Weniger Verschwendung von Schweizer Kartoffeln

Weltweit geht etwa ein Drittel aller Nahrungsmittel auf dem Weg in die Mägen der Menschen verloren. Bei Schweizer Kartoffeln ist es sogar die halbe Ernte. Welche Massnahmen helfen, Verluste zu reduzieren, und wie wirken sie sich aus?

Vergrösserte Ansicht: Verdorbene Kartoffel
Rund jede zweite Schweizer Kartoffel wird nicht gegessen. (Bild: osr72 / Fotolia)

Die Produktion von Nahrungsmitteln belastet die Umwelt in hohem Masse: Zum einen beansprucht sie viele Ressourcen wie Wasser, Boden, Agrochemikalien und Energie. Zum anderen setzt sie zahlreiche Emissionen frei, etwa beim Düngen oder Pflanzenschutz. Zudem kostet es viel Geld, Lebensmittel bereit zu stellen, sie zu lagern, zu transportieren und zu verpacken.

Landen diese wertvollen Esswaren nicht auf dem Teller, so ist das letztlich eine ökologische und ökonomische Verschwendung. Ein Nahrungsmittel, das hierzulande besonders häufig entlang der Prozesskette verloren geht, ist die Kartoffel. Für sie haben wir potenziell verlustvermeidende Massnahmen untersucht und deren ökologische und ökonomische Effekte analysiert [1], [2].

Wo und warum gehen Kartoffeln verloren?

Komposteimer
Haushalte vergeuden Kartoffeln. (Bild: Christian Willersinn / ETH Zürich)

In der Schweiz gehen Kartoffeln hauptsächlich aus zwei Gründen verloren. Erstens: Sie erfüllen nicht die Qualitätsanforderungen. Landwirte oder Packbetriebe sortieren solche «minderwertigen» Kartoffeln deshalb aus. Diese Verluste bei den Produzenten werden hierzulande immerhin komplett verwertet, entweder als Tierfutter oder in einer Biogasanlage.

Zweitens: Die Konsumenten werfen Kartoffeln weg, zum Beispiel weil sie mehr gekauft haben, als sie brauchen. Diese Verluste in den Haushalten wiegen besonders schwer, weil die Kartoffeln bereits die komplette Produktions- und Lieferkette durchliefen. Der überwiegende Teil davon landet letztlich in der Kehrichtverbrennungsanlage – wird also nicht sehr effizient verwertet. Die Verluste im Detailhandel fallen vergleichsweise gering aus und landen meistens ebenfalls im Kehricht.

Wie lassen sich Verluste vermeiden?

Einerseits könnten die Produzenten versuchen, die Qualität der Kartoffeln zu verbessern. Zum Beispiel indem sie neue, geeignetere Sorten auswählen oder den Pflanzenschutz verbessern. Daran wird seit Jahren intensiv und erfolgreich geforscht. Die Kartoffelqualität wird jedoch durch weitere wechselhafte Faktoren wie das Wetter oder neue Schädlinge und Krankheiten beeinflusst.

Andererseits sind für die Haushalte zwei vielversprechende Massnahmen denkbar, die helfen könnten, dass weniger Kartoffeln im Müll landen. Würden Detailhändler Kartoffeln nur noch lose zum Verkauf anbieten, erlaubte das den Konsumenten, genau die Menge an Kartoffeln einzukaufen, die sie in angemessener Zeit verbrauchen. Alternativ könnten Detailhändler Kartoffeln nur noch ungewaschen in einer lichtundurchlässigen Kartonage verkaufen – darin wären die Erdäpfel wesentlich länger haltbar. Mit diesen Massnahmen liessen sich die jährlichen Kartoffelverluste in der Schweiz um 5‘000 beziehungsweise 12‘000 Tonnen reduzieren.

Wie wirkt sich eine Verlustreduktion aus?

Unsere Nachhaltigkeitsanalyse zeigt, dass es generell vor allem ökonomische Vorteile bringt, wenn Verluste reduziert werden (insbesondere bei Produzenten und im Handel). Dabei müssen die Verluste nicht mal zwangsläufig reduziert werden – allein eine Verschiebung hin zu einer früheren Stufe in der Prozess- oder Lieferkette spart bares Geld. Deshalb lohnt es sich, wenn die Produzenten dazu animiert werden, ihre Kartoffeln möglichst streng auszusortieren.

Kartoffelschalen
Weniger Verluste spart primär Geld. (Bild: Christian Willersinn / ETH Zürich)

Etwas überrascht hat uns, dass die Kartoffelverluste im Fall der Schweiz aus ökologischer Sicht insgesamt gar nicht so schlimm sind: Eine Verlustreduktion im hiesigen Kartoffelmarkt wirkt sich nur beschränkt auf die Ökologie aus, da hierzulande die Kartoffelverluste entweder verfüttert oder zur Energiegewinnung genutzt werden. Dabei kommt es zu ökologischen «Gutschriften», die vergleichsweise hoch ausfallen, wenn der Kartoffelausschuss andere Futtermittel oder Energieträger in der Biogasanlage ersetzt. Lediglich die Verluste in den Haushalten fallen hier negativ ins Gewicht. Diese Kartoffeln haben bereits deutlich mehr negative Umweltwirkungen verursacht, als durch die kleine Gutschrift aus der Kehrichtverbrennung kompensiert werden kann.

Konsumenten sensibilisieren

Spriessende Kartoffelknollen
Die im Haushalt verschwendete Kartoffel fällt ökonomisch und ökologisch ins Gewicht. (Bild: Christian Willersinn)

Massnahmen zur Verlustreduktion sollten meiner Ansicht nach auch berücksichtigen, was Konsumentinnen wünschen. Diese gaben in einer Umfrage an, dass ihnen Massnahmen lieber sind, welche die Umwelt und die eigene Gesundheit möglichst wenig gefährden und keine allzu grossen Unannehmlichkeiten mit sich bringen. Gerade in der Schweiz, wo sich immer mehr Menschen für biologisch erzeugte Lebensmittel entscheiden, ist es folglich schwer zu rechtfertigen, wenn Landwirte zusätzliche synthetische Pflanzenschutzmittel einsetzen, um die Verluste im Anbau zu reduzieren. Stattdessen sollten die Konsumenten wie auch die Detailhändler mehr Verantwortung übernehmen.

Dies könnte man erreichen, indem man die Konsumenten sensibilisiert. In Grossbritannien konnte eine gross angelegte Sensibilisierungskampagne die Nahrungsmittelverluste in den Haushalten um etwa ein Viertel reduzieren. Solche Erfolge machen Mut.

Weiterführende Informationen

[1] Christian Willersinn, Patrik Mouron, Gabriele Mack, Michael Siegrist: Food loss reduction from an environmental, socio-economic and consumer perspective – externe SeiteThe case of the Swiss potato market. Waste Management Volume 59, January 2017

[2] Die Studie ist Teil des Nationalen Forschungsprogramms «Gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion»: externe SeiteNFP69 

Siehe auch den Beitrag «Halbierte Kartoffelernte» in ETH-News. 

Zum Autor

Autor Willersinn

Christian Willersinn

Ehem. Doktorand in der Gruppe Consumer Behavior, ETH Zürich

Ehem. wissenschaftlicher Mitarbeiter, Agroscope

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