Nationalen Hochleistungsrechenzentrums CSCS in Lugano berechneten deshalb die Wissenschaftler den Wärmefluss durch die ozeanische Kruste bei einer zehn-, dreissig-, fünfzig- und siebzigprozentigen Bedeckung der Erdoberfläche mit kontinentaler Kruste. Über den lokalen Wärmefluss bestimmten sie mit einem Standardverfahren das ungefähre Alter des Ozeanbodens und darüber hinaus die statistische Altersverteilung in den Ozeanbecken. Anhand der Berechnungen konnten die Wissenschaftler in Abhängigkeit der jeweiligen Kontinentgrösse die Produktionsrate der ozeanischen Kruste ableiten und ermitteln, wie diese Produktionsrate zeitlich variierte.

Die Ergebnisse zeigen, dass mit zunehmender Grösse der Kontinente die Produktionsrate der ozeanischen Kruste bis auf das Doppelte ansteigen kann. «Als Konsequenz davon nimmt das mittlere Alter des Ozeanbodens, der sich in den Ozeanbecken findet, ab», sagt Rolf. Heutige Ozeanböden sind maximal 200 Millionen Jahre alt. Grund dafür ist, dass der basaltische Ozeanboden über die Jahrmillionen erkaltet und dabei so schwer wird, dass er wieder in den Erdmantel absinkt: Die ozeanische Platte taucht dabei meist unter die weniger dichte kontinentale Platte ab, eine sogenannte Subduktionszone entsteht.

Literaturhinweis

Coltice N, Rolf T, Tackley PJ: Seafloor spreading evolution in response to continental growth, Geology, Online-Publikation, 10. Januar 2014, doi: externe Seite10.1130/G35062.1

Ähnliche Themen

Forschung

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert