Der Mann, der Robotiktiere baut

Er entwickelt Laufroboter, die sich wie Lebewesen bewegen: Marco Hutter, Assistenzprofessor am Institut für Robotik und Intelligente Systeme und Stipendiat der «Society in Science». Seine Maschinen sollen dereinst für den Menschen die Drecksarbeit erledigen.

Vergrösserte Ansicht: Marco Hutter mit Anymal
ETH-Assistenzprofessor Marco Hutter mit Anymal, dem neusten Laufroboter, den er und sein Team entwickelt hat, an der Argos-Challenge in Frankreich. (Bild: ETH Zürich / Marco Hutter)

«Anymal» wirkt etwas unwillig: Die jüngste Entwicklung aus der Tüftlerschmiede am Institut für Robotik und Intelligente Systeme der ETH bewegt sich wie ein Tier. Gerade hat der 30-jährige Assistenzprofessor Marco Hutter den vor sich hin trabenden Roboterhund hart zur Seite gestossen, worauf die Maschine leicht ausweicht, um dann umgehend wieder das Gleichgewicht zu finden.

Wie Anymal scheint auch Marco Hutter fest im Leben zu stehen. Man hat den Eindruck, er ist genau dort, wo er sein will: in einer weltweit anerkannten Forschungseinrichtung, in einer verantwortungsvollen Position. Was er gerade mit Anymal demonstriert, sieht fast aus wie ein Tanz zwischen Mensch und Maschine. Genau darin liegt die Innovation: Die Laufroboter, die Hutter und sein Team im Labor für Robotersysteme entwickeln, haben Gelenke, die so dynamisch wie ihr menschliches oder tierisches Äquivalent reagieren. Anymal kann Treppen steigen, springen und die Sprünge weich abfedern.

Industrie-Inspektion und Rettungseinsätze

«Wir wollen einen Roboter, der Hindernisse überwinden kann, zügig unterwegs ist und gleichzeitig energie-effizient und robust ist», betont Hutter, der ein Forschungsteam mit 12 Leuten führt. Die meisten dieser Kriterien erfüllte bereits externe SeiteStarlETH, der bisherige Star unter den Laufrobotern. Anymal aber ist viel robuster und deshalb für den Einsatz in unwegsamem Gelände und in unwirtlichem Klima geeignet. Mit nur 30 Kilo Gesamtgewicht ist Anymal trotz stattlicher Grösse für eine Einzelperson gut zu handhaben. Dank eingebauter Sensoren kann Anymal seine Umgebung laufend vermessen und damit seinen Einsatz völlig autonom planen und umsetzen.

Bereits in ein paar Jahren, so Hutters Überzeugung, könnten Laufroboter in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden. Konkret etwa in Industrieanlagen, bei der Suche und Rettung im alpinen Gelände sowie im Bergbau – etwa bei Mineninspektionen. «Die Roboter sollen dorthin gehen, wo es für Menschen gefährlich ist, oder wo die Arbeitsbedingungen sehr unangenehm sind», so der promovierte Maschineningenieur.

Willkommene Fördermittel

Anymals Existenz ist unter anderem dem Förderprogramm «Society in Science» zu verdanken. 2014 hat Hutter eines der begehrten, international ausgeschriebenen Stipendien erhalten. Bis 2019 wird er mit jährlich 100'000 Franken unterstützt, um seine Forschung voranzutreiben. «Dieses Stipendium war für mich eine einmalige Chance, etwas zu entwickeln, was man mit normalen Mitteln nicht tun kann», sagt der Ostschweizer. Dabei setzt er viel Begeisterung frei – etwa für die Teilnahme an der Argos-Challenge, eines internationalen Wettbewerbs des Energie-Unternehmens Total zur Entwicklung autonomer Roboter für die Inspektion von Offshore-Erdöl- und Gasförderanlagen. Gerade hat Hutters Forschungsgruppe im Rahmen der Argos-Challenge in Frankreich die Praxistauglichkeit von Anymal getestet.

«Morgens um 6 Uhr standen jeweils alle auf der Matte», sagt Hutter. «Und nach der Rückkehr in die Unterkunft haben wir immer noch bis 2 Uhr morgens gearbeitet.» Wer freiwillig so viel arbeitet, muss wohl einen Bubentraum leben, die anspruchsvollere Variante des Legobauens. Ist das bei Marco Hutter so? Schon als kleiner Junge hat er gerne Sachen zusammengebaut, gesägt, gezimmert und gebaggert, wie Kindheitsfotos in einer Publikation des Nationalfonds dokumentieren.

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Highlights von Anymal aus dem Labor und von der Argos-Challenge. (Video: ETH Zürich / Robotic Systems Lab)

An der besten Hochschule tätig

«Mir war schon früh klar, dass ich an die ETH will», betont er. Als Gymnasiast begeisterte er sich für Naturwissenschaften und Computer. Schliesslich fiel seine Wahl auf Maschinenbau, «weil dies ein sehr breites Gebiet ist». In seinem Studium hat er sich unter anderem mit Luft-und Raumfahrt sowie mit Regelungstechnik beschäftigt, später dann mit der Mikrorobotik. Zur Laufrobotik ist er erst in seiner Masterarbeit gekommen.

Seit Oktober 2015 ist er Assistenzprofessor für Robotik. Die Betreuung der Studierenden ist ihm ein grosses Anliegen, sei es durch Studentenarbeiten oder das Tutorensystem der ETH, bei der jeder Student einen Professor als persönlichen Betreuer hat und mehrmals im Semester zu Gesprächen trifft. Als Gruppenleiter trägt er aber auch eine grosse Verantwortung für sein Forschungsteam.

«Ich muss schauen, dass unser Labor herausragende Arbeit leistet, gute Forscher anzieht, und ich sie entsprechen bezahlen kann. Ich muss Trends erkennen, damit wir weltweit erfolgreich sind.» Ist das keine grosse Belastung? Marco Hutter schüttelt den Kopf. «Es macht Spass. Wir sind ein perfekt eingespieltes Team mit grossartigen Forschern.» Für ihn ist denn auch klar, dass er auch in zehn Jahren noch an der ETH arbeiten will. «Im Bereich Robotik ist die ETH einer der besten Hochschulen weltweit, wenn nicht überhaupt die beste.»

Roboter als Fussball-Schiedsrichter

Gibt es einen Super-Roboter, den Hutter gerne entwickeln würde?  Er schüttelt den Kopf: «Jeder Roboter muss einem bestimmten Zweck dienen. Der ultimative Humanoid ist nicht sinnvoll.» Natürlich weiss Hutter, welche Ängste seine Maschinen auslösen können,  die Ängste vor Arbeitsplatzverlust etwa, oder davor, dass Roboter für kriegerische Zwecke eingesetzt werden. Seine Antwort kommt schnell: «Jede Maschine kann für kriegerische Zwecke eingesetzt werden», betont er. Wichtig sei es, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die Missbräuchen vorbeugen. Gleichzeitig müsse die Gesellschaft auch richtig auf den vermehrten Einsatz von Robotern vorbereitet werden «Neue Technologien haben schon immer Arbeitsplätze zerstört – aber gleichzeitig immer neue geschaffen und das Leben der Menschen erleichtert.»

Man fragt sich, ob jemand, der wie Hutter im Arbeitsalltag seinem Spieltrieb nachgehen kann, überhaupt noch ein Leben ausserhalb des Labors hat. «Natürlich», sagt Hutter und lacht sein spitzbübisches Lachen. Mehr sagt er nicht. Er ist zurückhaltend, wenn es um seine Person geht, wirkt wie einer, der sich nicht gerne in die Karten blicken lässt. Also die konkrete Frage: Hat er ein Hobby? «Fussball», kommt es wie aus der Pistole geschossen.

Seit er fünf Jahre alt ist, rennt er dem runden Leder hinterher, aktuell spielt er beim FC Flawil. Der grüne Rasen ist übrigens eines der Felder, in dem Menschen und dereinst eine friedliche Koexistenz demonstrieren könnten: Die einen als Spieler, die anderen als Schiedsrichter. Das was Spass macht, tun die Menschen, den mühsamen Job können die Maschinen übernehmen. Denn darin liegt doch eigentlich der Zweck der Roboter: die Drecksarbeit zu machen.

Society in Science

«Society in Science – The Branco Weiss Fellowship» ist ein Förderprogramm für Wissenschaftler nach dem Doktorat unabhängig von Herkunft, Arbeitsort und Fachgebiet. Ins Leben gerufen und finanziert hat das Programm der Unternehmer Branco Weiss, der 2010 verstarb. Die erfolgreichen Kandidaten und Kandidatinnen erhalten jeweils ein grosszügiges Stipendium, das ihnen ermöglicht, während maximal fünf Jahren ein aussergewöhnliches Forschungsthema an einem Ort ihrer Wahl zu bearbeiten. Vergeben werden die Stipendien von der ETH Zürich.

externe Seitewww.society-in-science.org

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