Insekten essen: Delikat oder ekelhaft?

Westliche Kulturen verbinden Insekten eher mit Gefahr und Verdorbenem statt mit Essbarem – obwohl sie nachhaltige Proteinlieferanten wären. Wie können wir Insekten für Europa kulinarisch attraktiver machen, so dass die Menschen ihren Ekel überwinden?

Enlarged view: Insekten als Nahrungsmittel.
Insekten als Nahrungsmittel – werden wir uns daran gewöhnen, und wenn ja, wie? (Bild: Fotolia / Michal Ludwiczak)

Die Produktion von tierischen Proteinen, vor allem von Fleisch, verschlingt weltweit sehr viele Ressourcen: Es braucht enorm viel Wasser, landwirtschaftlichen Raum und Energie. Seit langem sucht die Forschung nach einer attraktiven Alternative – eiin hochwertiger Proteinlieferant, der ressourcenschonender produziert werden kann.

Mit dem Bericht der FAO im Jahre 2013 [1] über das Potenzial von Insekten als Nahrungsquelle rückten diese ins Rampenlicht. In vielen Teilen der Welt und vor allem im Ostasiatischen Raum stehen Insekten auf dem Speiseplan – jedoch nicht in westlichen Kulturen. Hier werden Insekten in Abhängigkeit von der Art als eklig oder schädlich empfunden und allerhöchstens als Scherzartikel, jedoch keinesfalls als Nahrungsmittel, verkauft. So stösst die Idee eines insektenessenden Europas eher auf Ablehnung bei Konsumenten. Die Frage ist nun, ob Insekten als Nahrungsmittel des täglichen Konsums für den westlichen Markt attraktiv gemacht werden können, und welche Hürden eine erfolgreiche Einführung von Insekten in den Schweizer Lebensmittelmarkt verhindern könnten. Im Folgenden werden wir den Trend zum Insekt von der Konsumentenseite aus näher beleuchten.

Warum lehnen wir Insekten als Lebensmittel ab?

Konsumenten erwarten, dass Insekten nicht gut schmecken, möglicherweise eine eigenartige, ungewohnte Konsistenz haben und eventuell sogar gesundheitsschädlich sind. Eine typische Reaktion auf solche unbekannten Lebensmittel ist Ekel [2]. Die Fähigkeit, Ekel zu empfinden, ist dem Menschen angeboren; aber was ihn auslöst, erlernen wir. Ekel ist ein Schutzmechanismus, der uns davor bewahren soll, potenziell gesundheitsschädliche Dinge zu essen. Bei der Einführung von Insekten als Nahrungsmittel ist dies jedoch eine der grössten Hürden. Zudem essen wir oftmals das am liebsten, was uns vertraut ist und was wir schon immer gegessen haben. Die Abneigung gegenüber neuen, unbekannten Lebensmitteln kann bei einigen Menschen sehr stark ausgeprägt sein (Food Neophobia), bei anderen weniger stark, und gewisse suchen sogar das Abenteuer, wenn es um das Probieren neuer Lebensmittel geht.

Wie machen wir Europa die Insekten schmackhaft?

Es wurden bisher verschiedene Ansätze propagiert: Insekten im Stile der gehobenen Gastronomie kochen und präsentieren, sie mit vertrauten Geschmäckern und Saucen zubereiten oder sie mit vertrauten Lebensmitteln wie Salat oder Spaghetti kombinieren. Diese Strategien sind vor allem für diejenigen interessant, die das Ess-Abenteuer suchen. Jene, die eher zurückhaltend sind, wenn es um unbekannte Gerichte und Zutaten geht, werden damit eher nicht angelockt.

Eine weitere vielversprechende Option ist, die Insekten so aufzubereiten, dass man nicht mehr erkennt, dass es mal Insekten waren. Studien haben gezeigt, dass Konsumenten eher bereit sind, verarbeitete Insekten zu essen [3], da die potenziellen Ekelauslöser wie beispielsweise lange Beine oder eine weiche Körperkonsistenz entfallen. Eine offene Frage ist, ob die Konsumenten den Ekel überwinden werden.

Verarbeitete Insekten – erhöhte Akzeptanz?

In einem kürzlich an der ETH durchgeführten Experiment [4] liessen wir Studienteilnehmer Insekten-Chips degustieren. Diese sind Tortilla-Chips ähnlich, enthalten aber neben anderen Zutaten auch Insektenmehl. Die Teilnehmer wurden natürlich darüber informiert, und es war ihnen freigestellt, die Insekten-Chips zu probieren (alle haben sie gegessen). In einer Folgebefragung wollten wir herausfinden, wie die Teilnehmer die Chips empfanden und ob sie bereit wären, unverarbeitete Insekten wie frittierte Grillen oder Seidenwürmer zu essen. Bei einer zweiten Gruppe (Kontrollgruppe) wurden ebenfalls Chips probiert, allerdings handelte es sich dabei um ganz normale Tortilla Chips. Auch bei dieser Gruppe erfragten wir die Bereitschaft Insekten zu essen.

Erwartungsgemäss hatte einen Einfluss, ob die Teilnehmer bereits schon einmal Insekten gegessen hatten, ob sie extrem ekelempfindlich waren und ob sie zu food-neophobischen Reaktionen tendieren. Das Erstaunliche jedoch war, dass diejenigen, die zuvor wissentlich die Insektenchips gegessen hatten, auch eine höhere Bereitschaft zeigten, unverarbeitete Insekten zu essen. Die positive Erfahrung mit den Insektenchips schien sich auch auf unverarbeitete Insekten auszuwirken.

Insektenchips sind keine Alternative zu Fleisch – die Lebensmittelwahl wird dadurch nicht nachhaltiger. Unser Experiment zeigt jedoch, dass verarbeitete Insekten die Akzeptanz der Konsumenten für unverarbeitete Insekten erhöhen können. Ob Grillen, Maden, Larven und Co. einst tatsächlich als Alternative zu Fleisch akzeptiert werden, muss sich erst noch weisen.

Dieser Beitrag erschien in leicht gekürzter Fassung auch in der Print-Ausgabe des Tagesanzeigers (23.07.2016).

Weiterführende Informationen

[1] Van Huis, A., Van Itterbeeck, J., Klunder, H., Mertens, E., Halloran, A., Muir, G., & Vantomme, P. (2013). Edible insects: future prospects for food and feed security: Food and agriculture organization of the United Nations (FAO).

[2] Gmuer, A., Nuessli Guth, J., Hartmann, C., & Siegrist, M. (accepted for publication). Effects of the degree of processing of insect ingredients in snacks on expected emotional experiences and willingness to eat. Food Quality and Preferences.

[3] Hartmann, C., Shi, J., Giusto, A., & Siegrist, M. (2015). The psychology of eating insects: A cross-cultural comparison between Germany and China. Food Quality and Preference, 44, 148-156.

[4] Hartmann, C., & Siegrist, M. (2016). Becoming an insectivore: Results of an experiment. Food Quality and Preference, 51, 118-122.

Zur Autorin

Christina Hartmann
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