Mobilität ohne CO2-Ausstoss: (Wie) ist das möglich?

Die Zukunft der Mobilität ist derzeit in aller Munde. Effizient, CO2- frei und sauber soll sie sein. Doch wie kommen wir dahin? Verbrennungsmotoren verbieten, unser Verkehrsverhalten ändern oder die Antriebssysteme schrittweise elektrifizieren – Klarheit über den Weg herrscht kaum.

Vergrösserte Ansicht: Stau auf der Strasse
Der Verkehr ist für rund 40 Prozent des CO2-Ausstosses der Schweiz verantwortlich. (Bild: Maxiphoto / iStock)

Wie soll die Schweiz ihren Verkehrssektor künftig gestalten? Welche Optionen haben wir, und was sind realistische Szenarien? Solchen Fragen widmet sich eine Arbeitsgruppe des Schweizer Kompetenzzentrums für Energieforschung auf dem Gebiet der Mobilität (externe SeiteSCCER Mobility). In zwei kürzlich erschienenen Berichten [1, 2] versucht sie, Fakten und Möglichkeiten aufzuzeigen.

Starten wir mit den Fakten: In den letzten drei Jahrzehnten benötigte der Schweizer Verkehr als einziger Sektor stetig mehr Energie. Heute beansprucht er (ohne internationalen Luftverkehr) knapp 30 Prozent des Endenergieverbrauchs und trägt etwa 40 Prozent zum CO2-Ausstoss der Schweiz bei. Von diesen Anteilen wiederum ist der Motorisierte Individualverkehr (MIV) für etwa 70 Prozent des Verbrauchs und der Emissionen verantwortlich. Will die Schweiz die Ziele des Klimaabkommens von Paris und der Energiestrategie 2050 erfüllen, müssen alle Energiesektoren – so auch die Mobilität – in weniger als 50 Jahren weitestgehend CO2-frei sein.

Gewohnheiten ändern allein genügt nicht

Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) geht von einem Wachstum der nachgefragten Verkehrsleistung von 0 bis 40 Prozent bis 2040 aus [3]. Es ist reizvoll sich zu überlegen, was es für die CO2-Bilanz bedeuten würde, wenn die Menschen bereit wären, ihr Verhalten zu ändern. In unserer Studie haben wir uns deshalb verschiedene Szenarien angesehen und ihr Einsparpotenzial überprüft.

Ein Beispiel: Würden alle Pendler in den fünf grössten Schweizer Städten vollumfänglich auf den ÖV umsteigen, könnte man theoretisch rund 16 Prozent CO2-Emmissionen vermeiden. Man müsste allerdings die Transportkapazität des ÖV um 50 Prozent erhöhen. Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn für alle Fahrdistanzen von weniger als 10 km auf Fahrräder oder E-Bikes umgestiegen würde: Die CO2-Einsparungen lägen im aller besten Fall zwischen 8 bis 19 Prozent, realistisch betrachtet aber eher im tiefen einstelligen Prozentbereich, wenn man Komforteinbussen nicht in Kauf nehmen will.

Was Technik leisten kann – zwei Wege

Ziehen wir nun die absehbar verfügbaren Technologien heran: Mit diversen Optimierungen am Motor und am Fahrzeug, Hybridantrieb und dem Umstieg auf Erdgas kann man den CO2-Ausstoss neuer Fahrzeuge bei gleicher Verkehrsleistung kurz- bis mittelfristig (5 bis 15 Jahre) um etwa 50 Prozent verringern von etwa 11 auf 5,5 Mio. t CO2/Jahr (siehe Abbildung, links). Wir nennen das den «evolutionären» Absenkpfad.

Vergrösserte Ansicht: Grafik Potentiale Antriebssysteme
Bedarf an elektrischer Energie und CO2-Emissionen durch «evolutionäre» (links) und «revolutionäre» Technologieentwicklung (rechts). Der CO2-Fussabdruck hängt stark von der Stromquelle ab. Der geschätzte CO2-Emissionswert des EU-Export-Strommixes beruht auf Daten aus dem Jahr 2014 [4].

Der «revolutionäre» bzw. systemverändernde Weg wäre eine breitflächige Elektrifizierung der Antriebe durch Batterien und Brennstoffzellen – so wie es einige europäische Staaten andenken. Sobald man aber den Elektrifizierungspfad einschlägt, sind beträchtliche zusätzliche Mengen an Elektrizität erforderlich. Dabei gilt: Die Elektrifizierung schneidet beim CO2-Ausstoss nur dann deutlich besser als der «evolutionäre» Weg ab, wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Im Fall von batterieelektrischen Antrieben ist Strom aus Gaskombikraftwerken knapp von Vorteil, derjenige aus dem EU-Export-Strommix leicht schlechter als der «evolutionäre» Weg (siehe Abbildung, rechts). Für Brennstoffzellenfahrzeuge sieht der Vergleich noch ungünstiger aus.

In diesen Berechnungen ist allerdings nur der CO2-Ausstoss aus dem Betrieb des Fahrzeugs berücksichtigt. Wenn man auch die CO2-Emissionen von der Herstellung dazurechnet (die grösstenteils im Ausland entstehen), zeigen Lebenszyklusanalysen, dass der gesamte CO2-Ausstos des MIV heute etwa 14 Mio. t CO2/Jahr beträgt. Stammte der Strom für die Elektromobilität vollständig aus erneuerbaren Quellen, wäre das ein guter Anfang – doch ohne eine Entkarbonisierung der industriellen Prozesse lässt sich der Emissionsanteil des MIV auch in diesem Fall nicht unter 4 Mio. t CO2/Jahr senken [5]. Fazit: Es reicht leider nicht, einfach auf Verbrennungsmotoren zu verzichten, wie das einige Länder andenken.

Autonomes Fahren löst das CO2-Problem nicht

Viel diskutiert wird in letzter Zeit das Effizienzpotential des vollständig automatisierten Fahrens. Obwohl «car-» und insbesondere «ride-sharing» tatsächlich zu weniger und leichteren Fahrzeugen führen könnten, ist absehbar, dass die damit verbundenen Kosten-, Zeit- und Komfortvorteile die Nachfrage nach Verkehrsleistung erhöhen würden. Was letztendlich überwiegen wird, ist aus heutiger Sicht nicht klar. Deshalb rechnen wir nicht damit, dass autonome Fahrzeuge die mit der Mobilität verbundenen Energie- und Klimaherausforderungen wesentlich entschärfen.

Und wer soll das bezahlen?

Die Hürden für einen CO2-freien Verkehr sind also hoch – nicht nur aus technischer Sicht. Entscheidend ist auch, wie eine Transformation des heutigen Mobilitätssystems möglichst kostenoptimal realisiert werden kann. Auf diesem Gebiet verstärkt das SCCER Mobility zurzeit seine sozioökonomische Forschung.

Schon heute ist klar, dass es neben CO2-Vorschriften für die Fahrzeugflotte unabdingbar ist, alle externen Kosten (für Umwelt, Sicherheit, Infrastruktur) in die Rechnung einzubeziehen. Nur so sind verursachergerechte Preise und kostenoptimale CO2-Absenkpfade möglich. Gegenwärtig ist dies nicht der Fall. Etwa, wenn aus der Stromproduktion herrührende CO2-Emissionen bei den CO2-Vorschriften für Elektrofahrzeuge ignoriert werden. Gleich lange Spiesse für verschiedene Technologien sind aber wichtig. Sie lassen sich mit gezielten Lenkungsmassnahmen viel effizienter erreichen als mit Subventionen [6].

Weiterführende Informationen

[1] Boulouchos K, Cellina F, Ciari F, Cox B, Georges G, Hirschberg S, Hoppe M, Jonietz D, Kannan R, Kovacs N, Küng L, Michl T, Raubal M, Rudel R & Schenler W. 2017. externe SeiteTowards an Energy Efficient and Climate Compatible Future Swiss Transportation System. Boulouchos K, Hirschberg S & Romera G [eds.]. SCCER Mobility. ETHZ, PSI, SUPSI & ZHAW.

[2] SCCER Mobility. 2017. externe SeiteAuf dem Weg zu einem energieeffizienten und klimafreundlichen Schweizer Mobilitätssystem. White Paper.

[3] Federal Office for Spatial Development (ARE). 2016. Verkehrsperspektiven 2040. Federal Office for Spatial Development, Bern.

[4] Messmer A & Frischknecht R. 2016. Umweltbilanz Strommix Schweiz 2014. Treeze Ltd., Uster. Commissioned by the Federal Office of the Environment (FOEN).

[5] Hirschberg S et al. 2016. externe SeiteOpportunities and challenges for electric mobility: an interdisciplinary assessment of passenger vehicles. Final report of the THELMA project in co-operation with the Swiss Competence Center for Energy Research “Efficient technologies and systems for mobility”. PSI, EMPA & ETHZ.

[6] Böhringer C, Kosch M, Landis F, Müller A, van Nieuwkoop ER & Rausch S. 2017. Promotion-or Steering-based Energy Policy: Assessing Efficiency and Distributional Impacts. Universität Oldenburg, ECOPLAN & ETHZ.

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