Auf dem Weg nach Paris – wo stehen wir?

Im Dezember 2015 findet in Paris die nächste UN-Klimakonferenz statt, an der eine neue internationale Klimaschutz-Vereinbarung verabschiedet werden soll. Im Vorfeld dieser 21. Conference of the Parties (COP21) sollten die Staaten ihre geplanten Beiträge zum Klimaschutz einreichen. Eine Zwischenbilanz.

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Die lieben Klimakonferenzen – das mediale Interesse ist nach vielen Jahren der ewig gleichen Meldungen (viele Demonstranten, keine Erfolge) definitiv abgeflaut. Ausserhalb des internen Kreises weiss darum auch kaum jemand: Der Konferenz vom kommenden Dezember in Paris wird ähnlich viel Bedeutung zukommen wie der COP 15 in Kopenhagen 2009. Es steht also viel auf dem Spiel – ein erneutes Scheitern könnte sogar das Ende der globalen Klimakonferenzen bedeuten. Man hört und liest bisweilen aber wenig. Das ist vielleicht auch gut so, denn übermässiges Medieninteresse schürt vor allem die Erwartungen. Und das macht es noch schwieriger, einen Kompromiss zu finden.

An dieser Stelle nun – allerdings ganz im Sinne gedämpfter Erwartungen – ein kurzer Überblick zum Stand der Dinge.

Die Staaten und ihre Zusagen in Form von INDCs

Das grosse Schlagwort sind gerade die sogenannten «Intended Nationally Determined Contributions», kurz  INDCs: Das sind Zusagen der Staaten für freiwillige Beiträge zum Klimaschutz. Der Zusatz «Intended» deutet dabei an, dass es heuer voraussichtlich nicht mehr um einen völkerrechtlichen Vertrag geht wie noch 2009 in Kopenhagen. Und «Nationally Determined» bedeutet so viel wie «jedes Land kann selbst bestimmen, wie viel es beitragen will, bloss kein Druck von aussen». Die Hoffnung dabei ist, dass die INDCs einen globalen Konsens ermöglichen. Bei der letzten Klimakonferenz im Dezember 2014 wurde darum vereinbart, dass alle (196) Nationen diese nicht-bindenden Ziele bis zum 1. April dieses Jahres veröffentlichen wollen, soweit wie möglich.

Am 1. April standen nun ganze sieben INDCs auf der Website – und das ist kein Scherz. Fairerweise sei hier erwähnt, dass die EU als Ganzes nur einmal aufgeführt ist. Nachfolgend eine Zusammenfassung der Ziele in der Reihenfolge ihrer Veröffentlichung:

1.       Die Zusage der Schweiz setzt das bestehende CO2-Gesetz konsequent fort, wobei das ausdrücklich von der Zustimmung des Parlaments abhängig gemacht wird. Die Zusage ist so gewählt, dass es für das Zwei-Grad-Ziel der Konvention reichen würde, wenn die ganze Welt ähnlich agieren würde. In Zahlen heisst das 50 Prozent Reduktion gegenüber 1990 bis im Jahr 2030. Ein Teil der Reduktion soll durch den Zukauf von Zertifikaten im Ausland geschehen.

2.       Die Zielvorgaben der EU sind dem Schweizer Ziel sehr ähnlich, jedoch etwas niedriger (40 Prozent) und ausdrücklich ohne internationale Kompensationsmechanismen.

3.       Norwegen schliesst sich dem EU-Ziel an und verspricht, dieses auch dann einzuhalten, falls die EU daran scheitert.

4.       Mexiko verspricht eine 25 prozentige Reduktion in jedem Fall und stellt eine Reduktion um 40 Prozent bis 2030 in Aussicht, falls ein globales Klimaabkommen zustande kommt. Aber Vorsicht: Bei Mexiko sind es nicht 25 bis 40 Prozent im Vergleich zu den Emissionen von 1990, sondern im Vergleich zu einer modellierten Zukunft ohne Klimapolitik. Gegenüber 1990 entspricht das Ziel einer Zunahme der Emissionen um circa 30 Prozent anstatt 60 Prozent. Erwähnenswert ist dabei, dass Mexiko explizit deklariert, dass seine nationalen Emissionen im Jahr 2026 ihren Maximalwert erreichen werden.

5.       Die USA haben ebenfalls ein Ziel veröffentlicht: Sie versprechen eine Reduktion von 26 bis 28 Prozent bis 2025 gegenüber dem Niveau von 2005. Das macht insofern Sinn, als dass in der EU die Emissionen seit 1990 fallen, insbesondere in den ehemaligen Sowjetstaaten. In den USA hingegen haben die Emissionen erst 2005 ihren historischen Höchststand erreicht.

6.       Gabun hat – als einziges Land in Afrika – ebenfalls ein Ziel veröffentlicht, nämlich eine 50-prozentige Reduktion bis 2025. Wie auch Mexiko bezieht sich Gabun dabei auf ein modelliertes Referenzszenario. Konkret entspricht es einem Rückgang der Emissionen um ca. 20 Prozent gegenüber dem Niveau von 2000. Gut 60 Prozent der nationalen Emissionen in Gabun stammen aus der Entwaldung, nochmals 30 Prozent aus der Erdölgewinnung. Dazu kommt, dass die gesunden Wälder Gabuns anscheinend jährlich viermal so viel Kohlenstoff aufnehmen wie das Land insgesamt emittiert – Gabun verzichtet jedoch darauf, dies anzurechnen.

7.       Russland hat ebenfalls ein Ziel veröffentlicht, wobei es im Text nicht «Ziel» sondern nur «Langzeit-Indikator» genannt wird. Bis 2030 ist eine Reduktion von 25 bis 30 Prozent gegenüber 1990 angestrebt. Im Gegensatz zu den USA waren die Emissionen in Russland 1990 auf ihrem Höhepunkt und 1998 bereits um fast 40 Prozent gefallen. Gegenüber 1998 erlaubt das russische Ziel also weiterhin eine Erhöhung des Treibhausgasausstosses. Dazu kommt, dass die Kohlenstoff-Speicherung der russischen Wälder maximal angerechnet werden soll.

Mittlerweile sind noch drei weitere Länder hinzugekommen: Andorra und Lichtenstein – ich widme ihnen jedoch keinen eigenen Paragraphen – und Kanada. Das kanadische Ziel ist ähnlich demjenigen der USA, mit einer 30-prozentigen Reduktion bis 2030 und 2005 als Referenzjahr. Und das ist es auch schon. Südamerikanische sowie asiatische Länder (ausser Ost-Russland) fehlen bisher ganz auf der Liste.

Wie ist die Sachlage zu deuten?

Es ist schwer zu sagen, warum so viele Zusagen fehlen, und was das bedeutet. Meine persönliche Interpretation: Klimapolitik im Rahmen der UNFCCC (Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen) hat national kaum mehr Priorität. Daher kümmern sich auch nur wenige Staaten um eine «weiche» Deadline. Wahrscheinlich wird die Mehrheit der Länder ihre INDCs in den letzten Wochen vor der Konferenz veröffentlichen. Der weltweit grösste Emittent, China, hat bereits auf anderen Kanälen diverse Ziele publik gemacht, insbesondere dasjenige, bis 2030 den absoluten Höchststand an Emission zu erreichen.

Bisher ist Mexiko das einzige Land, das die Zielvorgabe abhängig von einem internationalen Konsens macht. Hinzu kommt, dass weder die EU noch die USA internationale Kompensationsmechanismen vorsehen. Somit kann man den INDC-Prozess auch als das Ende der Internationalität der Klimapolitik verstehen: Die grosse Mehrheit der Länder macht wohl von nun an rein nationale Klimapolitik, während die UNFCCC primär Koordinations-, Informations- und Beratungsaufgaben übernimmt. Ich weiss selbst nicht, ob ich diese Interpretation fatalistisch oder optimistisch finde. Einerseits liegt es nahe, dass ein globales öffentliches Problem nur durch globales Handeln gelöst werden kann. Andererseits vereinfacht die Abkehr von der absoluten Internationalität im Rahmen der UN auch den Weg zu einer effektiven «Koalition der Willigen». Wenn es den Ländern mit hohen Klimaambitionen gelingt, den Übergang in eine CO2-arme Wirtschaft erfolgreich zu meistern, zieht der Rest der Welt eines Tages vielleicht doch noch nach.

 

Obwohl  sich Tim Reutemann in seinem letzten Beitrag als Autor verabschiedet hatte, bleibt er dem Zukunftsblog nun doch noch eine Zeit lang erhalten – ab Juni dann als ETH-Alumnus vom United Nations Environmental Program (externe SeiteUNEP DTU Partnership) in Kopenhagen aus.

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