Der Weg ist das Ziel

Ganz viel Praxis und Theorie einmal anders. Das zeichnete die erste ETH-Woche aus. Rund 130 Studierende aus 15 Departementen entwickelten eine Woche lang Lösungsvorschläge für ein nachhaltiges Ernährungssystem. Die Veranstaltung ist Teil der «Critical Thinking»-Initiative, mit der die ETH Zürich kreatives und interdisziplinäres Denken fördert.

Vergrösserte Ansicht: ETH-Woche
In der Diskussion entstehen kreative Lösungsansätze – Studierende an der ETH-Woche 2015. (Foto: ETH Zürich / Alessandro Della Bella)

Sie waren gekommen, um Neues zu erleben, eigene Ideen zu entwickeln und andere Lernformen auszuprobieren. Und sie wurden nicht enttäuscht. Rund 130 Bachelor- und Masterstudierende aus 40 verschiedenen Studiengängen nahmen an der ETH-Woche teil und waren am Ende der sechs mit intensivem Arbeiten angefüllten Tage restlos begeistert. Thema dieser zum ersten Mal stattfindenden Woche vom 6. bis 11. September 2015 war «The Story of Food».

Unter diesem Titel lernten die Teilnehmenden die komplexen Zusammenhänge der Welternährung kennen und mussten selbst in zwölf Kleingruppen kreative Lösungsansätze für eine nachhaltige Ernährung entwickeln. «Es war sehr abwechslungsreich, sehr fordernd, und ich habe neue Perspektiven und Wege zur Problemlösung kennengelernt», schildert Yannik Schlup, Masterstudent der Agrarwissenschaften im dritten Semester, seine Erfahrungen. «Ich hatte wirklich Spass und habe viel über die Komplexität des Ernährungssystems gelernt», erzählt Gwyneth Halstead-Nussloch, Masterstudentin der «Computational Biology and Bioinformatics» im zweiten Semester. «Es war sehr kreativ, und ich fand es spannend zu erfahren, wie man ein Problem definiert und die Lösung in der Gruppe erarbeitet», berichtet Sander de la Rambelje. Der Masterstudent in Biomedical Engineering im dritten Semester will sich auch in Zukunft mit anderen Studierenden interdisziplinär austauschen.

Monatelange Vorbereitungen

Organisiert wurde die ETH-Woche von Christine Bratrich, Geschäftsführerin ETH Sustainability, als Teil der «Critical Thinking»-Initiative. Sie griff damit den Wunsch von Studierenden auf,  die im engen Rahmen ihrer Bolognastudiengänge mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit an grossen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit forderten. Mit der Initiative möchte die ETH Zürich kritisches und unabhängiges Denken bei den Studierenden fördern.

Im Auftrag des Präsidenten und der Rektorin erarbeite ein Kernteam das Konzept der ETH-Woche. Die Vorbereitungen dauerten fast ein Jahr. Zahllose Wissenschaftlerinnen und Helfer aus unterschiedlichen Departementen der ETH sowie externe Experten und Unternehmen waren daran beteiligt. «Einen grossen Beitrag bei der fachlichen Konzeption hat das World Food System Center geleistet», sagt Bratrich. Volle Unterstützung erfuhr das Projekt auch seitens der Hochschulleitung. «Die Hochschulleitung war von dem Vorschlag sofort begeistert.» So wurde die ETH-Woche von Rektorin Sarah Springman eröffnet, und ETH-Präsident Lino Guzzella zeichnete bei der Abschlussveranstaltung die besten Konzepte aus.

Die Konzepte sollten kreative Lösungsansätze zu den vier Themenkomplexen «Nachhaltige Produktion», «Lebensmittelabfälle und Verluste», «Gesunde Ernährung für Mensch und Umwelt» oder «Futter- und Lebensmittelimporte in die Schweiz» aufzeigen und in der Schweiz umsetzbar sein.

Ein Thema, mit dem sich viele Kleingruppen beschäftigt hatten, waren der Umgang und die Weiterverwertung von Lebensmittelabfällen. Ob «Dumpy», ein Tram-Anhänger für Zürich, in den Pendler morgens ihren Bioabfall werfen können, das Projekt «Brobi», bei dem Brotabfälle in Bier verwandelt werden, oder die Apps «Waste no more» und «Wasteless Food App», die beim privaten Lebensmittelmanagement unterstützen – sie alle sollen helfen, dass die privaten Haushalte in der Schweiz künftig weniger als ein Drittel ihrer Lebensmittel in den Müll wirft.

Zwölf kreative Konzepte

Eine Fachjury bewertete die zwölf Konzepte und Präsentation. Sie setzte sich aus je zwei Vertretern der Wirtschaft, Wissenschaft sowie zwei nicht am Kurs teilnehmenden Studierenden zusammen. In wirtschaftlicher Hinsicht überzeugte die Jury am meisten das Projekt «D Aware», das mit neuer Messtechnik, einer Informationskampagne auf öffentlichen Toiletten und Gratis-Tests in Apotheken den Vitamin D-Mangel bekämpfen möchte. Ausgezeichnet für den wissenschaftlichen Ansatz wurde das Bildungsprogramm «EduAct», das schon bei Schulkindern einen bewussten Umgang mit Nahrungsmitteln fördern möchte. Und das Bier-Projekt Brobi erhielt von den unabhängigen Studierenden der Jury den Preis für die überzeugendste Fragestellung und Präsentation ihres Lösungsansatzes. Auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst konnten per ETH-EduApp ihr Lieblingskonzept wählen und vergaben die meisten Punkte für die kreative Präsentation des Teams, das den Tram-Anhänger Dumpy entwickelt hatte.

Bevor die Teilnehmenden die Konzepte entwickeln konnten, hatten sie während der ersten Tage der ETH-Woche zunächst bei Fachvorträgen, Diskussionsveranstaltungen und Exkursionen in Praxisbetriebe einen Überblick über die komplexen Fragestellungen rund um die Welternährung erhalten. Erst danach ging es an die Ausarbeitung eigener Lösungsansätze. Dabei mussten sich die Studierenden das Problem, das sie lösen wollten, selbst wählen. «Bei der ETH-Woche geht es darum, gemeinsam Lösungswege zu erarbeiten», erzählt Bratrich. «Nicht das Ergebnis, sondern der Weg dorthin steht im Vordergrund.»

Mit Begeisterung dabei

Und auf diesen Weg machten sich die Studierenden mit Begeisterung. Initiativ werden und eigene Ideen entwickeln– genau das war es, warum sich viele hierzu angemeldet hatten. So diskutierten die Studierenden vom ersten Tag an hochkonzentriert miteinander. Angeleitet wurden sie von Tutorinnen und Tutoren, die in erster Linie methodisch, nicht aber inhaltlich zur Seite stehen sollten. Für jeden Tag erhielten die Teilnehmenden ausserdem spezielle Arbeitshefte, in denen es weitere Informationen gab und sie Notizen machen und Arbeitsergebnisse dokumentieren konnten.

Zentraler Treffpunkt während der Woche war die eigens kreierte «ETH Week Hall» auf dem Campus Hönggerberg. Dafür war die Mensabaustelle im Gebäude HPR in einen multifunktionalen Veranstaltungsort mit Gruppenarbeitsplätzen, einem bestuhlten Bereich für Vorträge und Lounge-Sitzen aus Paletten verwandelt worden. Um den Teamgeist weiter zu stärken und den Austausch zu befördern, startete jeder Tag zudem mit einem Sportangebot und endete mit einem gemeinsamen Essen und mit Aktivitäten wie Kino oder Volleyball. Und auch ein Fussballmatch mit dem ETH-Präsidenten war mit dabei.

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