Eine grosse Strahlkraft

Die ETH Zürich ist eine attraktive Partnerin für wissenschaftliche Zusammenarbeiten. Das wissen auch Firmen wie Google zu schätzen – zum Beispiel bei der Entwicklung eines neuartigen Navigationssystems ohne GPS.

Vergrösserte Ansicht: Das Bild zeigt Prof. Roland Siegwart im Porträt
Roland Siegwart ist seit 2006 ordentlicher ETH-Professor für Autonome Systeme.

Dass sich Google nicht nur in Kalifornien niedergelassen, sondern auch viel Know-how in Zürich aufgebaut hat, ist für Roland Siegwart kein Zufall. Der ETH-Professor für Autonome Systeme ist begeistert von den vielen jungen Talenten, die am Forschungsplatz Zürich arbeiten, und nicht weniger von den zahlreichen vielversprechenden Spin-offs. «Wir sind lokal sehr gut aufgestellt», sagt Siegwart. «Die Strahlkraft von Zürich ist gross.» Er bezeichnet Zürich sogar als Silicon Valley der Robotik. Dass die Limmatstadt durchaus mithalten kann, zeigt sich auch in den zahlreichen Projekten, bei denen die ETH mit renommierten Hoch- schulen und Industriepartnern der US-Westküste zusammenarbeitet.

Voraussetzung für Siegwart ist bei einer solchen Zusammenarbeit, dass sie offen ist. Sein Team muss den Erkenntnisgewinn auch anderweitig nutzen dürfen. In diesem Punkt stellt Siegwart einen Paradigmenwechsel fest: «Es findet definitiv eine Öffnung statt. Die Firmen beginnen zu merken, dass es so schneller geht.» Es profitieren also beide Seiten. Besonders Google pflegt eine sehr offene Zusammenarbeit mit ausgewählten Hochschulen. Zurzeit werden drei von Siegwarts Doktoranden von Google bezahlt. Sie arbeiten am Project Tango, bei dem insgesamt 40 Hochschulen und Firmen mit Google zusammenarbeiten. Von der ETH Zürich ist auch der Informatiker Marc Pollefeys mit dabei.

Das Ziel von Project Tango ist es, Geräte zu entwickeln, die die Umgebung mittels Kamera und zahlreichen Sensoren dreidimensional wahrnehmen und sogar die Navigation in Innenräumen ermöglichen. Das Gerät soll unter anderem Hindernisse erkennen oder Distanzen abschätzen können. In Siegwarts Team geht es vor allem darum, mithilfe einer Kamera dreidimensionale und zentimetergenaue Pläne autonom aufzustellen. So weiss das Gerät, sei es ein Smartphone oder eine Drohne, wo es sich befindet. Referenzpunkte sind lokale Gegebenheiten. Die Technologie ist im Gegensatz zur GPS-basierten Navigation auch in Innenräumen anwendbar. Ausserdem geht die Information über die Position des Geräts hinaus: Die Orientierung wird durch die Kamerabilder gleich mitgeliefert; es braucht keinen Kompass wie bei der GPS-basierten Navigation.

 

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Ausgerüstet mit Helmkameras sind die Mitarbeitenden des Projekts Tango dabei, die Strassen Zürichs zu kartieren. (Foto: Google ATAP Project Tango)

Tests im Hauptbahnhof

Ein umfangreicher Testlauf im Hauptbahnhof Zürich liegt gerade hinter den ETH-Forschern. Sie haben Bildmaterial von fast 15 Kilometern Strecke mit Google Tango Tablets aufgenommen. Die generierte Datenmenge ist entsprechend riesig. Nun geht es um die Datenreduktion. Nur konstante Merkmale, sogenannte Features, sind hilfreich und von Interesse. Personen und andere sich bewegende Objekte müssen von der Software aus dem Bildmaterial herausgefiltert werden. Ausserdem muss ein bestimmtes Merkmal aus verschiedenen Perspektiven und unter ändernden Lichtverhältnissen erkennbar sein.

Der nächste Meilenstein wird die Markteinführung sein. «Ist die Tango Software einmal zugänglich, steht der Entwicklung von Apps nichts mehr im Weg», sagt Siegwart und zählt Anwendungsmöglichkeiten auf: «Touristen könnten sich auch im unterirdischen Teil des Hauptbahnhofs orientieren, die Spielindustrie die virtuellen und realen Räumen ihrer Gamer weiter vermischen oder Einrichtungshäuser das Sofa ins Wohnzimmer potenzieller Käufer projizieren.» Was die Software nach Markteinführung aber genau auslösen wird, kann niemand voraussagen. Es wird nicht anders sein als bei anderen neuen Technologien: Der Erfindergeist von App-Entwicklern und die Bedürfnisse der Kunden entscheiden letztlich darüber, welche Dynamik sich entwickelt.

ETH meets California

ETH meets California bringt vom 6. bis 15. April 2016 die beiden Forschungshotspots zusammen. Roland Siegwart wird an der US-Westküste unkonventionelle Flugkonzepte präsentieren, wie zum Beispiel die Wingtra-Drohne, die wie ein Helikopter startet, aber wie ein Flugzeug fliegt.

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