Tom Dooley und die leuchtende Sonne

Unsere Sonne durchlief vor gut 4,5 Milliarden Jahren eine aktive Phase, während der sie viel stärker strahlte als heute. Dies schliessen Forschende aufgrund von Messungen, die sie an der ETH Zürich mit einem weltweit einzigartigen Instrument durchgeführt haben.

So könnte unser Sonnensystem bei der Geburt ausgesehen haben: Der junge Stern sendet Strahlung und Materie in Form von Jets aus. Das Hubble-Bild zeigt das Objekt HH 24 in einer Sternentstehungsregion im Orion. (Bild: NASA and ESA)
So könnte unser Sonnensystem bei der Geburt ausgesehen haben: Der junge Stern sendet Strahlung und Materie in Form von Jets aus. Das Hubble-Bild zeigt das Objekt HH 24 in einer Sternentstehungsregion im Orion. (Bild: NASA and ESA)

Im Institut für Geochemie und Petrologie an der ETH Zürich steht ein Gerät, das winzige Spuren bestimmter Edelgase nachweisen kann. «Dieses Massenspektrometer wurde hier gebaut und ist bei Helium- und Neonmessungen um einen Faktor 100 empfindlicher als jedes kommerzielle Gerät», erklärt Henner Busemann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Departement Erdwissenschaften und Mitglied des Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS. Weil das Instrument früher aus technischen Gründen an der Decke hing, erhielt es den Namen «Tom Dooley» – in Anlehnung an den vermeintlichen Mörder, der im 19. Jahrhundert in den USA gehängt und in einem Folksong verewigt wurde.

Einschlüsse verraten Geschichte

Mit Hilfe von «Tom Dooley» erzielten Forschende aus Chicago und Zürich neue Erkenntnisse über die Entwicklung unseres Sonnensystems, wie sie jetzt in der Fachzeitschrift externe SeiteNature Astronomy berichten. «Speziell konnten wir eine erhöhte Aktivität der jungen Sonne nachweisen», sagt Geophysikerin Levke Kööp von der Universität Chicago. Eine ähnliche, aktive Phase kann man heute bei jungen, sonnenähnlichen Sternen beobachten, die verstärkt Röntgen- und Teilchenstrahlung in Form von Jets aussenden.

Die Forschenden untersuchten Material eines grossen Meteorits. Dieser Murchison-Meteorit wird in der Forschung aufgrund seiner grossen Masse und ursprünglichen Zusammensetzung oft als Standardprobe verwendet. Er enthält unter anderem Einschlüsse, die reich an Kalzium und Aluminium sind und aus der Urzeit des Sonnensystems stammen. Diese sogenannten CAIs (calcium-aluminum-rich inclusions) sind die ersten Minerale, die vor gut 4,5 Milliarden Jahren aus dem solaren Nebel kondensierten. Sie bildeten sich in der Nähe der Sonne aus 2000 Grad heissem Gasgemisch, das sich abkühlte, und wurden dann innerhalb weniger Millionen Jahre in äussere, sonnenentferntere Regionen des Sonnensystems transportiert, wo sie dann gleich in Asteroiden eingebaut wurden.

Zusätzliche Vorbestrahlung

Das Team untersuchte zwei verschiedene Klassen von CAIs und mass deren Gehalt von Helium und Neon. Von diesen Edelgasen gibt es verschiedene sogenannte Isotope – Atome mit gleichen chemischen Eigenschaften, aber leicht unterschiedlichen Massen. Helium-3 und Neon-21 entstehen, wenn CAIs kosmischer Strahlung ausgesetzt sind. Der Gehalt an Helium-3 und Neon-21 erlaubt deshalb Rückschlüsse auf die Bestrahlungsdauer, der die Minerale im Weltraum ausgesetzt waren. «Vom Murchison-Meteorit wissen wir, dass dieser rund 1,5 Millionen Jahre im All unterwegs war, bevor er 1969 in Australien auf die Erde stürzte», erklärt Henner Busemann. Auch eine der beiden untersuchten CAI-Klassen wies das gleiche Bestrahlungsalter auf. Die andere jedoch zeigte bei den Messungen mit «Tom Dooley» deutlich erhöhte Werte von Helium-3 und Neon-21. «Diese Klasse hat also nach ihrer Bildung und vor dem Einbau in den Mutterasteroiden von Murchison eine zusätzliche Bestrahlung bekommen», sagt der ETH-Forscher.

Probe des Murchison-Meteoriten (Bild: Field Museum, Chicago)
Probe des Murchison-Meteoriten (Bild: Field Museum, Chicago)

Dafür gibt es nur eine Erklärung: Die Sonnenstrahlung, die auch aus Teilchen besteht, muss bei der Entstehung dieser Minerale mindestens rund 50 mal stärker gewesen sein als später, als die zweite Klasse CAIs und das restliche Material des Murchison-Mutterkörpers kondensierte. Die eine Klasse CAIs erhielt also eine Vorbestrahlung. «Das macht diese Messungen so aufregend für uns», sagt Henner Busemann: «Dass die junge Sonne eine solch aktive Phase durchlief, wurde zwar schon aufgrund anderer früherer Messungen von Meteoritenmaterial vermutet, doch erst jetzt haben wir einen stichhaltigen Beweis dafür.»

Präzises Messinstrument

Für die Edelgas-Untersuchung reiste Levke Kööp aus den USA extra nach Zürich. «Denn meine Proben, die aus der frühesten Geschichte des Sonnensystems stammen, sind sehr klein, und deswegen waren kleine Edelgasmengen zu erwarten», sagt die Geophysikerin, unter deren Leitung die Forschungsarbeit durchgeführt wurde. Obwohl das Massenspektrometer «Tom Dooley» bereits vor zwanzig Jahren gebaut wurde, ist es weltweit nach wie vor das einzige Instrument, mit der sich solch geringe Konzentrationen von Helium-3 und Neon-21 nachweisen lassen. «Wir können hier an der ETH neue Instrumente entwickeln und die bestehenden instand halten, das ist ungemein wichtig», sagt Henner Busemann. Davon profitieren nicht nur die Kosmochemiker. Auch die Eawag führt regelmässig Messungen mit «Tom Dooley» durch, um das Alter von Grund- und Seewasser zu bestimmen und so beispielsweise Mischungsprozesse zu studieren.  

Literaturhinweis

Kööp L et al.: High early solar activity inferred from helium and neon excesses in the oldest meteorite inclusions. Nature Astronomy, 30. August 2018, doi: externe Seite10.1038/s41550-018-0527-8

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