«Respekt und Vertrauen sind essentiell für solche Kooperationen»

Vom 10. bis 11. März besuchte eine Delegation von Schulleitungsmitgliedern und Forschenden von Universitäten Südafrikas die ETH Zürich. ETH-News hat mit zwei Forschern gesprochen, die seit über zehn Jahren zusammenarbeiten.

zeeman kossmann
Samuel Zeeman (l.), Leiter der Gruppe für Pflanzenbiochemie an der ETH Zürich und Jens Kossmann (r.), Direktor des Institute for Plant Biotechnology an der Stellenbosch University. (Bilder: G. Marthaler, ETH Zürich / zVg J. Kossmann)

Jens Kossmann, Direktor des externe SeiteInstitutes für Pflanzenbiotechnologie an der Stellenbosch University und Samuel Zeeman, Leiter der Gruppe für Pflanzenbiochemie an der ETH Zürich erklären im ETH-News-Interview, was eine fruchtbare Kooperation über 10'000 Kilometer hinweg ausmacht.

Herr Kossmann, Herr Zeeman, bevor wir auf Ihre Forschungskooperation eingehen; könnten Sie uns kurz erklären, worum es in ihrer Forschung geht?
Samuel Zeeman: Ich interessiere mich vor allem dafür, wie Pflanzen Kohlendioxid in Stärke und Zucker umwandeln. Wir versuchen den Stoffwechsel und die biochemischen Prozesse von Pflanzen besser zu verstehen, damit wir sie optimieren können, zum Beispiel im Hinblick auf die Ernte.

Jens Kossmann: Ich begann meine Karriere in den 90er-Jahren am Max-Planck-Institut in Potsdam mit der Erforschung der Biosynthese von Stärke. Ich arbeitete vor allem mit der Kartoffel, weil sie zu dieser Zeit das beste Modellsystem war und in Europa nach wie vor die wichtigste Pflanze zur Gewinnung von Stärke darstellt. Heute forsche ich auch an Zuckerrohr, bei welchem wir versuchen den Zuckergehalt zu erhöhen. Meine Zusammenarbeit der ETH Zürich und Sam basiert stark auf unserem gemeinsamen Interesse, die Biosynthese von Stärke besser zu verstehen.

Wie haben Sie sich kennen gelernt und wann entschieden Sie, gemeinsam zu forschen?
Kossmann: Wir trafen uns zum ersten Mal in Potsdam, als Sam noch als Doktorand in England arbeitete. Ein damaliger Kollege lud ihn für ein Seminar ein. Wir erkannten unsere gemeinsamen Forschungsinteressen und sahen uns daraufhin regelmässig im Rahmen von Treffen für europäische Forschungsprojekte. 2004 wechselte ich dann an die Stellenbosch University in der Nähe von Kapstadt in Südafrika. Ich bemühte mich aber von Anfang an, meine Forschungskooperationen mit europäischen Kollegen aufrecht zu halten.

Weshalb war Ihnen das wichtig?
Kossmann: Der Zugang zu High-End-Technologie ist in Südafrika nicht immer gegeben. Zum Beispiel auf dem Gebiet der Massenspektrometrie oder bei der seriellen Analyse von Genexpressionen. Über die Zusammenarbeiten mit anderen europäischen Universitäten war es mir möglich, unsere Forschung immer auf dem Stand der neusten Technik zu halten.

Zeeman: Jens war für mich zu Beginn meiner Karriere immer ein Vorbild gewesen, wegen seiner kreativen Ansätze und seiner Nähe zur Praxis. Ich war froh, dass wir unsere Zusammenarbeit auch nach seinem Wegzug aus Europa weiterführen konnten. Bis heute nutzen wir die spezifischen Fähigkeiten auf beiden Seiten und schaffen Synergien, anstatt Forschung zu duplizieren. Zum Beispiel indem wir gemeinsam Publikationen verfassen, anstelle uns mit zwei ähnlichen Publikationen zu konkurrenzieren.

Wie schwierig ist die Finanzierung solcher kooperativer Forschungsprojekte?
Kossmann: 2006 rief die Universität Basel erstmals ein Programm für die Förderung von Schweizerisch-Südafrikanischer-Forschung aus. Das war unsere Chance für ein gemeinsames Projekt. Das Programm ging später ins «Swiss-South African Joint Research Programme» des SNF über (siehe Kasten), über das wir unsere Forschung bis heute finanzieren. Anders als bei vielen europäischen Förderprogrammen, werden hier nicht nur Reisekosten gedeckt. Denn ein grundsätzliches Problem für die Realisierung von solchen bilateralen Forschungskooperationen sehe ich darin, dass sie zwar gern gesehen sind und auch in Vereinbarungen zwischen Hochschulen festgelegt werden, doch die finanziellen Instrumente dafür fehlen.

Zeeman: Da stimme ich Jens zu. Die Förderung der Mobilität ist zwar wichtig, damit sich Forscher treffen und herausfinden, wo die gemeinsamen Forschungsinteressen liegen. Aber darüber hinaus sind Instrumente nötig, um Doktoranden und Postdocs finanzieren zu können.

Ist es für Forscher in Südafrika schwieriger an solche Fördermittel heranzukommen, als für Forscher in Europa?
Kossmann: Ich habe lange Zeit in Deutschland gearbeitet und verfüge über ein gutes Netzwerk in Europa. Ich kenne die Leute und weiss, wen ich für welche Zusammenarbeit kontaktieren könnte. Aber gerade jüngeren Kollegen hier in Kapstadt fehlen die Kontakte nach Europa noch. Für sie ist es bedeutend schwieriger. Gerade deshalb sind die bilateralen Forschungsprogramme für sie eine grosse Chance – sie eröffnen neue Netzwerke. Ich habe in den vergangenen Jahren eine Reihe von Doktoranden nach Europa geschickt und zur Zeit arbeitet ein ehemaliger Doktorand aus unserer Gruppe in Sams Labor in Zürich.

Wie muss man sich ihre Zusammenarbeit über 10`000 Kilometer hinweg konkret vorstellen? Besuchen Sie sich regelmässig oder findet die Kommunikation einzig über Telefonkonferenzen und E-Mail statt?
Kossmann: Wir treffen uns mindestens einmal pro Jahr in der Schweiz oder in Südafrika. Sam hat mich bereits drei Mal in Stellenbosch besucht, auch im Rahmen von Konferenzen.

Zeeman: Natürlich kommunizieren wir vor allem über Telefon und E-Mail. Aber trotzdem ist es wichtig, sich von Zeit zu Zeit persönlich zu treffen, um die Forschung zu besprechen und die Leute in den Laboren kennenzulernen.

Sie haben mittlerweile fast zehn Jahre Erfahrung in der transkontinentalen Forschungskooperation. Welches sind für Sie die Erfolgsfaktoren solcher Projekte?
Zeeman: Respekt und Vertrauen sind dafür essentiell. Man muss von Anfang an gemeinsame Erwartungen schaffen und genau definieren, was die beiden Partner in die Zusammenarbeit mit einbringen.

Besonders im Kontext von Nord-Süd-Kooperationen werden immer wieder Befürchtungen laut, dass Forschungspartner aus südlichen Ländern strukturell benachteiligt sind, und nicht angemessen von Forschungskooperationen profitieren. Sehen Sie diese Gefahr ebenfalls?
Zeeman: Das wurde während des Besuchs der südafrikanischen Delegation an der ETH Zürich (siehe Kasten) breit diskutiert. Solche Ängste vor unausgeglichenen Partnerschaften existieren. Man muss sie ernst nehmen und gleich zu Beginn Massnahmen treffen, damit es nicht zu Ungleichheiten kommt. Jens und ich haben die Prinzipien einer guten Zusammenarbeit damals beim Antrag für die SNF-Förderung sehr explizit ausformuliert.

Kossmann: Bei unserer Zusammenarbeit ist das kein Problem. Ich bin auch überzeugt, dass die meisten Forschungskooperationen zwischen Europa und Afrika für beide Seiten fruchtbar sind. Die Bedingung dafür ist natürlich, dass man sich gegenseitig respektiert. Sam und ich, wir sind nicht nur beruflich, sondern auch privat seit Jahren gute Freunde – das hilft.

Forschungskooperationen zwischen ETH Zürich und Südafrika

Südafrika gehört seit 2008 zu den sieben aussereuropäischen Ländern, mit denen die Schweiz die Forschungszusammenarbeit mit gezielten Programmen vertieft. Die ETH Zürich hat 2014 ein «Memorandum of Understanding» mit der University of Stellenbosch und 2015 eines mit der University of Cape Town abgeschlossen. Darin werden Forschungskooperationen gefördert und die Themenfelder für mögliche Zusammenarbeiten definiert. Vom 10. bis 11. März 2016 besuchte eine Delegation von 17 Akademikern und Schulleitungsmitgliedern der beiden Partneruniversitäten sowie der University of Pretoria und University of the Witwatersrand die ETH Zürich. Sie wurden vom ETH-Präsidenten empfangen, diskutierten an einer öffentlichen Veranstaltung die Chancen und Herausforderungen von bilateralen Forschungskooperationen und lernten während eines Workshops unterschiedliche Förderprogramme kennen. Zugleich bot der Anlass den Forschenden der involvierten Universitäten Gelegenheit, sich besser kennenzulernen und über gemeinsame Projekte auszutauschen.

Vergrösserte Ansicht: Stellenbosch-Delegation
Blicken auf eine gute bisherige Zusammenarbeit zurück: Linus Opara (l.) von der Stellenbosch University, Lino Guzzella (2.v.l.), Präsident der ETH Zürich, Cheryl de la Rey, Präsidentin der University of Pretoria und Danie  Visser (r.), Vizepräsident der University of Cape Town. (Bild: ETH Zürich)
Vergrösserte Ansicht: Schulleitungsmitglieder und Forschende der Stellenbosch University, University of Pretoria, University of Cape Town, University of the Witwatersrand und der ETH Zürich trafen sich zum Austausch.
Schulleitungsmitglieder und Forschende der Stellenbosch University, University of Pretoria, University of Cape Town, University of the Witwatersrand und der ETH Zürich trafen sich zum Austausch. (Bild: ETH Zürich)

SNF-Förderprogramm für Schweizerisch-Südafrikanische Forschung

Im Rahmen des externe SeiteSwiss-South African Joint Research Programme (SSAJRP) führt der Schweizerische Nationalfonds (SNF) gemeinsam mit seiner Schwesterorganisation in Südafrika, der National Research Foundation (NRF), eine weitere Ausschreibung für gemeinsame Forschungsprojekte durch. Geplant ist die Finanzierung von 12 Projekten während vier Jahren. Die Ausschreibung läuft noch bis zum 31. Mai 2016.

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert