Wie uns der Klimawandel (in)direkt betrifft

Auch Klimarisiken in weit entfernten Ländern tangieren uns: Wird etwa Chinas Kornkammer von einer Dürre heimgesucht, kann sich das in einer globalisierten Welt über Handelsketten auch auf die Schweiz auswirken. Anpassung an den Klimawandel sollte weniger lokal erfolgen, als gemeinhin gedacht.

Vergrösserte Ansicht: Ein chinesischer Bauer sucht Wasser in einem ausgetrockneten Flussbett.
Ein chinesischer Bauer sucht Wasser in einem ausgetrockneten Flussbett (März 2010): Chinas Provinz Yunnan erlebte bis 2013 eine mehrjährige Dürreperiode. (Bild: KEYSTONE / AP Photo / AP CHINATOPIX)

Der Klimawandel findet statt, und kein Land kann sich seinen Folgen entziehen. Zwar werden die direkten Auswirkungen für die Schweiz vermutlich weniger drastisch ausfallen als anderswo – Hiobsbotschaften von tropischen Stürmen, Überschwemmungen ganzer Landstriche oder anhaltenden Dürren erreichen uns meistens aus dem Ausland. Doch in einer stark vernetzten Weltwirtschaft, in der Rohstoffe, Nahrungsmittel und Güter in fernen Ländern produziert und rund um den Globus konsumiert werden, können sich Wetter- und Klimaextreme entlang der Lieferketten rasch global auswirken. So kann es auch in der Schweiz zu Versorgungsengpässen oder unterbrochenen Warenströmen kommen.

Um die Frage, wie uns der «globalisierte» Klimawandel konkret betrifft, und wie wir damit umgehen können, dreht sich die diesjährige ETH-Klimarunde.

Wetter- und klimabedingte Risiken erkennen

So bleibt uns nicht erspart, uns an das veränderte – und sich weiter verändernde – Klima anzupassen. Doch nur wer die damit verbundenen Chancen und Bedrohungen kennt, kann vorausschauend handeln.

Mit dem Begriff des Risikos bezeichnet man den unsicheren Ausgang einer Unternehmung. Dabei kann es sich um einen Gewinn oder Verlust handeln, der nicht unbedingt monetärer Art sein muss. Zudem wird das Risiko nicht nur durch die eigentliche Gefährdung (etwa Wetterphänomene) bestimmt – mindestens ebenso wichtig ist es zu wissen, wie stark ein Unterfangen exponiert und wie verletzlich es ist. Oft sind diese Aspekte gar die primären Treiber des Risikos.

Um Wetter- und Klimarisiken zu begegnen, sind folgende Fragen zentral:

  1. Welchen Wetter- und Klimaeinflüssen ist mein Tun ausgesetzt?
  2. Wie gehe ich mit den Risiken um? Welche Optionen habe ich, um sie zu bewältigen?
  3. Wie sieht es mit dem Aufwand (den Kosten) aus? Stehen Aufwand und Kosten in einem attraktiven Verhältnis zum Nutzen?

Will Wissenschaft bei der Bewältigung von Wetter- und Klimarisiken einen Beitrag leisten, also obige Fragen zu beantworten helfen, so kann dies nur in engem Dialog mit den Betroffenen geschehen. Ganz besonders gilt dies für Risiken entlang der Wertschöpfungskette. Diese macht nota bene nicht an Landesgrenzen halt. Deshalb ist Klimaanpassung keineswegs nur lokal zu begreifen.

Beispiel Importe aus China

Gemäss dem Schweizerischen Bauernverband wurden im Jahr 2013 in der Schweiz pro Person rund 880 kg Nahrungsmittel konsumiert. [1] Die importierte Menge entsprach ungefähr 88 Prozent der Inlandproduktion. Es sind hauptsächlich pflanzliche Produkte, die importiert werden. Die Schweizer Landwirtschaft deckte 2013 energiemässig 58 Prozent des inländischen Nahrungsbedarfs.

Einige dieser Agrarimporte stammen aus China, etwa Gemüse und Futtermittel (Importe von etwas über 100 Millionen Franken). [2] Das Dürrerisiko für die grossen Anbauregionen in Nordostchina ist schon heute nicht zu vernachlässigen. Aufgrund einer detaillierten Studie in enger Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren rechnen wir im langjährigen Durchschnitt mit einem Ernteverlust von 1.3 Milliarden US Dollar unter heutigen Wetterbedingungen. [3] Das prognostizierte Wachstum des Landwirtschaftssektors erhöht die Exponierung und damit das Risiko bis 2030 um rund 700 Millionen Dollar. Unter der Annahme einer starken Klimaänderung in dieser Region kämen weitere 600 Millionen Dollar dazu. Damit betrüge das kombinierte wetter- und klimabedingte Risiko im Jahre 2030 rund 2.6 Milliarden Dollar, was einer Verdopplung in nicht einmal zwei Dekaden entspräche.

Dürrerisiko für den Agrarsektor China.
Dürrerisiko für den Agrarsektor China. Die Grafik beantwortet die im Text gestellte Frage 1 nach Wetter- und Klimaeinflüssen. (Grafik: Swiss Re / David Bresch, [3])  

Die Bedrohung minimieren

Glücklicherweise finden sich in den meisten Fällen risikoreduzierende Massnahmen. In der von Dürre bedrohten chinesischen Landwirtschaft wären das etwa bessere Bodenbewirtschaftung, Tröpfchenbewässerung, Züchtung dürreresistenterer Sorten sowie eine generell sorgfältige Wasserbewirtschaftung. Diese Massnahmen können das Risiko um ca. 48 Prozent reduzieren. Sie sind nicht gratis, doch deutlich günstiger als die prognostizierten Verluste. Ein in die Bodenbewirtschaftung investierter Dollar vermag beinahe 20 Dollar an Ernteverlust zu vermeiden. Im Falle der Tröpfchenbewässerung sind es immer noch mehr als 6 Dollar.

Vermiedener Schaden pro investierten Dollar bei risikoreduzierenden Massnahmen
Vermiedener Schaden pro investierten Dollar bei verschiedenen risikoreduzierenden Massnahmen am Beispiel Agrarsektor China. Die Grafik beantwortet die im Text gestellten Fragen 2 und 3 nach risikomindernden Optionen und Kosten/Nutzen. (Grafik: Swiss Re / David Bresch, [3])

Sensibilität erhöhen

Das Beispiel zeigt, dass Wetter – und Klimarisiken im Agrarsektor zu vertretbaren Kosten zu begegnen wäre. Doch im Moment finden solche Investitionen (noch) nicht statt. Aufgrund der global stark vernetzten Warenströme macht es für Firmen und Behörden sicher Sinn, auch über Klimaanpassung jenseits der Landesgrenzen zumindest nachzudenken. Dies muss nicht bedeuten, dass wir die erwähnten Investitionen in China zu tätigen brauchen – oft hilft es schon, die Transparenz solcher Risiken zu erhöhen und den Dialog über mögliche Massnahmen zu führen.

Dass ein vorausschauender Umgang mit Risiken auch einen Wettbewerbsvorteil bedeutet, sei hier nur am Rande erwähnt – auch dieser Aspekt wird uns an der nächsten ETH-Klimarunde vom 8. November 2016 sicher beschäftigen.

Weiterführende Informationen

[1] Bundesamt für Statistik: externe SeiteLandwirtschaftliche Gesamtrechnung: Schätzung 2016 und Landwirtschaft und Ernährung: externe SeiteTaschenstatistik 2016

[2] 109 Mio. CHF im Jahre 2009. Siehe externe SeiteMedienmitteilung Schweizerischer Bauernverband SBV

[3] Swiss Re: Economics of Climate Adaptation – externe SeiteShaping climate-resilient development

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