Migrationsrouten von Mantelplumes entdeckt

Die Südhalbkugel des Planeten Mars durchlief eine unruhige, durch starken Vulkanismus geprägte Phase. Nun hat ein ETH-Forscher entdeckt, dass die Vulkane nicht zufällig verteilt, sondern entlang von bestimmten Linien angeordnet sind. Diese könnten ehemaligen Wanderrouten von Mantelplumes entsprechen.

Vergrösserte Ansicht: vulkane mars
Der Forscher hat auf einer Mars-Karte Vulkane eingezeichnet und gruppiert. Viele liegen auf Linien, die zum Südpol verlaufen. (aus Leone, 2016)

Der Vulkanologe Giovanni Leone vom Institut für Geophysik der ETH Zürich kann die Stunden nicht mehr zählen, in denen er Strukturen der Marsoberfläche anhand von hochaufgelösten Satellitenbildern studierte. Dabei ist ihm etwas aufgefallen, das bisher noch niemand so betrachtet hat: Die Vulkane auf der Mars-Südhalbkugel sind nicht zufällig angeordnet, sondern liegen auf sogenannten Loxodromen – Kurven konstanter Kurse, welche die Meridiane des Koordinatennetzes in identischem Winkel schneiden. Die Loxodrome beginnen in der Äquatorregion, verlaufen spiralförmig und enden am Südpol des Roten Planeten.

Wandernde Mantelplumes

Dass sich die meisten Vulkane der Mars-Südhalbkugel durch solche Linien verbinden lassen, wertet Leone als Zeichen dafür, dass einst am Äquator Mantelplumes an die Oberfläche gelangt sein müssen und im Laufe von hunderten von Millionen Jahren zum Südpol wanderten.

Mantelplumes sind Magmasäulen, die flüssiges Material aus dem Inneren des Planeten zur Oberfläche transportieren. Solche Säulen führen genügend Wärmeenergie mit sich, um die darüber liegende Kruste zu schwächen, sodass an einigen Stellen Vulkane entstehen. Irdische Pendants für diese Art von Vulkanismus sind die hawaiianische Inselkette und die Azoren. Mit dem bedeutenden Unterschied, das auf der Erde Teile der Lithosphäre über stationäre Mantelplumes wandern, während auf dem Mars die Plumes unter der starren Kruste durchgezogen sein mussten.

Die Marsplumes waren zu Beginn so kräftig, dass sich darüber Vulkane von teils gigantischem Ausmass bildeten, wie etwa Olympus Mons mit einer Höhe von 25 Kilometern. Auch floss die Lava aus diesen Vulkanen über grosse Distanzen und verwüstete weite Landstriche. Während ihrer Wanderung nach Süden verloren die Mantelplumes zunehmend an Kraft, weshalb rund um den Mars-Südpol nur noch kleinere Vulkane zu finden sind.

Neue Vulkane aufgespürt

Vergrösserte Ansicht: Loxodrome
Die Vulkane liegen auf Loxodromen, die am Südpol des Mars enden. (aus Leone, 2015)

Die Mars-Loxodrome entdeckt hat der Planetenforscher, indem er hochaufgelöste Satellitenbilder der Mars-Oberfläche gezielt nach Vulkanen absuchte und auf einer Karte eintrug. Dabei fand er nicht nur neue, bisher unbekannte Vulkane. Es fiel ihm auch auf, dass sich diese sinnvoll verbinden lassen. Dies nährte seinen Verdacht, dass die Mantelplumes entlang bestimmter Bahnen gewandert sein mussten. Erst aber nachdem er die Linien auf eine Kugel projizierte, erkannte Leone, dass die Linien Loxodromen entsprechen, die sich zum Südpol hinziehen.

«Diese Studie ist für mich ein weiterer wichtiger Puzzlestein, welcher sich nahtlos zur Giant-Impact-Hypothese hinzufügen lässt», sagt er. Diese Hypothese besagt, dass auf dem Mars ein grosser Einschlagkörper aufgeprallt sein muss.

Plumes-Aktivität folgte Einschlag

Leone hat in Zusammenarbeit mit weiteren ETH-Geophysikern den Aufprall eines etwa mondgrossen eisenreichen Himmelskörpers auf die Südhälfte des Mars simuliert. Gemäss diesem Modell könnte sich dieser Einschlag vier bis 15 Mio. Jahre nach der Entstehung dieses Planeten ereignet haben. Dieser «Giant Impact» ist nicht nur die Ursache der auffälligen Unterschiede der beiden Mars-Hemisphären. Das Ereignis trieb auch während der nachfolgenden 400 bis 500 Mio. Jahre starken Vulkanismus an.

Der Vulkanismus kam jedoch vollständig zum Erliegen, nachdem der Mars auskühlte und das Magnetfeld verschwand. Seit über vier Milliarden Jahren verhält sich dieser Planet deshalb äusserst ruhig. Es gab weder Bewegungen von Kontinentalplatten wie auf der Erde noch weitere Vulkanausbrüche.

Gale-Krater mit Lavafüllung?

Vergrösserte Ansicht: Gale
Der Gale-Krater ist die Landestelle (Kreis) von Curiosity, wo der Rover auf Spuren von Fliessgewässern und eines ehemaligen Sees stiess. (Bild: JPL/NASA)
Vergrösserte Ansicht: Gale Kiesel
Fluss- oder Lavakiesel? Laut einem ETH-Forscher könnten diese Kieselsteine aus dem Gale-Krater genauso gut vulkanischen Ursprungs sein. (Foto: JPL/NASA)

Leone fand bei seinem Studium der Satellitenbilder auch Hinweise darauf, dass auf dem Roten Planeten möglicherweise kaum je Wasser in nennenswerten Mengen vorhanden war.

Andere Wissenschaftler postulierten vor wenigen Jahren, dass sich im Gale-Krater, in dem 2012 der Mars-Rover «Curiosity» landete, einen See gebildet hatte. Leone scheint dies unwahrscheinlich. Seine These: die Füllung von Gale besteht aus erkalteter Lava, die einst vom Vulkan Tyrrhenus Mons ausgespuckt wurde und sich anschliessend über tausende von Quadratkilometern in alle Richtungen ergoss. Ein Teil der Lava erreichte erst den Herschel-Krater, trat über dessen Rand und floss durch einen Verbindungskanal in den Gale-Krater.

«Diese Verbindung könnte ein früherer Lavatunnel sein, dessen Decke eingebrochen ist. Solche Tunnels sind auf dem Mars weit verbreitet und werden oft fälschlicherweise als ehemalige Wasserläufe oder so genannte Esker, die am Grund von Gletschern gebildet wurden, interpretiert», sagt Leone.

Olivin statt Serpentin

Seine Theorie, dass Gale durch Lava gefüllt wurde und nie Wasser enthalten hat, sieht der Forscher durch die Messdaten von «Curiosity» bestätigt. Die Sonde hat das Gestein im Gale-Krater bestimmt und datiert. Gefunden hat sie vor allem Basalt und Olivin. Ersteres ist ein vulkanisches Ganggestein aus erstarrter Lava, letzteres ist ein häufiges in Basalt enthaltenes Mineral.

Wäre der Krater voll Wasser gewesen, hätte sich Olivin innerhalb von hundert bis 10‘000 Jahren in das Gestein Serpentin umgewandelt, sagt Leone. Weil Serpentin nicht nachgewiesen werden konnte, schliesst der Geologe einen einst mit Wasser gefluteten Gale-Krater aus. «Ich kann in Gale keine Anzeichen für eine bewohnbare Umwelt erkennen. Aber wenn jemand eine wasserlose Lava-Umgebung als lebensfreundlich betrachten möchte, dann war Gale tatsächlich lebensfreundlich», sagt der Forscher.

Vergrösserte Ansicht: Lavafluesse
Pfeile geben die Fliessrichtung der Lavaströme an, die aus dem Vulkan Tyrrhenum Mons stammen. (Grafik: Giovanni Leone / ETH Zürich)

Literaturhinweis

Leone G. Alignments of volcanic features in the southern hemisphere of Mars produced by migrating mantle plumes. Journal of Volcanology and Geothermal Research. 11/2015; 309. DOI: externe Seite10.1016/j.jvolgeores.2015.10.028

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