Staatlich gelenkter Markt für Kraftwerke?

Bisher hatte der Strommarkt eine grosse Schwäche: Er umfasste «nur» den Handel mit Strom. Dies führte dazu, dass der Bau von Kraftwerken zum Stillstand kam, sofern es sich nicht um das stark geförderte Segment der erneuerbaren Energien handelte.

Enlarged view: Wasserrad (Bild: w3p706 / flickr)
Wasserkraft liefert abrufbare Leistung (Bild: w3p706 / flickr)

Die Vernachlässigung etwa im Bereich von Gas- und Wasserkraft hat zur Folge, dass die Stromversorgung in absehbarer Zeit an einem Mangel an Grundlast-, Mittellast- und Reserveleistungskraftwerken leiden wird, und damit auch an einem Verlust an Versorgungssicherheit.

Dies soll sich nun ändern: An der Jahrestagung der SAEE (Swiss Association for Energy Economics) vom 4. November an der ETH Zürich haben deutsche Kollegen Vorschläge präsentiert, wie Märkte für diese unverzichtbaren Kraftwerke mit abrufbarer Leistung geschaffen werden können. So präsentierte Felix Matthes vom Öko-Institut Berlin Hintergründe, Trends und Perspektiven eines neuen Strommarkt-Designs. Und Christian Growitsch vom Energiewirtschaftlichen Institut EWI an der Universität Köln lieferte einen recht konkreten Vorschlag für einen umfassenden Markt für den Bau von Kraftwerken.

Die Nachfrage besorgt der Staat

Bei diesen Vorschlägen wird ein staatlicher Regulator eine zentrale Rolle spielen müssen: er ist der Nachfrager des Kraftwerkbaus! Ein respektabler Anteil des Umsatzes der Elektrizitätswirtschaft wird von ihm gesteuert. Die gewünschte Versorgungssicherheit betrifft ja die Gesellschaft als Ganzes und ist ein zentrales Element der Stromversorgung.

Die meisten schweizerischen Zuhörer dürften sich die Frage gestellt haben, ob in unserem nationalen Kontext so etwas denkbar ist. Eine schlanke Verwaltung war seit Mitte des 19. Jahrhunderts das Erfolgskonzept der Schweiz. Uwe Hilmes, von
Enervis Energy Advisors Berlin, sprach zwar von etwas weniger umfassenden Konzepten, die zur Förderung des notwenigen Baus an Kraftwerken mit abrufbar Leistung führen könnten. Dennoch: es handelt sich hier um ein konzeptionelles Grundproblem des Strommarktes, das einer Antwort harrt.

Optionen für die Schweiz

Eine schweizerische Lösung des Problems wäre beispielsweise, neue Kraftwerke mit abrufbarer Leistung steuerlich zu entlasten. Zusätzlich könnte die Sicherstellung der Versorgungssicherheit an eine Kommission übertragen werden, welche die Entwicklung beobachtet, darüber berichtet und, wenn nötig, eine Anpassung der steuerlichen Begünstigung empfiehlt. Doch dadurch würde sich die Schweiz den Weg zum europäischen Strommarkt wohl verbauen. Die Empfehlung von Hannes Weigt, Universität Basel, war denn auch ganz allgemein, die Entwicklungen in der EU scharf zu beobachten und neue Regelungen möglichst zeitgleich einzuführen.

Ein Beitritt zur EU wäre meiner Ansicht nach weniger peinlich. Ein Verzicht, Teil des europäischen Strommarkts zu sein, wäre zwar heroisch, würde aber eine andere wichtige, traditionelle Eigenschaft der Schweiz zerstören, ihre Weltoffenheit.

 

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