«Vertrauenskultur und personalrechtliche Grundlagen ergänzen sich»

Per 1. Oktober hat der ETH-Rat eine revidierte Personalverordnung in Kraft gesetzt. Lukas Vonesch, Leiter der Abteilung Personal der ETH Zürich, erklärt im Interview, was die Änderungen für die Mitarbeitenden bedeuten und erläutert die Hintergründe.

Lukas Vonesch
Lukas Vonesch, Leiter Abteilung Personal (Bild: ETH Zürich / Gian Marco Castelberg)  

Herr Vonesch, wie sind die ETH-Mitarbeitenden von der Teilrevision der Personalverordnung (PVO) betroffen?

Es gibt drei zentrale Änderungen. Die erste betrifft die Dauer und den Umfang der Lohnfortzahlung bei Unfall und Krankheit, die neu abhängig ist von der Anzahl Dienstjahren. Zweitens wird mit der neuen PVO eine Mitwirkungspflicht der Mitarbeitenden bei Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit oder Unfall geregelt. Und drittens wird der bezahlte Urlaub auf die Pflege der eigenen Eltern ausgeweitet; bisher galt diese Regelung nur für Personen im gleichen Haushalt. Zudem können die Mitarbeitenden neu drei Tage pro Ereignis bezahlten Urlaub beziehen anstelle der bisherigen fünf Tagen pro Kalenderjahr. Daneben gibt es eine Reihe weiterer Anpassungen, die primär Präzisierungen sind.

Lassen Sie uns der Reihe nach auf die genannten drei grösseren Anpassungen zu sprechen kommen. Werden die Mitarbeitenden schlechter gestellt, wenn sich die Dauer der Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit an den Dienstjahren misst?

Wenn jemand krank wird oder einen Unfall hat, stellt sich nicht in erster Linie die Frage, wie lange er oder sie von der Arbeit fernbleiben kann. Vielmehr geht es darum, dass die Person möglichst schnell wieder gesund wird – und an den Arbeitsplatz zurückkehren kann. Dies ist nicht nur für die Vorgesetzten und das Team relevant, sondern vor allem für die betroffene Person. Daran orientiert sich das Sozialsystem und die Unterstützung der ETH. Wir suchen im Dialog mit dem Mitarbeitenden und der Vorgesetzten nach einer guten Lösung, damit er genesen und sich erholen kann. Die Zeit ist nur ein Faktor. Hinzu kommt die Tatsache, dass mit jedem Monat Abwesenheit die Chance auf eine Rückkehr an den Arbeitsplatz sinkt. Vor diesem Hintergrund hat die ETH das Case Management ausgebaut, das Mitarbeitende bei längeren Abwesenheiten begleitet und sie bei der Wiedereingliederung unterstützt.

Doch konkret zu Ihrer Frage: Ab dem dritten Dienstjahr erhalten Mitarbeitende wie bisher eine Lohnfortzahlung von 730 Tagen. Neu reduziert sich die Lohnfortzahlung nach dem 365. Tag auf 90%. In den ersten zwei Dienstjahren erhalten Mitarbeitende neu nur eine Lohnfortzahlung von 365 Tagen. Bei befristeten Anstellungen endet die Lohnfortzahlung wie bisher mit dem Ablauf des Vertrags.

Dann ist der zweite Punkt, die Mitwirkungspflicht bei Arbeitsunfähigkeit, wohl in diesem Zusammenhang zu sehen. Worum geht es da genau?   

Im Falle einer Krankheit ist es wichtig, dass Vorgesetzte und Mitarbeitende in Kontakt bleiben. Bei längerem Krankheitsverlauf ist es auch wichtig, dass Informationen ausgetauscht werden können und gegebenenfalls eine Zweitmeinung durch einen Vertrauensarzt eingeholt werden kann. Gewöhnlich ist das kein Problem, weil Mitarbeitende und Vorgesetzte an der ETH generell eine vertrauensvolle Beziehung pflegen. Leider gilt gibt es aber immer wieder einzelne Fälle, in denen es einen Konflikt gibt, und da sind klare Regeln notwendig.

Eine Neuerung ist auch, dass Mitarbeitende nach drei Krankheitstagen ein Arztzeugnis einreichen müssen. War das bisher nicht der Fall?

Es dürfte viele erstaunen, aber in der bisherigen Regelung fehlte eine Zeitangabe tatsächlich. Wir haben an der ETH bisher ohne diese Regelung gut funktioniert. Dies, weil wir uns auf eine Vertrauenskultur abstützen können. Aber natürlich gibt es einzelne Fälle, in denen eine fehlende Regelung Schwierigkeiten bereitet. Wenn jemand mehrere Wochen ausfällt und kein Arztzeugnis bringt, weil die PVO dies nicht vorschreibt… So wurden in der neuen PVO drei Tage festgelegt, die in der Arbeitswelt üblich sind. Diese Änderung bedeutet aber keineswegs eine Veränderung der geltenden Vertrauenskultur. Doch wenn das Vertrauen mal nicht spielt, haben alle Seiten klare Regeln. Vertrauenskultur und personalrechtliche Grundlagen ergänzen sich.

Die dritte grössere Änderung wird viele Mitarbeitende freuen. Was hat den Anstoss dazu gegeben, den bezahlten Urlaub auf die Pflege der eigenen Eltern auszuweiten?

Die gesellschaftliche Realität, die sich aufgrund der demografischen Entwicklung unserer Gesellschaft ergeben hat. Die Unterstützung im Familienumfeld betrifft vermehrt nicht nur die Pflege der Kinder, sondern auch naher Angehöriger. Mit der neuen Regelung von drei Tagen pro Ereignis sollen Mitarbeitende die notwendige Zeit dafür erhalten. 

Welche grundsätzlichen Überlegungen stecken hinter der Revision der PVO?

Arbeitswelt und Gesellschaft verändern sich, wie das eben erwähnte Beispiel zeigt. Diesen Entwicklungen müssen wir Rechnung tragen. Auch die Änderungen bei der Lohnfortzahlung haben hier ihren Ursprung. Das Sozialsystem, insbesondere die Invalidenversicherung, hat sich in den letzten Jahren gewandelt. So zielen die letzten beiden Revisionen wesentlich stärker auf den Erhalt der Arbeitsfähigkeit und der Arbeitsplätze ab. Mithin sind Mitarbeitende zu einer stärkeren Mitwirkung aufgefordert. Dann geht es aber auch darum, bestehende Regelungen zu präzisieren. Immer häufiger werden wir in der Personalabteilung mit der Frage konfrontiert: «Wo steht das geschrieben?» Diese Frage müssen wir nicht nur Mitarbeitenden und Vorgesetzten beantworten, sondern vermehrt auch hinzugezogenen Rechtsvertretungen. Hier hilft eine klare gesetzliche Grundlage, die keine wesentlichen Lücken aufweist.

Gab es einen konkreten Auslöser für diese Teilrevision der PVO?

Die letzte PVO-Revision liegt mehrere Jahre zurück, und über die Zeit haben sich einige Lücken im Regelwerk manifestiert. Die Revision der PVO ist ein aufwendiger Prozess, wir haben vor drei Jahren damit begonnen. Auch sind unterschiedliche Instanzen daran beteiligt, neben den Institutionen des ETH-Bereichs sind dies der ETH-Rat und der Bund.  

An der ETH Zürich fand eine Vernehmlassung statt. Gab es da auch kritische Stimmen?

Eine Vernehmlassung ist eine Einladung zum Dialog über gemeinsame Prinzipien der Personalpolitik. Da finden sich gemeinsame und unterschiedliche Gesichtspunkte, das gehört dazu. Manche der Änderungen werden als Verbesserung, andere als Verschlechterung wahrgenommen. Doch neben den Sozialpartnern ist wie erwähnt auch der Bund an der Ausarbeitung beteiligt. Dazu ein Beispiel: Die Hochschulversammlung hat den Vorschlag eingebracht, den Vaterschaftsurlaub auf vier Wochen auszudehnen. Der ETH-Rat hat diese Anregung aufgenommen. Aufgrund des politischen Kontextes konnte der Punkt aber nicht umgesetzt werden.  Hier zeigt sich, dass es um einen Ausgleich von unterschiedlichen Interessen geht. Wichtig aber ist festzuhalten: Der ETH-Bereich bietet den Mitarbeitenden weiterhin sehr gute Anstellungsbedingungen bei einer hohen Arbeitsplatzsicherheit.

 

Weitere Informationen

Die vollständige Personalverordnung des ETH-Bereichs (PVO-ETH) im Detail finden Sie externe Seitehier.

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