Vorwärts ohne Testate

Jetzt steht fest: An der ETH Zürich wird es keine Testate mehr geben. Dafür will ETH-Rektorin Sarah Springman gemeinsam mit den Departementen Instrumente weiterentwickeln, die Studierende zum Lernen während des Semesters motivieren.

Bild: ETH Zürich / Alessandro Della Bella
Studierende der ETH Zürich müssen künftig keine Testate mehr erwerben. (Bild: ETH Zürich / Alessandro Della Bella)

Jahrzehntelang prägten sie den Studierendenalltag: die Testate. Gestern hat ETH-Rektorin Sarah Springman in Absprache mit der Schulleitung formell beschlossen, dass die Lehre an der ETH Zürich künftig definitiv ohne Testate auskommt. Damit bringt Springman ein Geschäft zum Abschluss, das ihre Vor-Vorgängerin Heidi Wunderli-Allenspach angestossen hatte.

Auswertung der Versuchsphase

Können Studierende auch ohne Testatformalitäten erfolgreiche Lernstrategien entwickeln? Davon ging vor drei Jahren die damalige Schulleitung der ETH Zürich aus, als sie eine Versuchsphase ohne Testate startete. Bislang galten diese als Zulassungsbedingung für Prüfungen. Erteilt wurden sie meistens für die Präsenz im Unterricht oder das Einreichen von Übungsaufgaben.

Sicher war sich die Schulleitung aber nicht, ob die Studierenden wirklich genügend Eigenverantwortung und Disziplin aufbringen würden, Übungsaufgaben während des Semesters ohne Kontrollen zu lösen. Deshalb hatte sie beschlossen, den Versuch sorgfältig auszuwerten. Die Ergebnisse der dreiteiligen Evaluation liegen nun vor. Und: Sie zeichnen kein einheitliches Bild.

Unterschiedliche Einschätzungen

Sarah Springman
Sarah Springman setzt auf die Eigenverantwortung der Studierenden. (Bild: ETH Zürich / Markus Bertschi)

Eine Umfrage bei den Dozierenden ergab, dass viele von ihnen das Testat im Basisjahr und auch im Bachelor noch tendenziell als geeignet einschätzen. Im Masterstudium beurteilen die Lehrpersonen das Testat als weniger wichtig. Insgesamt spricht sich eine leichte Mehrheit der Dozierenden für irgendeine Art von Lernkontrollen während des Semesters aus.

Auch die Stellungnahmen der Departemente und Hochschulgruppen ergaben keine klare Antwort. In sechs der 16 ETH-Departementen wurden schon vor der Versuchsphase keine Testate mehr eingesetzt. Von den übrigen zehn sprach sich die Hälfte für eine beschränkte Wiedereinführung von Testaten aus, vier waren eher dagegen, und aus dem verbleibenden Departement kam keine Rückmeldung. Der Studierendenverband VSETH befürwortete die Abschaffung und begründete dies mit der stärkeren Eigenverantwortung, die Studierende übernehmen sollen. Ein ähnliches Bild zeigte sich beim Mittelbau, wo sich der Verband AVETH gegen Testate als Instrument zur Prüfungszulassung aussprach, gleichzeitig aber andere Instrumente zur Förderung des Lernerfolgs befürwortet.

Bleibt die statistische Auswertung als drittes Element der Evaluation: Wurden die Prüfungsnoten schlechter? Nein – sie variieren über die Zeit, doch lässt sich keine Tendenz nach unten feststellen. Denkbar ist, dass Dozierende den Notenmassstab angepasst haben. Doch auch bei Vorlesungen, in denen die Lehrpersonen nach eigenen Angaben vor und während der Testataussetzung die gleiche Notenskala angewendet haben, steigen und fallen die Noten im Verlauf der Jahre ohne klares Muster.

Motivation der Studierenden stärken

Was also hat den Ausschlag gegeben, Testate nicht wieder einzuführen? «Wir wollen vorwärts blicken», sagt ETH-Rektorin Sarah Springman. «Statt auf Zwang durch Testate setzen wir auf die Eigenverantwortung der Studierenden und auf Instrumente, die ihre intrinsische Motivation fördern.»

Ein gutes Beispiel dafür ist das Study Center im Departement Mathematik: Hierhin kommen Studierende, um gemeinsam Aufgaben zu lösen und Fragestellungen zu diskutieren. Im Zentrum steht das Verstehen des Stoffes und nicht – wie beim Testat – das Abgeben eines Blatts mit Lösungen, die auch abgeschrieben sein können.

Fördern will Springman insbesondere die so genannten Zentralen Elemente, die den Studierenden aufzeigen, ob sie ihre Lernziele erreicht haben. Das können Zwischenprüfungen während des Semesters sein, aber auch individuelle Präsentationen oder Fallstudien. Dafür erhalten Studierende eine Note, die Ende Semester in die Schlussbewertung einfliesst, eventuell auch nur dann, wenn sie einen positiven Beitrag zur Schlussnote leistet, damit die Studierenden tatsächlich motiviert sind, freiwillig mitzumachen.

«Die Evaluation hat gezeigt, dass sich der Einsatz Zentraler Elemente bewährt hat», sagt Springman. «Wir müssen ihnen allerdings ein klareres Profil geben und ihren Einsatz besser koordinieren.» So will die Rektorin im kommenden Jahr gemeinsam mit den Departementen die Zentralen Elemente weiterentwickeln und deren Einsatz regeln. Gleichzeitig sollen auch andere Instrumente wie die erwähnten Study Centers gefördert werden.

Zentrale Elemente

Zentrale Elemente sind Bestandteil der Leistungskontrolle, und keine Zulassungsbedingung, wie es die Testate waren. Sie können benotet werden und anteilmässig zur Schlussnote beitragen oder nur eine Erfüllungspflicht darstellen. Sie können deshalb entweder das Erreichen von Lernzielen überprüfen, sofern dies nicht im Rahmen der Prüfung erfolgen kann (Labor- oder Computerübungen, Fallstudien, Präsentationen, Projekte), oder punktuelle Lernkontrollen während des Semesters darstellen (Zwischenprüfungen).

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