Sparen Computer Energie?

Computer und Kommunikationsnetze benötigen Strom; sie sind für ein bis zwei Prozent des Weltenergieverbrauchs verantwortlich. Andererseits wird mit ihrer Hilfe Energie in anderen Bereichen eingespart, wobei die «smarte» Informationstechnik zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Enlarged view: Smarte Informationstechnik zeigt Energievebrauch von Geräten auf Smartphone an
Smarte Informationstechnik kann den Energieverbrauch von Geräten auf dem Smartphone anzeigen und so zu sparsamem Verhalten motivieren. (Foto: Distributed Systems Group / ETH Zürich)

Was ist die günstigste Route für die Lieferwagen des Fuhrparks? Welche Variante eines virtuellen Auto- oder Flugzeugprototyps schneidet im digitalen Windkanal am besten ab? Welche Form der Brennkammer garantiert den höchsten Wirkungsgrad? Für solche klassischen Optimierungsaufgaben werden Computer gerne eingesetzt, sie lösen sie besser und schneller als Menschen. Motiv ist meistens die Minimierung von Kosten, doch ist die Energieeffizienz dabei oft ein wichtiger Faktor.

Online-Optimierung

Wurden solche Probleme früher «offline» berechnet, so nimmt inzwischen die Online-Optimierung eine immer grössere Rolle ein: Automotoren werden digital über eingebettete und mit Sensoren verbundene Computer gesteuert. Die Position von Hochgeschwindigkeitszügen wird laufend vorausberechnet, um den einzelnen Zügen die optimale Geschwindigkeit vorzugeben und einen Stopp vor einem Signal mit energieaufwändigem Wiederanfahren zu vermeiden. Und neuerdings beziehen sogar Rasensprinkler die Wettervorhersage aus dem Internet und wissen so, ob ihr Einsatz gefordert ist oder sie besser auf den angekündigten Regen warten.

Smarte Technik

Kleine, drahtlos mit dem Internet verbundene Sensoren und Computer werden immer billiger und energiegenügsamer, gleichzeitig können wir via Smartphone-Apps fast immer und überall Informationen zu allem Möglichen erhalten – und immer öfter auch zum Zustand der Dinge in unserer Nähe. Digitale Stromzähler, «intelligente» Heizungen oder gleich ein ganzes «smart home» eröffnen nun neue Möglichkeiten, den Energieverbrauch unserer Wohnung automatisch zu reduzieren. Oder ihn uns zumindest bewusst zu machen und uns so zum ökologischen Handeln zu stimulieren.

Zwei Projekte der ETH Zürich mögen dies verdeutlichen [1]. Beim eMeter-Projekt verbindet sich ein Smartphone mit dem intelligenten Haushaltszähler. Damit können sich Nutzer jederzeit den Energiebedarf einzelner Geräte, den Standby-Verbrauch oder den momentanen Stromverbrauch der gesamten Wohnung anzeigen lassen; die jeweiligen Energiekosten können über den Monat oder das Jahr hochgerechnet werden. Die Daten verlassen dabei nicht das Haus. Erlaubt man dem Energiedienstleister aber einen summarischen Einblick, dann kann dieser das Verbrauchsprofil mit demjenigen ähnlicher Haushalte vergleichen und so automatisch auf spezifisches Einsparpotenzial hinweisen.

Beim zweiten Projekt lernt der Stromzähler anhand typischer Energieverbrauchsmuster, wann jemand daheim oder abwesend ist. Entsprechend kann dann die Heizung ohne wesentliche Komfortminderung prädiktiv geregelt werden. Auf diese Art einige Prozent Heizungsenergie zu sparen ist durchaus von Relevanz, da in der Schweiz alleine 70 Prozent (EU: 67 Prozent) der Haushaltsenergie für die Raumheizung benötigt wird.

Jojo-Effekt beim Energiesparen

Grundsätzlich hat die Informations- und Computertechnik ein grosses Potenzial, das ökonomische Wachstum vom Ressourcenverbrauch abzukoppeln; ausschlaggebend dafür ist die Möglichkeit, Materielles  durch Bits zu ersetzen. E-Books, welche die Energie zur Papierherstellung vermeiden, E-Mails statt energieaufwändig transportierte Briefe oder auch Homeoffice und Videokonferenz anstelle von Büro und Geschäftsreisen sind Beispiele dafür.

Allerdings ist die Bilanz nicht ganz klar, denn gegenläufige Effekte können den ökologischen Gewinn reduzieren oder im Einzelfall gar ins Gegenteil verkehren: Induziert nicht gerade die Tatsache, dass durch Internet, Skype und Mobiltelefon persönliche Fernbeziehungen erträglich werden, ein häufigeres Reisen, weil der Wunsch nach leibhaftiger Begegnung vorhanden bleibt? Werden die durch eine Videokonferenz eingesparten Kosten, Zeit und Energie vielleicht nur in eine zusätzliche Besprechung investiert, zu der man dann aber physisch anreisen muss? Und ziehen im Internet schnell angebahnte Geschäftskontakte in der ganzen Welt nicht doch mehr oder weniger regelmässige persönliche Besuche nach sich?

Generell ist mit der Optimierung des Energieverbrauchs eine fast paradox anmutende Situation verbunden, die als Rebound-Effekt bezeichnet wird: Das dadurch eingesparte Geld wird oft an anderer Stelle für Zwecke ausgegeben, die ebenfalls viel (oder gar mehr?) Energie kosten. Zum Beispiel bauen wir mit energieeffizienteren Motoren grössere Autos, und mit diesen fahren wir womöglich längere Strecken. Effizientere Heizungen können zu höheren Raumtemperaturen verführen oder grössere Wohnungen erst erschwinglich machen.

Und wenn man schliesslich in ökonomischer Hinsicht das ganze «Computing» als eine Technik begreift, die in den letzten Jahren viele Wirtschaftsprozesse beschleunigt und globalisiert hat, dann ist der Verdacht nicht abwegig, dass trotz aller «Dematerialisierung» im Nebeneffekt damit oft auch der Energieverbrauch beschleunigt und globalisiert wurde.

Eine neue digitale Revolution

Neue Hoffnungen weckt nun die sich anbahnende nächste Informationsrevolution. Ihr Ziel ist, den Menschen in den Mittelpunkt zu rücken und ihm zu assistieren. Das Mittel dazu besteht in klug aufbereiteter und schlau genutzter Information über die physische Welt. Das Beispiel Car-Sharing macht vor, welcher Charme und Nutzen in der Verbindung von physischer Welt und Cyberspace liegt: Wenn man stets erfahren kann, wo sich ein freies Auto befindet und man es sofort reservieren kann, dann wird so ein Sharing-Dienst gerne akzeptiert.

Mit der Online-Information über die physische Welt stehen wir erst am Anfang einer spannenden Entwicklung. Vielleicht können uns die smarten Dinge schon bald erzählen, wie viel «graue» Energie in ihnen steckt? Oder alternativ von sich aus stillschweigend eine angemessene Energieabgabe bezahlen? Die bei Smog doppelt so hoch ist, wenn das Ding ein Auto ist?

 

Weiterführende Informationen

[1] Smart-Energy-Projekte an der ETH Zürich

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