Unterwegs in den südlichen Ozean

Ein Forschungsteam der ETH Zürich nimmt an einer Expedition rund um die Antarktis teil. Es will den Wasserkreislauf des südlichen Ozeans untersuchen. Iris Thurnherr und Pascal Graf sind mit an Bord und werden von ihren Erfahrungen berichten.

Vergrösserte Ansicht: Die Akademik Treshnikov nimmt Kurs nach Kapstadt.
Nach einem stürmischen Start in der Nordsee navigiert die Akademik Treshnikov gerade durch ruhigere Gewässer. (Bild: Victorine Sentilhes / ACE Expedition)

Nach zwei Messkampagnen in der Schweiz habe ich als junger Wetterwissenschaftler die einmalige Gelegenheit, an einer grossen Forschungsexpedition teilzunehmen. Diese will die Antarktis umrunden – ein ambitioniertes Vorhaben (siehe Kasten). Für mich geht damit ein Traum in Erfüllung. Entsprechend gross war meine Vorfreude, und umso akribischer hat sich unser Team vorbereitet.

Den Wasserkreislauf im Visier

Das Team besteht aus zehn Forschenden der ETH, der EPFL und der Universität Bergen (Norwegen). An Bord sind jedoch nur Iris Thurnherr und ich. Wir sind Doktorierende in der Gruppe für Atmosphärendynamik an der ETH und führen die Messungen auf dem Schiff durch. Von zuhause aus unterstützen uns unsere Kolleginnen und Kollegen mit Wettervorhersagen, Ratschlägen und Tipps zu allem Möglichen.

Unser Forschungsziel ist es, die Wechselwirkung von Meer und Atmosphäre im südlichen Ozean rund um die Antarktis zu untersuchen. Dazu benutzen wir zwei Laserspektrometer, ein kleines Regenradar, Wetterballone und Fläschchen zum Sammeln von Regen. Mit den Laserspektrometern, den Herzstücken unseres Projekts, untersuchen wir den atmosphärischen Wasserdampf.

Aller Anfang ist schwer!

Voller Erwartungen und hoch motiviert gehe ich also in Bremerhaven an Bord. Leider erfährt unsere Aufbruchsstimmung einen jähen Dämpfer: Kaum an Deck erfahren Iris und ich, dass der Container, in dem wir die Messgeräte eingebaut hatten, mindestens bis Kapstadt keinen Strom haben wird. Grund dafür ist eine (für uns völlig unerwartete) mangelhafte Stromversorgung auf dem Schiff.

Unglaublich! Da bereitet man sich monatelang akribisch auf alles vor, was mit den Messgeräten schief laufen könnte, organisiert Ersatzteile für alle Eventualitäten, diskutiert Alternativen – und dann scheitert es an so etwas Simplem. Darauf konnten wir uns tatsächlich nicht vorbereiten.

Troubleshooting in Bremerhaven

Blick vom obersten Deck: Der Schweizer Messcontainer ist gut zu erkennen.
Blick vom obersten Deck: Der Schweizer Messcontainer ist gut zu erkennen. (Bild: Victorine Sentilhes / ACE Expedition)

Ich bin ernüchtert und zunächst etwas ratlos: Den ganzen ersten Monat während der Vorbereitungsreise nach Kapstadt nichts messen können und den spannenden Querschnitt durch die Klimazonen von Europa über die Tropen nach Südafrika verpassen? So einfach lassen wir uns nicht unterkriegen. Also machen wir uns auf die Suche nach einem alternativen Standort für unsere Messinstrumente. Wir dürfen keine Zeit verlieren, denn das Schiff legt in weniger als zwei Tagen ab. Und der angekündigte Sturm «Uwe», der uns in der Nordsee erwartet, wird alles, was nicht konsequent befestigt ist, von Deck fegen.

Gesucht, gefunden: Zuoberst auf dem Schiff in einem kleinen Kontrollraum für den Radar gibt es einen Platz. Umgehend bauen wir das Gestell mit unseren Messinstrumenten aus dem Container aus und befördern es mit einem Kran zum neuen Standort. Uns ist etwas mulmig zu Mute, als wir unsere Messinstrumente durch die Luft schweben sehen. Zum Glück geht alles gut, so dass wir die Geräte am neuen Standort befestigen können. In letzter Minute, noch während das Schiff ausläuft, nehmen wir sie in Betrieb und beginnen unsere Messungen.

Von der stürmischen Nordsee in Richtung Tropen

Vergrösserte Ansicht: Stürmische Nordsee. (Bild: Victorine Sentilhes / ACE Expedition)
Stürmische Nordsee. (Bild: Victorine Sentilhes / ACE Expedition)

Die erste Woche an Bord ist von starkem Wind und hohen Wellen geprägt. In der Nordsee erfasst uns der erste richtige Sturm des anbrechenden Winters, und nach kurzer Ruhe verfolgt uns ein Tiefdruckgebiet entlang der Westküste von Spanien und Portugal. Die Messungen gestalten sich entsprechend schwierig, weil der Zugang zum Deck wegen den hohen Wellen oft untersagt ist.

Ausserdem warten wir noch auf die Bewilligung, unsere Wetterballone zu starten. Diese hatten es rätselhafterweise nicht auf die Liste der erlaubten Experimente geschafft. Ausgestattet mit Messgeräten für Temperatur, Feuchte und Atmosphärendruck sind diese Ballone ein wichtiger Teil unseres Projekts. Das müssen wir der fast ausschliesslich russisch sprechenden Crew zuerst beibringen. Am Tag zehn nach der Abfahrt fällt schliesslich dieses letzte Puzzleteil an seinen Platz: Wir erhalten die Starterlaubnis, und das Wetter ist perfekt für einen ersten Test: Es ist strahlend schön, fast windstill und das Meer spiegelglatt wie der Zürichsee.

Vergrösserte Ansicht: Pascal Graf macht einen ersten Wetterballon startklar.
Pascal Graf macht einen ersten Wetterballon startklar. (Bild: Victorine Sentilhes / ACE Expedition)

Improvisationskünste gefragt

Gute Messdaten sind für erfolgreiche Forschung unerlässlich. Der Weg dahin ist aber meist nicht geradlinig und bedarf viel Einsatz, Geduld und Frustrationstoleranz. Man sollte seine Erwartungen im Vorfeld nicht zu hoch schrauben, um Enttäuschungen vorzubeugen. Meine Erfahrungen aus vergangenen Feldkampagnen haben sich auch auf der Akademik Treshnikov bestätigt: Es kann und wird vieles schiefgehen, egal wie gut man sich vorbereitet. Dann gilt es einen kühlen Kopf zu bewahren und mit den vorhandenen Mitteln und einer guten Portion Improvisation eine funktionierende Alternative zu finden.

Serie zur Expedition rund um die Antarktis

Vergrösserte Ansicht: ACE-Route
Der Routenplan. (Grafik: ACE Expedition)  

Die Forschenden der Antarctic Circumpolar Expedition (ACE) des Swiss Polar Institute (SPI) sind derzeit mit dem russischen Eisbrecher «Akademik Treshnikov» unterwegs von Bremerhaven nach Kapstadt (siehe diesen Beitrag in ETH-News). Von dort startet kurz vor Weihnachten die Expedition zur dreimonatigen vollständigen Umrundung des Südpols. Die ETH-Forschenden an Bord werden im Zukunftsblog von ihren Erfahrungen berichten.

Weitere Informationen finden Sie unter externe SeiteSwiss Polar Institute, externe SeiteACE Facebook , externe SeiteACE Twitter.

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