Bewährt, gut – und modern

Bachelor-Studierende der ETH-Umweltnaturwissenschaften kommen im vierten Semester in den Genuss von Integrierten Praktika. Ein Erfolgsmodell, das es seit Gründung des Departments Umweltsystemwissenschaften gibt.

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Endlich raus aus dem Hörsaal: Im Block Stadtökologie beobachten Umweltstudierende, welche Bestäuber wie Wildbienen wie oft Blüten besuchen. (Bild: ETH Zürich / Peter Rüegg)

Schöner und inspirierender könnte die Umgebung nicht sein: hier das Schloss Greifensee, eine historische Kulisse, dort zauberhaft blau der See, in der Ferne leuchten weiss die Alpen. An diesem Ort halten 90 Studierende der Umweltnaturwissenschaften die Schlussveranstaltung ab – das vierte Semester ihres Bachelorstudiums geht mit einem Paukenschlag zu Ende.

Dieses Semester ist für Bachelor-Studierende tatsächlich etwas Besonderes: Sie absolvieren zwischen Februar und Anfang Juni sogenannte Integrierte Praktika (IP). Drei Blöcke sind frei wählbar, einer davon, das Mikrobiologiepraktikum, ist ein Pflichtfach. Jedes Praktikum dauert drei Wochen. Eine intensive Zeit, in der es auch kaum mehr Vorlesungen gibt.

Etabliertes Instrument der Lehre

Die Integrierten Praktika gibt es seit Gründung des Departements Umweltnaturwissenschaften im Jahr 1987. Doch in den letzten Jahren bauten die heutigen IP-Verantwortlichen Angelika Hilbeck, Dozentin und Forscherin am Institut für Integrative Biologie der ETH Zürich, und Bernadette Oehen vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FibL), die gesamte Veranstaltung grundlegend neu auf.

Früher waren die Praktika in erster Linie dazu da, den Studierenden Feldmethoden aus Biologie, Bodenkunde oder der Klimatologie einzutrichtern. Heute stellen die Lehrpersonen den Studierenden interdisziplinäre und aktuelle Praxisprobleme, die sie transdisziplinär anpacken müssen. «Diese Praktika bilden die Klammer um die ersten drei Semester und führen die bis anhin getrennten Disziplinen zusammen», erklärt Angelika Hilbeck. Die Studierenden müssten dabei ihr Wissen aus verschiedenen Disziplinen integrieren und vor allem anwenden können.

Themen, die unter den Nägeln brennen

Zu den aktuellen Praktika zählen beispielsweise eines zum Thema «Urban food», eines zu Risiken von gentechnisch veränderten Organismen, eines zu Naturschutz und Konfliktmanagement am Beispiel des Wolfs in der Schweiz. Ebenfalls neu ist ein Block über Stadtökologie. Die übrigen Praktika sind weiterhin «klassisch» ausgerichtet.

«Mein Praktikum verkörpert die neue Philosophie der integrierten Praktika, weil es um ein aktuelles Thema, die Stadtökologie, geht», sagt IP-Dozent Christoph Küffer. Die Studierenden müssten darin naturwissenschaftliche und sozialwissenschaftliche Daten integrieren, am Ende des Blocks einen konkreten Lösungsvorschlag für die Praxis erarbeiten. Um zu Lösungen zu gelangen, müssen sie Methoden aus Biologie, Naturschutz, Psychologie, Management und Marketing integrieren.

Transdisziplinarität grossgeschrieben

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Studierende spielen anhand eines selbst geschaffenen Brettspiels die Wolfsproblematik in der Schweiz im wahrsten Sinne des Wortes durch. (Bild: ETH Zürich / Peter Rüegg)

Integrierte Praktika sind an der ETH eine Spezialität des Departements Umweltsystemwissenschaften. Seit fünf Jahren ist Angelika Hilbeck als Koordinatorin dafür zuständig. Zu den Lehrpersonen zählen nicht nur Professorinnen und Dozierende der ETH Zürich, sondern auch Fachexperten von Forst- oder Landwirtschaftsämtern, von NGOs oder von Agroscope, der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt des Bundes.

Die Evaluationen der Studierenden der integrierten Praktika und dieser Schlusstage sind nach wie vor ausgezeichnet. Dies sei für sie eine Bestätigung ihrer Bemühungen, zeitgemässe Veranstaltungen auch vermehrt aus dem Themenfeld Urbanität zu bieten, sagt Hilbeck. «Die Workshops dazu waren kaum ausgeschrieben, schon waren sie bis auf den letzten Platz ausgebucht», freut sie sich. «Dies hat damit zu tun, dass die Mehrheit der Studierenden heute einen städtischen Hintergrund haben.»

Neue Themen aufbauen

Angedacht ist nun eine Änderung des Konzeptes für das kommende Jahr. Noch ist der Plan nicht ausgereift, aber Hilbeck denkt daran, einen Unterstützungsantrag für Innovedum zu stellen, den Förderfonds der ETH-Rektorin für innovative Lehrformen. Die Dozentin plant, komplett neue Themen zu erarbeiten. Dazu braucht sie auch neue Dozierende. Diese zu suchen und aufzubauen, sei zeitaufwändig und brauche mehr Kapazität. Auch bestehe bei den Studierenden der Agrarwissenschaften ein Interesse an den integrierten Praktika. «Aus Platzgründen konnten wir diese bisher nicht berücksichtigen.»

Grosser Lerneffekt

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Improvisationstalent und Kreativität gefragt: Mit einfachen Mitteln mussten Studierende an der Schlussveranstaltung Poster gestalten. (Bild: ETH Zürich / P. Rüegg)

Sie ist überzeugt, dass der Lerneffekt bei den IP gross ist. «Studierende lernen in diesen Praktika viel Neues und können ihr Vorlesungswissen anwenden und vertiefen.» Beispiel Bodenkunde. Die Studierenden erhalten die Aufgabe herauszufinden, wie lange der Abbau eines Herbizids in einem bestimmten Bodentyp dauert. Ohne Vorwissen ein schwieriges Unterfangen. «Das Wissen muss abrufbar sein. Sind Lücken vorhanden, dann heisst es, sich noch einmal in den Vorlesungsstoff hineinzuknien», sagt Hilbeck.

In den IP geht es jedoch nicht kopflastig zu: Sie bieten auch Knowhow aus der land- und forstwirtschaftlichen Praxis. «Jedes Jahr gehen wir mit den Studierenden in den Wald. Sie sehen einem Förster dabei zu, wie er einen richtig grossen Baum fällt und vor allem warum man das tut. Das hinterlässt bleibende Eindrücke», so die Dozentin.

Die sieht auch der Studienkoordinator Umweltnaturwissenschaften, Peter Frischknecht, so: «Die IPs werden von sehr begeisternden Dozenten und Dozentinnen geleitet, die an einem über mehrere Disziplinen integrierendem Unterricht sehr viel Spass haben. Der Studiengang unternimmt auch alles, damit das so bleibt.»

Studierenden gefällt Ansatz

Auch von den Studierenden erhalten die IPs sehr gute Noten. «Ich habe die Praktika genial gefunden», sagt eine Studierende . Man habe gemerkt, dass die Dozierenden motiviert gewesen seien. «Es war einfach schön, aus dem Hörsaal herauszukommen.»

Eine ihrer Kommilitoninnen betont derweil den Wert der Arbeit in kleineren Gruppen: «Ich fand es super, nicht immer nur sitzen und zuhören zu müssen, sondern mit anderen zusammenarbeiten zu können, ein Projekt vorzubereiten, sich dabei voll auszuleben und dieses abschliessen zu können.»

Und: An der Schlussveranstaltung kommen alle Studierenden des vierten Semesters zusammen, etwas, das es sonst nicht gibt. «Das ist wertvoll, wir lernen einander kennen», sagt sie. Diese Schlussveranstaltung geht übrigens auf eine studentische Initiative Mitte der 90er-Jahre zurück. Damals wurde diese Veranstaltung selbstverwaltet durch die Studierenden organisiert, wie Frischknecht betont. Erst mit dem Wechsel von Diplomstudiengängen zum Bachelor-Master-System sei die Selbstverwaltung verschwunden.

Der Anlass wird trotzdem weitergeführt, wohlweislich aus dem Grund, dass auch dieser den Studierenden viel bringt. «Vor und nach dieser Veranstaltung haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer keine Gelegenheit, sich ein solch grosses Netzwerk aufzubauen. Dies ist von bleibendem Wert», findet Angelika Hilbeck.

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