Forschung in der Lehre

Marta H. Wisniewska kommt bald vom FCL in Singapur nach Zürich. Ihre nächste Aufgabe: ihre Forschungsergebnisse in die Lehre übertragen.

Vergrösserte Ansicht: Addis Ababa
Sustainable Emerging City Unit (SECU) Internationaler Workshop in Addis Ababa, Äthiopien 2012. (Foto: Marta H. Wisniewska)

Die Zeit vergeht wie im Flug. Ein Klischee, das aber perfekt auf die aktuelle Situation unseres Lehrstuhls im Future Cities Laboratory passt. Kaum zu glauben, dass ich nun schon seit zweieinhalb Jahren in Singapur lebe und arbeite! Nun geht unsere Zeit hier zu Ende, und ein neues Kapitel beginnt. Der Lehrstuhl für Architektur und Konstruktion kehrt zurück an die ETH Zürich. Dort werden wir unsere Forschungsarbeit fortsetzen und eine Lehrveranstaltung im Bereich Konstruktion für den Master-Studiengang anbieten – eine spannende neue Aufgabe, auf die wir uns alle sehr freuen.

Wie entwickelt man aus jahrelanger intensiver Forschung ein akademisches Konzept? Eine Herausforderung, der wir uns gerade stellen. Wir möchten eine Lehreinheit entwickeln, die Studierende inspiriert und gleichzeitig unsere aktuelle Forschungsarbeit stützt. Keine leichte Aufgabe! Noch kann ich nicht genau nicht sagen, wie wir sie meistern werden. Einige mögliche Ansatzpunkte und derzeit von uns entwickelte Instrumente kann ich allerdings schon vorstellen.

Praxisorientierung

Das Schöne an unserer Forschungsarbeit in Singapur ist, dass wir trotz aller wissenschaftlichen Akribie sehr praxisorientiert arbeiten. In den vergangenen Jahren haben wir unzählige Stunden in verschiedenen Labors verbracht. Wir haben für unterschiedliche Baukonzepte Materialien aller Art, darunter Wasser, Papier, Erde oder Bambusfasern, gemischt, kombiniert, gepresst und getestet. In der Materialforschung geht es vor allem darum, bewährte Baustoffe und lokale Baupraktiken mit modernen Technologien zu kombinieren, um neue Materialien für spezifische Anwendungen zu finden. Diese werden vorwiegend in Entwicklungsländern eingesetzt, denn dort wird die Nachfrage nach Wohnraum in den nächsten Jahren so hoch wie nie zuvor sein.

Prototypologien

Angesichts dieses enormen Bedarfs hat unser Lehrstuhl in den letzten Jahren zusammen mit Partnern in aller Welt einige Prototypologien entwickelt. Mit diesen Projekten wollten wir Methoden erarbeiten, die zwischen den uns bekannten formellen, architektonischen Strategien und den realen Gegebenheiten vor Ort vermitteln. Vor zwei Jahren luden wir daher eine Gruppe von Studierenden der ETH zu einem intensiven baupraktischen Workshop nach Äthiopien ein. Das Ergebnis war eine umfassende Wohntypologie auf der Basis von Stroh, einem in diesem Land überall verfügbaren landwirtschaftlichen «Abfallprodukt». Im Rahmen einer ETH Summer School haben unsere Studierenden auch Häuser gebaut – vorwiegend aus Erde und Naturstein. Vor kurzem haben wir ein prototypisches Gebäude aus weggeworfenen PET-Flaschen getestet. Allen diesen Experimenten ist eines gemeinsam: Zunächst müssen die sozialen, kulturellen und klimatischen Gegebenheiten eines Ortes erfasst und die jeweils geeigneten Baumaterialien bestimmt werden. Erst dann beginnt die Konstruktionsphase. Wenn wir im Herbst dieses Jahres unsere Arbeit in Zürich aufnehmen, werden die Erfahrungen mit diesen vollmassstäblichen Gebäuden ein wichtiger Aspekt unseres Lehrkonzepts sein.

Bücher und Veröffentlichungen

Zurzeit sind an unserem Lehrstuhl zwei Bücher in Vorbereitung, mit denen wir sowohl eine tiefere Einsicht in unsere Methodologie gewinnen als auch unsere Ergebnisse pädagogisch aufbereiten wollen. Im ersten Buch unternehmen wir den Versuch, den Bauprozess einer unserer Prototypologien in Äthiopien von Anfang bis Ende zu beschreiben. Es ist als Leitfaden für all jene gedacht, die dieses Experiment wiederholen möchten. Das zweite Buch, «Building from Waste», zeigt, dass auch Abfallstoffe als mögliche Baumaterialien Verwendung finden können und in der Architektur sowie im Städtebau berücksichtigt werden sollten.

Nach unseren Erfahrungen in der Forschungsabteilung des FCL in Singapur bin ich persönlich sehr gespannt auf die Arbeit an der ETH. Ich freue mich auf die Herausforderung, nun auch in der Lehre tätig zu sein. Unser Ziel, wieder vollmassstäbliche Gebäude zu errichten, wird mir und, wie ich hoffe, auch unseren Studierenden, einzigartige, tiefgreifende Erfahrungen ermöglichen. In den nächsten Monaten wird uns vor allem die Umsetzung unserer Forschungsergebnisse in pädagogische und methodologische Strategien beschäftigen. Wir hoffen, dabei auch unerwartete und neuartige Methoden zu finden. Vielleicht kann ich darüber ja in einer künftigen Kolumne berichten? Wir sehen uns in Zürich!

Zur Person

Vergrösserte Ansicht: Marta Wisniewska

Marta Heisel-Wisniewska ist derzeit als Forscherin am Future Cities Laboratory (FCL) in Singapur im Auftrag der Professur für Architektur und Konstruktion tätig. Von 2004 bis 2011 studierte sie am Departement Architektur und Städteplanung der Westpommerschen Technischen Universität Stettin (ZUT) in Polen sowie am Departement Architektur der Hochschule für Künste in Berlin. Bevor sie zum FCL nach Singapur berufen wurde, war sie Dozentin und Koordinatorin des Architekturprogramms am Äthiopischen Institut für Architektur, Bauwesen und Städteentwicklung in Addis Ababa, wo sie Mitglied einer Forschungsgruppe war, die sich mit dem Design von Flüchtlingsauffangeinrichtungen befasste. Für ihr Engagement wurde sie von EiABC-Studentenrat im Jahr 2011 mit dem «Best Teaching Award» ausgezeichnet.

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