Korrekt durchgeführt – fehlerhaft publiziert

Olivier Voinnet, ETH-Professor für RNA-Biologie, wurde Anfang 2015 in wissenschaftlichen Onlineforen beschuldigt, Bilddaten manipuliert zu haben. Die Schulleitung der ETH Zürich veröffentlicht jetzt den Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission zu den gegen den ETH-Professor erhobenen Vorwürfen. Danach hat Voinnet seine Sorgfaltspflicht im Umgang mit Bilddaten und seine Aufsichtspflicht als Forschungsleiter verletzt. Die ETH ergreift entsprechende Massnahmen. 

  • Die ETH Zürich hat die kritisch diskutierten Bilddaten von Professor Olivier Voinnets Forschungsarbeiten umfassend von einer unabhängigen Untersuchungskommission untersuchen lassen.
  • Die Untersuchungskommission beanstandet eine Reihe von fehlerhaften Bilddaten in den Publikationen.
  • In den Publikationen, in denen fehlerhafte Bilddaten verwendet wurden, werden die wissenschaftlichen Aussagen aber durch die vorhandenen Rohdaten gestützt.
  • Aufgrund der Resultate der Untersuchungskommission kommt die Schulleitung der ETH Zürich zum Schluss, dass kein wissenschaftliches Fehlverhalten gemäss der Verfahrensordnung vorliegt.
  • Olivier Voinnet hat die Sorgfaltspflicht verletzt und erhält für sein Verhalten eine Verwarnung.
  • Die Schulleitung der ETH Zürich nimmt die Vorfälle ernst und hält fest, dass sie solche Fehler beim Publizieren nicht toleriert.

Der zentrale Auftrag der Schulleitung an die Kommission war zu untersuchen, ob bei den in der Kritik stehenden Bilddaten wissenschaftliches Fehlverhalten im Sinne der Verfahrensordnung für wissenschaftliches Fehlverhalten der ETH Zürich vorliegt. Nach Art. 3 dieser Verfahrensordnung liegt dann ein Fehlverhalten vor, wenn «vorsätzlich Falschangaben gemacht werden, vorsätzlich oder fahrlässig geistiges Eigentum anderer verletzt oder sonst wie deren Forschungstätigkeit beeinträchtigt wird». Für die Beurteilung, ob ein Fehlverhalten vorliegt, sind formal nur die Publikationen relevant, die Olivier Voinnet seit Antritt seiner Professur an der ETH Zürich im Jahre 2010 veröffentlicht hat. Voinnet war vor seiner Tätigkeit an der ETH Zürich Forscher am Centre national de la recherche scientifique (CNRS) in Strassburg und blieb dieser Institution seither verbunden. Um den Fall umfassend und sachlich angemessen beurteilen zu können, hat die Kommission insgesamt die Bilddaten von 32 Forschungsarbeiten gesichtet und ausgewertet. In 20 Publikationen hat sie dabei Fehler von verschiedenem Schweregrad gefunden.

Resultate des Berichts

Bei den Publikationen, die an der ETH Zürich entstanden sind, fand die Kommission in insgesamt fünf Publikationen Fehler, die von der Verschönerung von Bilddaten bis zur simplen Verwechslung von richtigen und fehlerhaften Bilddateien reichen. In zwei von diesen fünf Publikationen wurden schwerwiegendere Fehler festgestellt. Die Bilddaten wurden zum Teil für den internen Gebrauch bearbeitet und dann fälschlicherweise publiziert. Die von der Kommission geprüften Rohdaten und Dokumentationen der durchgeführten Experimente sind vollständig und korrekt und belegen die in den Publikationen gemachten wissenschaftlichen Aussagen. Damit haben die Bearbeitungen der Bilddaten zu keinem wissenschaftlichen Vorteil geführt. Aufgrund der DownloadResultate der Untersuchungskommission (PDF, 139 KB) kommt die Schulleitung der ETH Zürich zum Schluss, dass kein wissenschaftliches Fehlverhalten gemäss der Verfahrensordnung vorliegt.

Allerdings hat der Forscher die an der ETH Zürich verbindlichen Richtlinien für Integrität in der Forschung und gute wissenschaftliche Praxis verletzt. Gemäss den Richtlinien muss jeder Projektleiter im Rahmen seiner Forschung eine aktive Rolle in der Führung und Überwachung des wissenschaftlichen Nachwuchses übernehmen. Voinnet hat hier und auch im Umgang mit den Daten seine Sorgfaltspflicht klar verletzt. Für dieses Verhalten erhält Voinnet eine Verwarnung vom Präsidenten der ETH Zürich.

Forscher entschuldigt sich

Olivier Voinnet übernimmt die volle Verantwortung für die Fehler, die in den Publikationen gemacht wurden, und sagt: «Ich bedaure sehr, dass ich beim Publizieren nicht die nötige Sorgfalt habe walten lassen und übernehme die volle Verantwortung für alle Fehler. Für die entstandene Verunsicherung und die Unannehmlichkeiten in meiner Gruppe und bei meinen Kollegen möchte ich mich in aller Form entschuldigen. Ich werde in Zukunft äusserst sorgfältig sein, wenn es um das Publizieren von Daten geht. Ich bin der ETH Zürich sehr dankbar, dass sie die Vorwürfe gegen mich umfassend geprüft hat und sich trotz meiner Fehler hinter mich stellt. Ich werde das Vertrauen, das die Hochschule in mich setzt, nicht enttäuschen.» Voinnet hat bereits damit begonnen, für Publikationen mit fehlerhaften Bilddaten bei den Journals Korrigenda einzureichen, die teilweise auch schon angenommen wurden. Zwei Publikationen wurden auf Empfehlung der Kommission in den letzten Monaten zurückgezogen.

Massnahmen aktiv begleiten und überprüfen

Die Schulleitung der ETH Zürich nimmt die Vorfälle ernst und hält fest, dass solche Fehler beim Publizieren nicht passieren dürfen. Professor Detlef Günther, Vizepräsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen der ETH Zürich, meint dazu: «Allen, die an der ETH forschen, muss klar sein, dass wir ein solches Verhalten nicht tolerieren. Voinnet ist bei der Publikation der Daten nicht mit der gleichen Sorgfalt vorgegangen wie bei den Experimenten und deren Validierung.» Im Fall von Voinnet trägt die Schulleitung dem Umstand Rechnung, dass die Experimente korrekt durchgeführt wurden und somit die wissenschaftlichen Aussagen in den Publikationen nicht in Frage gestellt sind. Zudem hat sich Voinnet von Anfang an sehr einsichtig gezeigt, selber Vorschläge zur Änderung des problematischen Verhaltens gemacht, seine Fehler aufrichtig bereut und durch die Bereitstellung der Rohdaten zur Aufarbeitung der Fehler beigetragen. ETH-Vizepräsident Günther erklärt die Haltung der Schulleitung wie folgt: «Aus diesen Gründen liegt der Fokus der Massnahmen darauf, die Forschung der Gruppe weiterhin zu ermöglichen, aber die offensichtlichen Defizite in Bezug auf die Sorgfalt im Umgang mit den Bilddaten zu beseitigen.»

Massnahmen:

  • Abbau von Voinnets Tätigkeiten am CNRS. Fokussierung auf seine Gruppe an der ETH Zürich, damit er sich ausreichend auf die Änderungen des Arbeitsverhaltens in seiner Gruppe konzentrieren kann.
  • Die fehlerhaften Publikationen sollen in Absprache und Einverständnis der beteiligten Autoren mit Korrigenda versehen werden bzw. wenn erforderlich auch zurückgezogen werden.
  • Der Gruppe von Voinnet wird für die notwendigen Änderungen des Arbeitsverhaltens eine externe Fachperson zur Seite gestellt.
  • Die Schulleitung der ETH Zürich fördert die Einführung von elektronischen Laborjournals in ihren Laboren. Diese tragen zur Sicherheit und Präzision bei der Erhebung, Speicherung und Bereitstellung von Forschungsdaten bei und unterstützen eine einwandfreie Publikation.

Die zukünftige Publikationstätigkeit und die Umsetzung aller Massnahmen werden von der Departements- und der Schulleitung aktiv begleitet und überprüft.

Verfahrensordnung

Wenn ein Verdacht auf ein Fehlverhalten vorliegt, kann die Schulleitung der ETH Zürich eine Untersuchungskommission einsetzen. Diese muss laut Verfahrensordnung zwingend aus dem/der Vorsteher/Vorsteherin des fachlich betroffenen Departements, einem weiteren Mitglied dieses Departements und zwei externe Experten/Expertinnen bestehen. In diesem Fall bestand die Untersuchungskommission aus dem Vorsitzenden Witold Filipowicz (Professor für Biochemie am Friedrich Miescher Institut), Edward Farmer (Professor am Departements für Plant Molecular Biology der Universität Lausanne), Matthias Peter (Professor für Biochemie und Leiter des Departements Biologie an der ETH Zürich) und Yves Barral (Professor für Biochemie an der ETH Zürich). Die Untersuchungskommission hält in einem schriftlichen Bericht fest, ob gemäss ihren Untersuchungen ein Fehlverhalten nach Art. 3 vorliegt. Die Schulleitung entscheidet aufgrund der vorliegenden Ergebnisse über das weitere Vorgehen und die zu treffenden Massnahmen, die verhältnismässig sein sollen.

Olivier Voinnet

Olivier Voinnet ist seit 2010 ordentlicher Professor für RNA-Biologie an der ETH Zürich. Sein Forschungsfeld ist die sogenannte RNA-Interferenz, ein natürlicher Mechanismus, mit dem Pflanzen und Tiere auf Ebene der Zellen einerseits ihren Stoffwechsel steuern, andererseits bestimmte Viren bekämpfen können. Voinnet leistete wichtige Beiträge zur Grundlagenforschung, insbesondere zum Verständnis der RNA-Interferenz bei Pflanzen und deren natürlichen Fähigkeit, damit einen Befall mit Pflanzenviren abzuwenden, sowie zu den Strategien der Pflanzenviren, diesen pflanzlichen Abwehrmechanismus zu umgehen. In einer Aufsehen erregenden Arbeit zeigte Voinnet vor zwei Jahren, dass nicht nur Pflanzen und wirbellose Tiere die RNA-Interferenz als Abwehrmechanismus gegen Viren benutzen, sondern auch Säugetiere. Für seine Arbeit wurde Voinnet mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit zwei ERC Grants des europäischen Forschungsrats.

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