«Alle Anspruchsgruppen frühzeitig an Bord holen»
Hannes Pichler leitet seit 2023 die Abteilung Immobilien der ETH Zürich. Damit ist er für die rechtzeitige Bereitstellung von Räumen und Gebäuden an der ETH verantwortlich. Im Interview erklärt er, was die Sparvorgaben in seinem Bereich für Lehre und Forschung bedeuten und wie er an der ETH angekommen ist.
Fühlst du dich an der ETH schon zu Hause?
Ich bin sehr gut an der ETH angekommen und wurde von allen Seiten herzlich aufgenommen. Das hat mir den Einstieg sehr erleichtert. Inzwischen konnte ich viele Bereiche und Departemente besuchen und viele interessante Gespräche mit Personen aus Lehre, Forschung und Verwaltung führen.
Du bist selbst ein ETH-Kind, hast Maschinenbau und Verfahrenstechnik an der ETH Zürich studiert. Wie bist du dann Leiter der Abteilung Immobilien geworden?
Das Studium war eine sehr gute Grundlage für meinen beruflichen Werdegang. Mein Berufseinstieg im Zementanlagenbau bei der Firma Holcim hatte durch die Technik einen starken Bezug zum Maschinenbau und zur Verfahrenstechnik. Andererseits ist ein neues Zementwerk einfach auch nur ein sehr grosses Bauprojekt.
Als Immobilienverantwortlicher bei den Forschungsanstalten des ETH-Bereichs wie der Empa konnte ich dieses Wissen von Bau und Technik gut verbinden. Aus meiner Sicht sind viele ETH-Gebäude mit ihrer ausgeklügelten Haustechnik fast wie Maschinen. Es ist klar, dass wir die Gebäude von innen nach aussen denken und diese anspruchsvolle Technik bei der Planung berücksichtigen. Gleichzeitig ist es wichtig – das habe ich in meiner Laufbahn gelernt – städtebaulich und architektonisch ansprechende Lösungen zu finden.
Lassen sich all diese Anforderungen unter einen Hut bringen?
Ja, Bauen ist für mich der bestmögliche Kompromiss zwischen diesen unterschiedlichen Anforderungen. Wichtig ist mir dabei, die verschiedenen Interessengruppen frühzeitig ins Boot zu holen. Das ist der Schlüssel zum Erfolg.
Wie ist deine bisherige Bilanz an der ETH Zürich?
Ich erlebe den Diskurs als sachorientiert und pragmatisch, was mir sehr entgegenkommt. Erfreulich sind die Offenheit und Veränderungsbereitschaft, mit der wir in der Abteilung Immobilien in meinem ersten Jahr viele neue Themen lanciert haben.
Welche Herausforderungen gab es?
In der vergangenen zehn Jahren ist die Fläche weniger stark gewachsen als die Zahl der Studierenden und des Personals. Wir haben also bereits verdichtet. Durch das weitere Wachstum der Studierendenzahlen wird sich die Schere in den nächsten Jahren weiter öffnen. Auch hier sind wir gefordert, die Gebäude von innen nach aussen – also von der Nutzung her – zu denken und mit guten Konzepten die weitere Verdichtung zu ermöglichen.
Haben die Sparmassnahmen der ETH Auswirkungen auf die Immobilien und damit auf die Hochschule?
Ja, die grösste Herausforderung wird sein, mit den vorhandenen Mitteln den langfristigen Werterhalt der Gebäude sicherzustellen. Denn jede neue Infrastruktur – wie etwa das GLC oder BSS – hat nicht nur unmittelbare Folgekosten beim Betrieb, sondern auch längerfristige in Form von Instandsetzungen. Trotzdem freut es mich, dass wir z. B. mit dem Physikgebäude HPQ und dem geplanten Bürogebäude HWS auch in Zukunft wegweisende Neubauten realisieren können.
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Neubau BSS in Basel. (Foto: ETH Zürich / Achim Birnbaum) -
Der Neubau GLC in Zürich. (Foto: ETH Zürich) -
Dieses Modell stellt das mögliche Projektvolumen des zukünftigen Hochhauses HWS auf dem Campus Hönggerberg dar. (Foto: ETH Zürich)
Eine Neuerung unter deiner Leitung ist die Kostenoptimierung durch neue Abwicklungsprozesse. Was bedeutet das?
Bei ausgewählten neuen Grossprojekten – wie dem HWS auf dem Hönggerberg – setzen wir auf die integrale Projektabwicklung. Im Vergleich zur konventionellen Projektabwicklung laufen bei dieser Methode viele Prozesse von Anfang an parallel und unter frühzeitigem Einbezug und Mitwirkung der wichtigsten Interessensgruppen. Dies verkürzt die Planungsprozesse, schafft Anreize für alle Beteiligten und fördert die Zusammenarbeit.
Welche Neuerungen gehst du noch an?
Das bestehende Priorisierungsverfahren für Raum- und Bauanträge wird ab 2024 geändert. Es wird wieder möglich sein, Raum- und Bauanträge jederzeit einzureichen und nicht nur zu einem Stichtag einmal im Jahr. Dies ermöglicht eine rollende und schnellere Bearbeitung der Anträge, für deren Priorisierung mehrere Budgetkommissionssitzungen pro Jahr stattfinden. Wir versprechen uns davon verschiedene Vorteile, u. a. eine gleichmässigere Auslastung unserer Ressourcen und eine noch engere Zusammenarbeit mit unseren Antragstellenden.
Nachhaltigkeit, und Digitalisierung/BIM werden immer wichtiger. Wo steht die ETH mit ihren Immobilien bei diesen Themen?
Die Megatrends Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft haben einen grossen Einfluss auf den Immobilienbereich. Gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen innerhalb des Vizepräsidiums für Infrastruktur arbeiten wir an diesen Themen. Unsere Vision ist ein «Digitaler Campus», also ein digitaler Zwilling unserer Infrastruktur als zentrale Plattform für Gebäudeinformationen. Die daraus gewonnenen Daten dienen als Grundlage für alle Prozesse – von der Bestellung neuer Infrastrukturen bis zum Abriss bestehender Infrastruktur. Das digitale Wissen über die Struktur unserer Gebäude ermöglicht effiziente Lösungen: Sei es die Simulation der bestmöglichen Energieversorgung oder die Wiederverwendung bestehender Bauteile im Sinne des Kreislaufgedankens.
Nachhaltig ist auch die gemeinsame Nutzung von Büroarbeitsplätzen, Laboren oder Werkstätten: Wird dies in Zukunft von der Abteilung Immobilien forciert?
Ja, im Rahmen des laufenden Projekts «Future of Work @ OCT» führen wir im Octavo-Gebäude in Zürich-Oerlikon ein flexibles Bürokonzept ein. Die Einheiten des VPIN, VPFC und VPPL werden 2024 grösstenteils in dem Gebäude untergebracht sein – insgesamt rund 800 Mitarbeitende. Das Projekt hat Pilot-Charakter, und wir wollen daraus für zukünftige Projekte in anderen Einheiten der ETH lernen.
Die Anforderungen an die Abteilung Immobilien sind vielfältig: Welche Fragen/Wünsche hörst du von den Departementen am häufigsten?
Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden von Departementen sehr geschätzt – das ist mein Eindruck aus verschiedenen Rückmeldungen. Der Wunsch, noch enger mit ihnen zusammen zu arbeiten, ist der häufigste Wunsch, den ich in meinem ersten Jahr gehört habe. Natürlich wünschen wir uns einen noch engeren Austausch, den wir unter anderem mit dem neuen Priorisierungsprozess fördern.
Wie erholst du dich von all den Herausforderungen?
Meine beiden kleinen Töchter sorgen für genügend Abwechslung und dafür, dass ich auch privat nicht einroste. Ausserdem fahre ich gerne Motorrad und Ski.
Zur Person
Hannes Pichler ist dipl. Masch.-Ing. ETH, hat einen MBA HSG und hat im Herbst 2023 einen MAS in Immobilien-Management abgeschlossen. Seit Februar 2023 leitet er die Abteilung Immobilien der ETH Zürich. Zuvor verantwortete er bei der Empa seit 2012 als Leiter Immobilien das Portfolio der Forschungsanstalten des ETH-Bereichs. 2006 bis 2012 war er bei der Firma Holcim im Industrie- und Anlagenbau tätig.
Er engagiert sich im Vorstand des Vereins externe SeiteThe Branch und in der Innovationskommission des externe SeiteCRB für eine zukunftsfähige Bau- und Immobilienwirtschaft in der Schweiz. Er lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in Gockhausen (ZH).
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