Eine Smartwatch gegen Lymphödeme

Rund zehn Prozent aller Krebserkrankten leiden unter Lymphödemen: Geschwollene Beine, Arme oder Brustpartien. Das ETH-Startup Dicronis hat ein Instrument zur frühen und unkomplizierten Diagnose dieser Ödeme entwickelt. Dafür sind die Jungunternehmer für den ZKB-Pionierpreis nominiert.

Dicronis
Die Jungunternehmer Laura Jabinet, Jovan Jancev und Patrizia Marschalkova von Dicronis (von links nach rechts). (Bild: ETH Zürich / Florian Bachmann)

Wenn jemand an Krebs erkrankt, sind oft einzelne oder mehrere Lymphknoten von Metastasen bildenden Krebszellen besiedelt. Deshalb werden in der Therapie die betroffenen Knoten entfernt, allerdings mit dem Risiko, dass das lymphatische System kollabiert.

Dieses ist für den Transport von Proteinen, Nährstoffen, Abfallprodukten und auch Immunzellen zuständig, und zwar mittels einer Flüssigkeit namens Lymphe. Funktioniert das Lymphsystem nicht mehr einwandfrei, sammelt sich in den betroffenen Körperregionen Flüssigkeit an, es kommt zu Schwellungen an Armen und Beinen, den Lymphödemen. Zwar sind diese nicht lebensbedrohlich und können mittels Kompressionsstrümpfen, Lymphdrainage, Physiotherapie und Diäten zumindest teilweise therapiert werden. Aber chronische Lymphödeme können zu Veränderungen des Gewebes und somit zu Hautschäden führen. Zudem leiden Betroffene auch psychisch, weil die Ödeme gut sichtbar sind und entstellend sein können.

Bei rund zehn Prozent aller Krebserkrankten treten Lymphödeme auf, besonders häufig sind sie bei Brust-, Prostata-, Genital- und Hautkrebs. «Die bisherige Diagnostik von Lymphödemen konzentriert sich auf die Symptome, also die Ansammlung von Flüssigkeit», sagt Patrizia Marschalkova. Die ETH-Absolventin ist Gründerin und Geschäftsführerin von Dicronis, einem ETH-Spin-off, das ein Instrument zur frühen und einfachen Diagnose von Lymphödemen entwickelt hat – das «Lymphit».

Es handelt sich um eine winzige Platte mit mehreren Mikronadeln. Patienten kleben sich dieses «Mikropflaster» für eine Minute aufs Handgelenk. Die Mikronadeln sind lang genug, um in die Haut einzudringen, aber doch so kurz, dass sie nicht in Kontakt mit Schmerznerven kommen.

«Bei Kontakt mit dem wässrigen Milieu der Haut lösen sich die Mikronadeln auf und setzen einen Fluoreszenzfarbstoff frei», erklärt Marschalkova. Nach einer Minute werden die Nadeln entfernt, anstelle des Pflasters kommt nun ein intelligentes Armband – ähnlich einer Smartwatch - zum Einsatz. Dieses müssen die Betroffenen während 6 Stunden tragen.

«Ein Fluoreszenzdetektor im Smartdevice verfolgt die Aufnahme des Farbstoffs in den lymphatischen Gefässen», erklärt Marschalkova. So kann eine Fehlfunktion des lymphatischen Systems erkannt werden, bevor sie sich in Schwellungen manifestiert. Das Gerät übermittelt die Daten direkt an die behandelnde Ärztin. Auch bei Betroffenen, die bereits in einer Therapie sind, kann der Detektor hilfreich sein: Ärzte können damit einfach überprüfen, ob die Behandlung erfolgreich ist oder angepasst werden muss.

Mikronadeln als Namensgeber

Marschalkova befasste sich bereits während ihrer Masterarbeit in pharmazeutischen Wissenschaften mit der Mikronadeltechnologie und machte sich dann auf die Suche nach möglichen Anwendungen. Dabei stiess sie auf die Problematik der Lymphödeme und erkannte schnell das Potenzial. «Mir war nicht bewusst, wie viele Menschen davon betroffen sind», sagt die 28-Jährige. Ihr Studienkollege Jovan Jancev liess sich von ihrer Idee anstecken und motivierte sie, an der Entwicklung eines Diagnoseinstruments zu arbeiten. Im Mai 2018 gründeten die beiden gemeinsam mit Fabrizio Esposito «Dicronis», der Name kommt von «diagnostic microneedles».

Marschalkova kümmert sich vor allem um die Mittelbeschaffung, das Projektmanagement und strategische Fragen, Jancev ist für die Forschung und Entwicklung zuständig. Esposito widmet sich der Geschäftsfeldentwicklung und wird künftig auch für die Software- und App-Entwicklung zuständig sein. Ergänzt wird das Team durch Laura Jabinet. Sie evaluiert mögliche Risiken, die mit dem Produkt verbunden sind und stellt sicher, dass deren Entwicklung und Produktion regulatorischen Richtlinien genügen. Ausserdem beschäftigt sich mit den klinischen Tests.

Die Jungunternehmer, die dank eines ETH-Pioneer-Fellowships ihr Projekt starten konnten und zurzeit im ieLab forschen, haben mit ihrer Idee bereits verschiedene Startup-Preise gewonnen und sind jetzt für den ZKB-Pionierpreis nominiert.

Der Hauptpreis von knapp 100'000 Franken wäre ein willkommener Beitrag, damit sie ihr Unternehmen voranbringen können. Die nötigen Patente sind zwar gesichert, die Mikronadeln geprüft und getestet, auch ein Partner für die Entwicklung der Smartwatch ist gefunden. «Aber die klinischen Studien, die wir im Herbst dieses Jahres durchführen möchten, sind noch nicht finanziert», so Marschalkova.

Zudem wollen die Jungunternehmer ihr Projekt noch verfeinern, um potenzielle Investoren zu gewinnen. Läuft alles nach Plan, soll «Lymphit» in drei Jahren auf den Markt kommen. Das wäre erst der Anfang. «Wir haben Ideen für weitere Produkte», verrät Marschalkova. Mehr aber auch nicht: Schliesslich wollen die Jungunternehmer ihre Ideen patentieren lassen und eines Tages davon leben können. Heute geht das erst so knapp «auf Studentenniveau», wie Marschalkova sagt. Was irgendwie passt: Denn CEO Marschalkova ist noch Studentin: Sie absolviert ein Masterstudium in Business Administration und holt sich damit das Rüstzeug, das sie bei Dicronis gut brauchen kann.

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