Wälder weltweit wiederherstellen

Wir haben jetzt die Gelegenheit, eine globale Antwort auf die Abholzung von Wäldern, die Bodenzerstörung und den Klimawandel zu finden. Nutzen wir sie, sagt Jaboury Ghazoul.

Jaboury Ghazoul

Wir befinden uns inmitten eines gesellschaftlichen Wandels, durch den sich unsere Werte und Ansichten zur Umwelt verändern. Die Bonn Challenge1, ein Projekt, das 150 Millionen Hektaren Wald bis 2020 wiederaufforsten will, ist eine länderübergreifende Reaktion auf Waldrodung, Bodenzerstörung und Klimawandel.

Zwar wurden bis heute erst fünf Millionen Hektaren wiederaufgeforstet. Doch die Initiative mobilisiert Regierungen, Organisationen und Einzelpersonen: Verschiedene Länder haben sich bereits verpflichtet, zusammen 160 Millionen Hektaren Land zu bewalden. Erfreulich, aber nun müssen die Versprechen umgesetzt werden.

Bäume pflanzen, um Wald zu schaffen.
Bäume pflanzen, um Wald zu schaffen. (Bild: wmaster890 / iStock)

Wie kann der globale Kraftakt gelingen?

Aber wie lassen sich die bestehenden Einzelinitiativen zu einem Programm vereinen, dessen Grössenordnung alles übersteigt, was bisher gemeinschaftlich unternommen wurde? Klar ist: Es braucht Wissen aus verschiedenen Disziplinen, um fundierte Strategien in den Bereichen Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt zu entwickeln.

Eine Zusammenarbeit über Sektoren, Länder und Disziplinen hinweg ist ausgesprochen komplex, aber unerlässlich, um die Wiederbewaldung im angestrebten Ausmass umzusetzen. Wie dies in der Praxis gelingen kann, ist Thema des Latsis Symposium 2018 mit dem Titel «Scaling-up Forest Restoration». Es findet am 6., 7. und 9. Juni 2018 an der ETH Zürich statt (siehe Kasten).

Hin zu einer gemeinsamen Vision

Verschiedene Anspruchsgruppen haben unterschiedliche Interessen. So unterscheiden sich auch die Vorstellungen, wie Wiederbewaldung aussehen soll – nicht alle sind vom Nutzen derselben überzeugt. Daher gilt es zunächst, einen gemeinsamen Nenner zu finden.

Dazu müssen wir klären, ob und wie die Vorteile – insbesondere aus wirtschaftlicher Sicht – die jeweiligen Kosten überwiegen. Erst wenn die Beweggründe hinter den Positionen verstanden sind, lassen sich annehmbare Ziele aushandeln und so die unvermeidbaren Konflikte lösen. Gehen wir die Wiederbewaldung jedoch überhastet und lediglich nach «unseren» normativen Werten an, übergehen wir legitime Interessen, was einer Landnahme gleichkäme.

Glen Carron in Schottland
Bei der Wiederbewaldung geht es um mehr als nur Bäume – es geht um die Bewahrung heimischer Waldlandschaften mitsamt ihren Wiesen, Gewässern und Habitaten für Tiere und Pflanzen, sowie um Landschaftsfunktionen wie die Holzproduktion. (Bild: Glen Carron in Schottland; Jaboury Ghazoul / ETH Zürich)

Die Diskussion um den Wiederbewaldungsprozess muss auf einer gemeinsamen Terminologie und einem gemeinsamen Verständnis basieren, um Missverständnisse zu vermeiden. Deshalb müssen wir darüber nachdenken, was Landnutzung in unseren Gesellschaftsstrukturen künftig bedeutet und wie der daraus resultierende soziale, ökologische und wirtschaftliche Nutzen verteilt werden soll.

Wo wiederherstellen, und wie?

Steht überhaupt ausreichend Land bereit, um das Aufforstungsziel zu erreichen, ohne ländliche Gemeinschaften zu beeinträchtigen? Wer Gebiete renaturieren will, muss eine attraktive Alternative zur bestehenden degradierenden Landnutzung anbieten. Den Investitionen sollte ein Raumnutzungsplan zugrunde liegen, der die lokalen Bedingungen, die Kosten und den Nutzen der Massnahmen für die betroffenen Gebiete berücksichtigt.

«Die Wiederbewaldung ist ein verzwicktes Problem, das wir nur über Disziplinen hinweg lösen können.»Jaboury Ghazoul

Aus ökologischer Sicht müssen wir zudem verstehen, wie sich Zustand und Funktion von Wäldern weltweit unterscheiden. Nur so lassen sich regional angepasste Strategien entwickeln, die neben den sozioökonomischen Aspekten der Aufforstung auch die Artenvielfalt, die Kohlenstoffspeicherung und das örtliche Klima berücksichtigen.

Mittel beschaffen und Investitionen überwachen

Wie besorgen wir die Finanzierung? Die Gelder für die Renaturierung stammen von Geber- und Staatsfonds, teils auch aus privater Hand – es ist jedoch schwierig, für Privatinvestoren attraktive Geschäftsmodelle zu schaffen. Diese sollten kurz- und langfristige Einnahmen berücksichtigen, da es oft mehrere Jahre dauert, bis Renaturierungsprojekte wirtschaftlich rentieren. Um internationale Mittel für umfassende Wiederbewaldungsprojekte zu erhalten, sind Monitoring, Berichterstattung und Kontrolle der Massnahmen unabdingbar.

Beinn Eighe National Nature Reserve in Scotland
Wiederbewaldung will häufig einen früheren Waldzustand wiederherstellen, um die Wälder zu schützen, wie hier im schottischen Naturschutzgebiet Beinn Eighe. Ein solches Ziel wird aber selten von allen Involvierten unterstützt. (Bild: Jaboury Ghazoul / ETH Zürich)

Das Monitoring hilft zudem, die lokalen Massnahmen stetig zu verbessern. Denn ortsabhängig kann eine erfolgreiche Wiederbewaldung ganz unterschiedlich aussehen. Gut gestaltete Monitoringsysteme können Entscheidungsprozesse und Anpassungsmassnahmen vor Ort erleichtern, sofern man miteinander kommuniziert und voneinander lernt.

Die Renaturierung von Waldflächen auf globaler Skala ist ein herausforderndes, verzwicktes Problem, das nur gemeinsam über verschiedene Disziplinen, Interessengruppen und Sektoren hinweg gelöst werden kann. Das Latsis Symposium im Juni 2018 wird Wege erkunden, wie all diese Aspekte in eine globale Strategie zur Wiederherstellung von Waldlandschaften einfliessen können.

Jaboury Ghazoul hat diesen Beitrag gemeinsam mit Nicole Kalas (Ökosystemmanagement, ETH Zürich) sowie mit Referenten des Latsis Symposium verfasst.  

Latsis Symposium 2018: Scaling-up Forest Restoration

Das Symposium (6. bis 7. und 9. Juni 2018; ETH Zürich) dreht sich um die ökologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen der weltweiten Wiederbewaldung und um die Chancen, die sich daraus ergeben.

Flankierende öffentliche Veranstaltungen bieten Besucherinnen und Besuchern die Gelegenheit, mit Wissenschaftlern an einem öffentlichen Forum, einem Wissenschaftscafé oder bei Umweltspielen zu diskutieren. Geplant sind zudem ein Kinderprogramm und eine Fotoausstellung.

Weitere Informationen finden sich unter www.latsis2018.ethz.ch.

Referenzen

1 The Bonn Challenge: externe SeiteWebsite

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