Dreissig Jahre Montrealer Protokoll: Was hat es gebracht?

Als die Staaten 1987 das Montrealer Protokoll unterzeichneten, war seine Wirksamkeit noch nicht belegt. Heute ist klar: Der Bann ozonabbauender Stoffe hat Hundertausende Hautkrebs-Erkrankungen verhindert und nebenbei effizient das Klima geschützt. Dennoch erhält das Protokoll auch unberechtigte Kritik.

Vergrösserte Ansicht: Die stratosphärische Ozonschicht
Die Ozonschicht in der Stratosphäre schützt vor schädlicher UV-Strahlung. (Bild: Nastco / iStock)

Ja, es gibt es noch, das Loch in der Ozonschicht. Und Sonnencreme wird uns weiterhin ein wertvoller Begleiter sein. Dennoch halten wir das Umweltabkommen von Montreal, das am 16. September 2017 dreissig Jahre alt wird, für einen länderübergreifenden wissenschaftlichen und politischen Erfolg. Aber warum?

Das «Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen» [1], ist ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag des Umweltrechts. Alle 197 Mitglieder der Vereinten Nationen haben das Protokoll ratifiziert und sich damit verpflichtet, chlor- und bromhaltige Chemikalien, die das lebenswichtige Ozon in der Stratosphäre zerstören, zuerst zu reduzieren und dann plangemäss weitgehend abzuschaffen. Das Hauptaugenmerk galt ursprünglich den sogenannten Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen (FCKW), später auch bromhaltigen Substanzen und FCKW-Ersatzstoffen.

Weniger Tumore, geringere Temperatur

Dank dem Konsens von Montreal konnten in den letzten 30 Jahren geschätzte drei Millionen Hautkrebserkrankungen vermieden werden, darunter bis zu 300‘000 Fälle mit hochgradig bösartigen Formen [2]. Lag der Fokus des Abkommens zunächst auf der Gesundheit und Ökologie, erkannte man vor zehn Jahren auch den grossen Nutzen für den Klimaschutz (siehe diesen Blogbeitrag zu beiden Aspekten des Protokolls). Der FCKW-Bann vermied zwischen 1987 und 2017 Treibhausgasemissionen in Höhe von etwa 200 Milliarden Tonnen an CO2-Äquivalent. Alleine in diesem Jahr, 2017, entspricht die eingesparte Menge etwa 13 Milliarden Tonnen an CO2-Äquivalent oder rund ⅓ der in diesem Jahr anthropogen emittierten Treibhausgase [3]. Bis 2017 haben die eingesparten Emissionen so einen zusätzlichen Anstieg der Globaltemperatur von etwa 0.3 Grad Celsius verhindert.

Das «Loch» in der Erfolgsbilanz

Es liegt in der Natur der Sache, dass die aufgeführten Erfolge auf dem Vergleich des Jetztzustandes unseres Klimasystems mit einer Situation beruhen, die wir ohne das Montrealer Protokoll hätten – «The World Avoided» oder die «vermiedene Welt» [4]. Diese Situation ist natürlich nur mit dem Computer zu erfassen. Sind diese Errungenschaften also lediglich «fiktiv»?

Gepaart mit dem Vorwurf, nicht belegbar zu sein und einen «Mythos der Weltrettung» aufzubauen, mokierte sich die Weltwoche [5] Ende Juni 2017 darüber, dass der Kampf gegen die Ausdünnung der Ozonschicht als Sinnbild erfolgreichen Handelns der Staaten gegen eine globale Bedrohung gelte, wobei doch das Ozonloch in Wirklichkeit nach wie vor existiere.

Ozon-Regeneration braucht Zeit

An dieser suggestiven Aussage möchten wir klarstellen, dass es seit den Arbeiten von Molina und Rowland in 1974 [6] zu keinem Zeitpunkt die wissenschaftliche Meinung war, dass das Ozonloch 30 Jahre nach Montreal geschlossen sei. Im Gegenteil: Die besorgniserregende Langlebigkeit der vom Menschen emittierten FCKW stand wissenschaftlich stets im Vordergrund.

Modellergebnisse und Messdaten verdeutlichen dies: Die antarktischen Messungen des Ozons (fluktuierende Kurve, siehe Abbildung) liegen innerhalb des von den Modellen aufgespannten Bereichs. Erst um das Jahr 2050 dürfen wir davon ausgehen, dass die FCKW in der Atmosphäre soweit abgebaut sein werden, dass das «Loch» wieder die Ozonmenge der 1980er Jahre aufweisen wird, als es entdeckt wurde.

Vergrösserte Ansicht: Grafik zum Zustand der Ozonschicht
Langzeitänderungen von stratosphärischem Ozon (gesamte Säule über Kopf in Dobson-Einheiten, DU, blau) und Chlor (in Parts per Billion, rot). Oben: Nördliche mittlere Breiten inkl. Messungen in Arosa (MeteoSchweiz, 2017). Unten: Antarktis im Oktober inkl. Satellitenmessungen (TOMS und OMI, NASA, 2017). Glatte durchgezogene Kurven: Mit Chemie-Klima-Modellen berechnete Werte für 1960 – 2100 [7]. Gestrichelte schwarze Kurven: berechnete Entwicklung ohne Montrealer Protokoll [4].

Ausdünnung gestoppt ...

Das Ozonloch wird uns also noch länger begleiten. Was feiern wir also am 16. September, dem internationalen Tag des Ozons?

30 Jahre Montrealer Protokoll haben bewirkt, dass die antarktischen Ozonsäulen nicht weiter ins Bodenlose stürzen, in die «World Avoided» (entlang der gestrichelten Linie «ohne Montreal» [6]). Vielmehr gewährleistet das Protokoll die Voraussetzungen, dass sich das Ozonloch in den kommenden 30 Jahren wieder schliessen kann. Ähnlich sieht die Situation in den nördlichen mittleren Breiten aus, also direkt über unseren Köpfen: Der fünfprozentige Rückgang der Ozonmenge, den auch der Welt längste Messreihe in Arosa zeigt, ist offensichtlich gestoppt.

… «Weltrettung» offen

Natürlich ist damit nicht einfach alles gut, geschweige denn alle durch den Menschen in Gang gesetzten Prozesse verstanden. In der Forschung gibt es stets Unsicherheiten – die Konzentration von Ozon beispielsweise hängt auch von meteorologischen Faktoren ab und schwankt von Natur aus stark. Das erschwert den Wirksamkeitsnachweis. Ausserdem hat Montreal ganz klare Makel. So begünstigte das Protokoll paradoxerweise die Produktion von Ersatzstoffen für die verbannten FCKW, die FKW, die zwar Ozon nicht abbauen, aber sehr starke Treibhausgase sind (siehe diesen Blogbeitragzu FKW). Umgekehrt beeinflusst auch der Klimawandel die Regeneration der Ozonschicht in zunehmendem Mass, weil die ozonzerstörenden chemischen Reaktionen selber temperaturabhängig sind.

Eines aber haben die letzten drei Jahrzehnte gezeigt: Die Krux bei Ozon- und Klimafragen liegt eben darin, dass wir solch komplexe globale Umweltprobleme leider nicht mit simplen Desktop-Experimenten analysieren und lösen können, auch wenn sich das viele Kritiker zu wünschen scheinen.

Tom Peter hat diesen Beitrag zusammen mit Johannes Stähelin verfasst.

Weiterführende Informationen

[1] The externe SeiteMontreal Protocol on Substances that Deplete the Ozone Layer, Ozone Secretariat.

[2] Numerische Werte extrapoliert von Slaper, H., G.J.M. Velders, J.S. Daniel, F.R. deGruijl, J.C. van der Leun: Estimates of ozone depletion and skin cancer incidence to examine the Vienna Convention achievements, Nature, 384, 256-258, 1996.

[3] Velders, G. J. M., Andersen, S. O., Daniel, J. S., Fahey, D. W., and McFarland, M.: The importance of the Montreal Protocol in protecting climate, Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 104(12), 4814–4819, 10.1073/pnas.0610328104, 2007.

[4] Newman, P.A., et al.: What would have happened to the ozone layer if chlorofluorocarbons (CFCs) had not been regulated?, Atmos. Chem. Phys., 9, 2113–2128, 2009.

[5] Reichmuth, A.: Aufstieg und Fall des Ozonlochs, Weltwoche, Nr. 26.17, 28. Juni 2017.

[6] Molina, M. J. and Rowland, F. S.: Stratospheric sink for chlorofluoromethanes: Chlorine atom catalyzed destruction of ozone, Nature, 249, 810–812, doi:10.1038/249810a0, 1974.

[7] Hegglin et al., Twenty Questions and Answers, About the Ozone Layer: 2014 Update, Scientific Assessment of Ozone Depletion: 2014, WMO, Geneva, Switzerland, 2015.

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