«Das Thema Chancengleichheit ist endgültig angekommen»

Eine Evaluation des ETH-Aktionsplans zur Chancengleichheit zwei Jahre nach dessen Inkrafttreten zeigt: Das Bewusstsein für das Thema ist an der ETH deutlich gestiegen. Es wird allerdings noch eine Weile dauern, bis es deswegen dauerhaft mehr Studentinnen und Professorinnen gibt.

Vergrösserte Ansicht: Gender Action Plan
Workshop zum Thema Chancengleichheit an der ETH Zürich, veranstaltet von der Stelle für Chancengleichheit Equal und der Personalabteilung im März 2016. (Bild: ETH Zürich / Jonathan Chan)

Die ETH Zürich gab sich 2014 einen «Gender Action Plan». Darin formulierte sie konkrete Handlungsfelder, unter anderem um den Anteil von Frauen unter den Studierenden, Forschenden und auf Professorenstufe zu erhöhen. Auch möchte die ETH damit eine diskriminierungsfreie Arbeits- und Lernkultur schaffen, der sich Frauen und Männer gleichermassen zugehörig fühlen.

Nun, nach zwei Jahren, zieht Renate Schubert, Professorin und Delegierte des ETH-Präsidenten für Chancengleichheit, Bilanz. Sie und ihre Mitarbeitenden befragten in den vergangenen Monaten die Leitungen von Departementen, Verwaltungseinheiten und Hochschulorganisationen der ETH nach ihren Erfahrungen mit dem Aktionsplan. «Wie in den Gesprächen stark zum Ausdruck gekommen ist, ist es mit dem Gender Action Plan gelungen, das Bewusstsein für Gleichstellungsfragen innerhalb der ganzen ETH deutlich zu erhöhen», sagt Schubert. «Insofern ist das Thema nun endgültig an der ETH angekommen.»

Fehlanreize vermeiden

Bis sich der Gender Action Plan dauerhaft auf die Studentinnen- und Professorinnen-Zahlen auswirkt, wird es allerdings noch etwas dauern. «Solche Prozesse dauern leider länger als zwei Jahre», so Schubert. Einen positiven Einfluss auf die Kultur der ETH macht die Delegierte für Chancengleichheit jedoch bereits jetzt aus. Ein Fazit der jüngsten Befragung ist denn auch, dass der Gender Action Plan immer noch aktuell ist und eine Überarbeitung derzeit nicht notwendig ist.

Zu den Erfolgen der Kampagne zählt für Schubert etwa, dass verschiedene Departemente und Verwaltungseinheiten in den vergangenen Jahren Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Familie umgesetzt haben: Das Departement Geistes-, Sozial- und Staatswissenschaften (D-GESS) bezahlt beispielsweise die Familienzulagen seiner Doktorierenden aus einem gemeinsamen Topf statt aus den Budgets der einzelnen Forschungsgruppen. Damit vermindert es einen möglichen finanziellen Fehlanreiz, eher Personen ohne Kinder anzustellen.

Unterstützung für Mütter und Väter

Das Departement Erdwissenschaften (D-ERDW) hat kürzlich im Rahmen eines Pilotprojekts ein Familienzimmer eingerichtet. Es bietet Müttern und Vätern eine kurzfristige Lösung bei einem Engpass in der Kinderbetreuung: Das Familienzimmer ist so eingerichtet, dass ETH-Angehörige darin arbeiten können und ihre Kinder nebenan spielen.

Ein weiteres Beispiel sind Planungs- und Entscheidungshilfen für werdende Mütter und ihre Vorgesetzen für den Mutterschaftsurlaub und die Zeit danach, welche die ETH-Personalabteilung erarbeitet hat.

Stereotype und Diskriminierung

Aus der Evaluation des Aktionsplans, deren Ergebnisse Schubert gestern vor der Departementsvorsteherkonferenz präsentierte, geht auch hervor, dass sich Departemente mit einem geringeren Studentinnenanteil stärker für die Chancengleichheit engagieren als andere. Das sei nur auf den ersten Blick naheliegend, sagt Schubert. Denn das Problem mit der Leaky Pipeline – dass Frauen mit zunehmender Höhe der Karriereleiter rarer werden und der Professorinnenanteil daher klein ist – hätten alle Departemente. «Folglich müssten sich eigentlich alle Departemente gleichermassen engagieren.»

Und es gibt noch generellen Handlungsbedarf: Einerseits etwa bei der Lehre, wo die ETH in Zukunft sicherstellen möchte, dass die Studienbedingungen für Frauen und Männer gleichermassen attraktiv sind, andererseits auch in der an der ETH gelebten Kultur. Nicht in allen Forschungsgruppen seien die Umgangsformen völlig vorurteils- und diskriminierungsfrei, berichtet Schubert. Die Stelle für Chancengleichheit der ETH, Equal, plant daher für die Zukunft, Workshops zum Thema Umgang mit Stereotypen für  breite Teilnehmerkreise innerhalb der ETH anzubieten. Zu einem respektvollen Miteinander plant die ETH ausserdem eine neue Informationskampagne. Eine erste «Respekt-Kampagne» gab es bereits ab 2004. Die Neuauflage könnte zusätzlich zum Umgang der Geschlechter auch jenen von Personen unterschiedlicher Herkunft thematisieren.

«Die ETH ist eine Hochschule mit einer hohen Internationalität; viele Teams setzen sich aus Menschen unterschiedlicher Nationalitäten zusammen», so Schubert. «Wir machen uns daher Gedanken, wie wir eine Atmosphäre schaffen können, in der alle, nicht nur ungeachtet ihres Geschlechts, sondern auch ungeachtet ihrer Herkunft, gerne arbeiten und ihr Kreativitätspotenzial voll entfalten können.» Das sei für die ETH und ihre Wettbewerbsfähigkeit essentiell. Die Delegierte für Chancengleichheit rechnet damit, dass nach den nächsten zwei Jahren Gender Action Plan die Zeit reif sein könnte, den Aktionsplan unter dem Stichwort «Diversity Management» auf dieses Thema auszuweiten.

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