Vertikales Netzwerken

Der CREATE Tower in Singapur bietet den dort angesiedelten Forschungseinrichtungen ideale Bedingungen für vertikales Netzwerken. Marta H. Wisniewska sieht darin nur Vorteile.

CREATE Tower
Der CREATE Tower: Interdisziplinäre Forschungsinstitute von renommierten Universitäten sind erstmals unter einem Dach vereint. (Foto: Marta H. Wisniewska)

Als die National Research Foundation (NRF) in Singapur im Jahr 2009 den Grundstein für die Planung einer gemeinsamen Forschungsstätte legte, unter deren Dach Forschungsgruppen verschiedenster Universitäten angesiedelt sein würden, lag das Augenmerk ganz besonders auf der Einzigartigkeit der angestrebten akademischen Community und auf ihren zukünftigen Interaktionsmöglichkeiten und -chancen.

Auf dem CREATE Campus (CREATE ist die Abkürzung von «Campus for Research Excellence and Technological Enterprise»/«Campus für Forschungsexzellenz und technologischen Unternehmergeist» – die Menschen in Singapur haben ein Flair für Abkürzungen!) haben sich interdisziplinäre Forschungsinstitute von renommierten Universitäten zum ersten Mal gemeinsam angesiedelt. Der CREATE Tower vereint die ETH Zürich (mit dem Singapore-ETH Centre), das Massachusetts Institute of Technology, die Technische Universität München, die University of California Berkeley, die Peking University, die Shanghai Jiao Tong University, die National University of Singapore sowie die Nanyang Technological University unter einem gemeinsamen Dach.

Diese Konstellation fördert die Interaktion zwischen den verschiedenen Forschungsgruppen und -instituten, und zwar auf vielen Ebenen, sowohl professionell als auch informell. Der Alltag vieler Forschender ähnelt sich, ihre Wege kreuzen sich, und das intensiviert die täglichen Kontakte, z.B. beim Pendeln zum Arbeitsort, während der Mittagspausen und an den Feierabenden. Es brauchte allerdings seine Zeit, bis sich die verschiedenen Forschungseinheiten am neuen Standort eingerichtet hatten und so richtig wohl fühlten. Und es brauchte auch seine Zeit, um sich mit den neuen Nachbarn vor Ort anzufreunden.

Ein gemeinsames Tischfussballturnier, das vor einigen Monaten ausgetragen wurde, entpuppte sich als regelrechter Eisbrecher. Zum ersten Mal trafen Forschende aus dem gesamten CREATE Tower in einem kollegialen, sportlichen Wettkampf aufeinander. Die TU München erwies sich zwar als unbesiegbar und belegte in der Gesamtwertung sowohl den 1. als auch den 2. Platz, doch der Zweck dieser Veranstaltung war klar: Die Teilnehmenden sollten wertvolle Erstkontakte knüpfen und in das soziale Netzwerk eingebunden werden.

Die Resultate zeigten sich schon bald: Den neuen Kontakten, die während des Turniers entstanden sind, ist die Initiative ‘CREATE Talks’ zu verdanken. Diese Veranstaltung findet im Rotationsverfahren statt und ist ins Leben gerufen worden, um die fachliche Kommunikation zwischen den Forschungsinstituten zu intensivieren. Studierende haben am CREATE zum Beispiel Gelegenheit, ihre Forschungsarbeiten einem interdisziplinären Fachpublikum aus Dozierenden und Doktorierenden vorzustellen. Dadurch können sie ihre These einer sehr heterogenen Peer-Gruppe präsentieren und wertvolle Inputs dazu erhalten. Dies ist besonders für unsere Doktorierenden hilfreich, denn ihre ETH-Mentoren sind weit weg und manchmal nur schwer zu erreichen. Meiner Ansicht nach ist dieser informelle Informationsaustausch eine der grössten Stärken des CREATE Projekts.

Inzwischen haben sich verschiedene gesellschaftliche Events am CREATE etabliert, und jedes Forschungsinstitut organisiert eine eigene Veranstaltung. Nur um ein paar Beispiele zu nennen: Das MIT veranstaltet ein Thanksgiving mit traditionellem Truthahn und anderen amerikanischen Spezialitäten. Die TU München organisiert ein kleines Oktoberfest mit typischer Wies’n-Musik, deutschem Bier und Trachten  ̶  die Bierzelt-Atmosphäre ist verblüffend echt. Als Dankeschön revanchieren wir uns mit einer Weihnachtsparty samt Glühwein und anderen internationalen Spezialitäten – der Glühwein schmeckt in einer tropischen Klimazone übrigens völlig anders... Diese Veranstaltungen finden normalerweise auf einer der Dachterrassen des Towers statt, zwischen Bambuspflanzen, bei herrlicher Sicht auf den Campus und seine Umgebung. Diese «vertikalen Interaktionen» machen Mut und Lust auf mehr: Es besteht durchaus noch Potential für weitere Initiativen dieser Art, damit die neuen Kontakte und Bande nachhaltig gestärkt werden.

Ich glaube, wir sollten schnellstmöglich wieder ein Tischfussballturnier organisieren, damit der Pokal an seinen angestammten Platz nach Singapur zurückkehrt. Bei so einem Turnier erfahren wir nicht nur Näheres über die Forschungsprojekte unserer Kolleginnen und Kollegen, sondern können auch Kontakte und Verbindungen knüpfen, die sowohl gegenwärtig, am Singapore-ETH Centre, als auch zukünftig, während unserer beruflichen Laufbahn, wichtig und nützlich sind. Für die Singapore-ETH Community ist die vertikale Kommunikation innerhalb des CREATE Towers ein Schlüsselfaktor und eine wertvolle, unverzichtbare Ressource.

Zur Person

Vergrösserte Ansicht: Marta H. Wisniewska

Marta Heisel-Wisniewska ist derzeit als Forscherin am Future Cities Laboratory (FCL) in Singapur im Auftrag der Professur für Architektur und Konstruktion tätig. Von 2004 bis 2011 studierte sie am Departement Architektur und Städteplanung der Westpommerschen Technischen Universität Stettin (ZUT) in Polen sowie am Departement Architektur der Hochschule für Künste in Berlin. Bevor sie zum FCL nach Singapur berufen wurde, war sie Dozentin und Koordinatorin des Architekturprogramms am Äthiopischen Institut für Architektur, Bauwesen und Städteentwicklung in Addis Ababa, wo sie Mitglied einer Forschungsgruppe war, die sich mit dem Design von Flüchtlingsauffangeinrichtungen befasste. Für ihr Engagement wurde sie von EiABC-Studentenrat im Jahr 2011 mit dem «Best Teaching Award» ausgezeichnet.

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