«Es ist schön, wenn man eine positive Rolle spielen kann»

Margrit Leuthold ist seit 2018 Ombudsfrau an der ETH und tritt im kommenden Jahr zurück. Sie erzählt, weshalb Zuhören so wichtig ist, welche Glücksmomente sie in dieser vertraulichen Funktion hatte und welche Eigenschaften Ombudspersonen mitbringen müssen.

Porträtfoto von Margrit Leuthold
Margrit Leuthold. (Bild: ETH Zürich)

Frau Leuthold, Sie sind seit 2018 Ombudsfrau an der ETH. Was war damals Ihre Motivation für das Amt?
Margrit Leuthold: Die Stelle reizte mich, weil man mit der ganzen Bandbreite von ETH-Angehörigen in Berührung kommt, von Studierenden bis zu Professor:innen. Gleichzeitig konnte ich der ETH etwas zurückgeben. Ich habe insgesamt 16 Jahre in drei verschiedenen Positionen in dieser Institution gearbeitet und das immer als grosses Privileg empfunden. Zudem stand ich vor der Pensionierung, als ich angefragt wurde, und ich habe mir überlegt, dass mir ein sanfter Übergang guttut.

Die Aufgaben einer Ombudsfrau waren Ihnen bekannt. Gab es dann doch Überraschungen, als Sie das Amt antraten?
Die Anliegen waren viel diverser als ich angenommen hatte. Überrascht war ich, dass es in vielen Fällen gar nicht darum geht, grosse Lösungen zu finden. Oft ist Ratsuchenden schon damit geholfen, dass sie jemandem vertraulich ihr Herz ausschütten können und sie ihre Situation reflektieren können. Ich hatte mich auf mehr sehr komplexe und schwierige Situationen eingestellt, weil die Funktion damals immer wieder in Medienberichten erwähnt wurde. In den letzten Jahren hat sich das etwas beruhigt, die vermehrten internen Hilfestellungen scheinen langsam zu greifen.

Wenn das Bedürfnis nach Zuhören besteht: Wird an der ETH generell zu wenig miteinander gesprochen?
An der ETH wird sehr viel gesprochen [lacht]. Es geht eher um Situationen, in denen man sich emotional verfangen hat oder ratlos ist, weil man selbst keine Lösung findet. Darüber will man vielleicht nicht mit Arbeitskolleg:innen sprechen. Dennoch wünscht man sich eine Gesprächspartnerin, die die Institution kennt, und die helfen kann, die Situation einzuordnen. Häufig sind es auch Personen aus anderen Kulturkreisen, die andere Wertesysteme und ihre Familie und Freunde nicht in Zürich haben.

Ombudsstelle

Bei den Ombudspersonen finden Angehörige der ETH Zürich Gehör in schwierigen Situationen. Sie sind eine allgemeine Anlaufstelle bei Konflikten oder Problemen, welche selber nicht gelöst werden können, und bei Verdacht auf rechtlich unkorrektes Verhalten, sei es als betroffene Person oder als Zeuge. Die Ombudspersonen sind unabhängig und behandeln alle Informationen strikt vertraulich.

Die Ombudspersonen werden auf der Grundlage der Organisationsverordnung ETH Zürich von der Schulleitung auf Vorschlag der Hochschulversammlung gewählt.

Die aktuellen Ombudspersonen sind neben Margrit Leuthold die emeritierte ETH-Architekturprofessorin Annette Spiro sowie der Mediator Jonas Nakonz und die Rechtsanwältin Kathrin Teuscher.

Wie sieht es bei schwierigeren Situationen aus? Tauschen Sie sich als Ombudspersonen in so solchen Fällen untereinander aus?
Als Ombudspersonen sind wir der strikten Vertraulichkeit verpflichtet. Das heisst, dass wir auch untereinander nicht über konkrete Fälle oder Namen sprechen. Jeder Ratsuchende, jede Ratsuchende wählt sich eine Ombudsperson aus. Aber ich frage immer mal wieder eine der Kolleginnen oder den Kollegen um Rat, wie sie vorgehen würden, gerade auch bei juristischen Fragen. Hinzu kommen die regelmässigen Treffen, in den wir alle zwei Monate anonym aktuelle Fälle besprechen. Wir pflegen eine vertrauensvolle und freundschaftliche Zusammenarbeit.

Die Stelle entspricht einem 20-Prozent-Pensum. Wie muss man sich den Alltag einer Ombudsperson vorstellen?
Mein Credo ist, dass ich innerhalb von 24 Stunden auf Anfragemails reagiere und auch versuche, die Personen möglichst rasch zu treffen. Denn die meisten Ratsuchenden stehen unter grossem Druck. Das ist etwas die Crux an der Stelle: Man sollte möglichst immer präsent sein. Natürlich kann ich auch mal die Abwesenheitsmeldung schalten und die Ratsuchenden an die anderen Ombudspersonen verweisen. Hinzu kommt, dass die Arbeitsbelastung unregelmässig ist. Ich hatte vor zwei Jahren einen Fall, der mich maximal belastete. Da arbeitete ich über Wochen über 50 Prozent nur für diesen einen Fall.

Wie viele Anfragen haben Sie pro Jahr?
Wir veröffentlichen jedes Jahr eine Statistik. Pro Ombudsperson kommt im Schnitt alle zwei Wochen eine Anfrage, insgesamt sind es etwa dreissig im Jahr. Wenn sich die Anfragen bei jemandem häufen, können wir uns gegenseitig entlasten und bei Einverständnis der Ratsuchenden Fälle an eine andere Ombudsperson übergeben..

Wenn Sie vor Ihrem letzten Jahr ein Fazit der Arbeit ziehen, wie sieht das aus?
Es ist eine nicht immer einfache, aber sehr dankbare Arbeit. Es ist schön, wenn man durch seine Unterstützung jemandem in einer kritischen Phase helfen kann. Natürlich gibt es immer wieder Fälle, in denen man keine tolle konstruktive Lösung findet. Aber es gab auch kleine Glückmomente.

Können Sie uns so einen Glücksmoment schildern?
Eine Doktorandin aus einem anderen Kulturkreis hatte grosse Mühe mit ihrem Betreuer. Schliesslich halfen auch Kolleginnen und Kollegen aus dem Departement, dass sie einen neuen Betreuer fand. Nach rund einem Jahr meldete sie sich mit einer Kopie der Einladung zur Doctoral Defense und einem Dankesschreiben. Das freut und berührt. Es kann aber auch sein, dass die Konsultation dazu führt, dass der Weg von der ETH wegführt. Rückmeldungen, dass das Gespräch geholfen habe, Klarheit zu bekommen, sind mir ebenso wichtig.

Nun sucht die Hochschulversammlung eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für Sie. Was sollte die Person unbedingt mitbringen?
Sie muss die ETH sehr gut kennen, vielleicht an verschiedenen Stellen gearbeitet haben. Jedenfalls muss sie die ETH-Kultur leben und wissen, wie die Institution tickt. Das ist wichtig, weil zwei der anderen drei anderen Ombudspersonen Fachleute ohne ETH-Vergangenheit sind. Eine Weiterbildung kann helfen, und wer über Erfahrung in Coaching, Konfliktlösung oder Mediation verfügt, wird diese Fähigkeiten sicherlich gut gebrauchen können. Daneben sind es menschliche Qualitäten. Man muss Menschen gerne haben und zuhören können, manchmal auch stundenlang. Man muss sich in Situationen und Perspektiven anderer Menschen versetzen können, da sind Erfahrungen mit anderen Kulturen hilfreich. Man muss auch ETH-Angehörigen aller Hierarchiestufen gleich begegnen, unabhängig vom Status. Ganz wichtig ist der Dienstleistungsgedanke: Als Ombudspersonen geht es nie um uns. Wir sind Dienstleister:innen für die Menschen an der ETH.

Margrit Leuthold

Margrit Leuthold promovierte 1986 in Biologie an der Universität Zürich. Nach Postdoc-Aufenthalten in Zürich und den USA folgte eine Stelle als wissenschaftliche Adjunktin beim Schweizerischen Nationalfonds. 1992 kam sie zur ETH in den Stab des Präsidenten, wo sie die «Alliance for Global Sustainabilty» aufbaute. Nach sechs Jahren zog sie als Generalsekretärin zur Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften. 2006 kam Margrit Leuthold zurück an die ETH und leitete zunächst die Strategische Planung, danach das Team Internationale Institutionelle Angelegenheiten. 2012 wurde sie Executive Director bei swissnex India in Bangalore. Ab 2016 war Margrit Leuthold wieder für die ETH tätig, zunächst als Beauftragte Medizinische Forschung und das Singapore ETH Centre SEC. Am Ende ihrer Karriere war sie stellvertretende Programmdirektorin des «Future Health Technologies»- Programms am SEC.

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