Schwimmen in Schwärmen spart Energie

Forscher der ETH Zürich klären die bisher ungelöste Frage, ob Fischschulen Energie sparen. Dies gelang ihnen, indem sie die komplexen physikalischen Strömungssysteme detailliert auf dem Supercomputer «Piz Daint» simulierten und mit einem Algorithmus des Verstärkenden Lernens (Reinforcement Learning) kombinierten.

Vergrösserte Ansicht: Schwarmschwimmende Fische
Ein Nachfolger interagiert sinnvoll mit dem von zwei führenden Fischen erzeugten Wirbelnachlauf, was seine Schwimmeffizienz erheblich steigert. (Bild: CSElab/ETH Zürich)

Das Schwarmverhalten von Fischen fasziniert Ingenieure gleichermassen wie Biologen. Denn Fische in Schwärmen schwimmen in einem Strömungsumfeld das voll von mechanischer Energie ist, erzeugt durch die Bewegungen der Fische. Forscher vom Computational Science & Engineering Lab (CSElab) der ETH Zürich konnten nun die Frage, ob Fische einen energetischen Vorteil haben, wenn sie in Schwärmen schwimmen, mit Ja beantworten. Zugleich erlangten sie über diesen Vorgang detaillierte Kenntnisse, die sich auf energieeffiziente Schwärme von Schwimm- oder Flugrobotern auswirken könnten.

Präzise Simulation der Fluiddynamik

Die Wissenschaftler entwickelten in ihrer Studie eine hochdetaillierte Simulation des komplexen Zusammenspiels von schwimmenden Fischen und ihrem Strömungsumfeld. Bis anhin wurden derartige Simulationen mit stark vereinfachten Modellen durchgeführt, die die Fluiddynamik der schwimmenden Fische nicht exakt berechneten. Der Supercomputer «Piz Daint» am Nationalen Hochleistungsrechenzentrum der Schweiz (CSCS) ermöglichte nun erstmals rechenintensive state-of-the-art Simulationen ohne Vereinfachungen.

Zugleich kombinierten die Forscher die realitätsnahen Strömungssimulationen erstmals mit einem Algorithmus des Verstärkenden Lernens (Reinforcement Learning), ein wirkungsstarker Algorithmus aus dem Bereich Maschinelles Lernen. Derartige Lern-Algorithmen wurden bis anhin in Computerspiele wie etwa «Go» genutzt, um es dem Computer zu ermöglichen den Menschen zu schlagen.

Reinforcement Learning in komplexen physikalischen Systemen benötigen Tausende von Näherungsschritten und wurde deshalb bis anhin noch nie für solche verwendet. Der Algorithmus erinnere an Pavlos’ Hund, sagen die Forscher des CSElab: Die Agenten erlernen durch Belohnung eine optimale Strategie zu entwickeln um ihr Ziel zu erreichen.

Hier kam dieser Algorithmus nun zum Einsatz, um die Fische für ein optimales Schwimmverhalten zu trainieren und autonom entscheiden zu lassen, wie sie auf die unsteten Strömungsfelder, die ihre Artgenossen erzeugen, am effizientesten reagieren. «Wir schufen die mathematischen Rahmenbedingungen und gaben den Fischen lediglich das Ziel vor, so effizient wie möglich zu schwimmen», sagt Guido Novati, Doktorand am CSElab und Entwickler der den Simulationen zugrundeliegenden Software. Überraschend seien die Fische, um Energie zu sparen, in der Wirbelströmung der anderen geschwommen, auch wenn es ihnen möglich gewesen sei, unabhängig voneinander zu schwimmen.

Lernen aus der Visualisierung

In ihren Simulationen betrachteten die Forscher sowohl zweidimensional wie auch dreidimensional das Schwimmverhalten von bis zu drei Fischen in unterschiedlichen Konfigurationen. Sie heben hervor, dass derartige Simulationen bis anhin nie mehr als einen Fisch in drei Dimensionen betrachtet hätten. Sie analysierten jedes Detail jedes einzelnen Strömungswirbels, um das Verhalten der Fische zu verstehen.

«Intuitiv nimmt man an, dass die Fische den unruhigen Bereichen ausweichen und in ruhigen Bereichen schwimmen. Doch stattdessen lernen sie, direkt in die Wirbel hinein zu schwimmen», sagt Siddhartha Verma, Postoc am CSE lab. Verma und Novati haben die Studie, die kürzlich online in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) publiziert wurde, unter Leitung von ETH-Professor Petros Koumoutsakos durchgeführt.

Die Forscher stellten fest, dass die Fische beim Schwimmen dann am meisten Energie sparen, wenn sie nicht wie bisher angenommen hintereinander schwimmen, sondern sich leicht versetzt zur Schwimmrichtung ihres Anführers positionieren. In dieser Position nutzen sie die durch die Schwimmbewegung des Anführers generierten Strömungswirbel, indem sie diese mit ihrem Kopf abfangen und aufspalten. Die Fragmente leiten sie dann an ihrem Körper entlang. Der Verlauf der aufgespaltenen Wirbel versorgt dabei die Fische mit Schub, ohne dem Anführer Energie zu rauben.

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Schwimmen in Schwärmen spart Energie

Autonome Roboter

«Damit gelang es uns zu zeigen, dass Fische, die sich passend in einem Schwarm positionieren, aus der dort herrschenden Fluiddynamik Energie ziehen können», sagt Verma. Er betont, dass in ihren Simulationen zwar nicht alle Aspekte effizienten Schwimmverhaltens von Fischen untersucht worden seien. Aber es sei klar, dass die entwickelten Algorithmen und die dabei gelernte Physik in autonom schwimmende oder fliegende Roboter transferiert werden könnten.

Ein autonomer Schwimm- oder Flugroboter kann unerwartete Strömungsverhältnisse bewältigen – beispielsweise Ware anliefernde Flugdrohnen während starker Winde oder Drohnen bei der Suche und Rettung in einem Sturm. «Es gibt auch Überlegungen, Flugzeuge mit ähnlichen Zielen über bestimmte Strecken in Formationen fliegen zu lassen, um Treibstoff zu sparen. Der von uns entwickelte Algorithmus könnte hier ebenfalls zum Einsatz kommen», sagt Novati.

Die Forscher sind begeistert von den Möglichkeiten, die ihnen diese neue Kombination von präzisen und komplexen Strömungssimulationen mit Reinforcement Learning ermöglicht. Sie hoffen, dass künftig auch andere Forscher beginnen, maschinelles Lernen vernünftig in ihre Simulationen einzubeziehen.

Literaturhinweis

Verma S, Novati G, Koumoutsakos P: Efficient collective swimming by harnessing vortices through deep reinforcement learning, PNAS published ahead of print May 21, 2018. externe Seitehttps://doi.org/10.1073/pnas.1800923115

Simone Ulmer ist Redaktorin Wissenschaft und Technologie am externe SeiteCSCS, wo dieser Artikel zuerst publiziert wurde.

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