Mit vollem Einsatz im Sport und in der Wissenschaft

Bettina Heim konnte die Ergebnisse ihrer Semesterarbeit in einer der angesehendsten Wissenschaftszeitschriften veröffentlichen. Sie zeigte auf, warum derzeit existierende Quantenrechner entgegen früheren Annahmen in Tests nicht schneller waren als klassische Computer. ETH-News traf die frühere Spitzensportlerin und nun erfolgreiche Wissenschaftlerin.

Vergrösserte Ansicht: Bettina Heim
Bettina Heim, derzeitige Physik-Masterstudentin an der ETH Zürich. (Bild: Fabio Bergamin / ETH Zürich)

Wenn Bettina Heim etwas macht, setzt sie sich voll dafür ein. Bis vor wenigen Jahren galt ihr Einsatz dem Eiskunstlauf. Sie wurde Schweizer Meisterin, nahm an Weltmeisterschaften teil und absolvierte erfolgreich eine Ausbildung zur Trainerin. Vor gut drei Jahren hängte sie ihre Schlittschuhe an den Nagel, seither studiert sie an der ETH Zürich Physik – und auch dies mit vollem Engagement: Für eine Semesterarbeit im Bachelorstudium, eine im Regelfall überschaubare Arbeit, die drei Wochen in Anspruch nimmt, setzte sie sich so sehr ein, dass sie ihre Ergebnisse nun in der renommierten Fachzeitschrift Science veröffentlichen konnte.

Gewiss, Bettina Heim würdigt im Gespräch das Team von Matthias Troyer, Professor für Computational Physics, in dem sie die Arbeit durchführte. Ihre Kollegen hätten sie hervorragend unterstützt und einen wesentlichen Teil zur Arbeit beigetragen, sagt sie. Dennoch ist es aussergewöhnlich für eine Wissenschaftlerin oder einen Wissenschaftler, die allererste Fachpublikation der Karriere an derart prominenter Stelle veröffentlichen zu können, dazu noch im Alter von 26 Jahren und während des Bachelorstudiums. «Ich musste mehr als 30 Arbeiten veröffentlichen, bis eine von einer Zeitschrift mit solch hohem Renommee angenommen wurde. Damals war ich 34-jährig», sagt ETH-Professor Troyer, der die begabte Studentin betreute.

Quantenrechner ist nicht schneller

Bettina Heim fand in ihrer Arbeit eine Erklärung dafür, warum D-Wave, eine vieldiskutierte neuartige Rechenmaschine, welche quantenphysikalische Effekte nutzt, bestimmte Rechenprobleme nicht schneller löst als ein herkömmlicher Computer.

Aufgrund von Simulationen erwarteten viele Experten, dass gewisse mathematische Optimierungsprobleme auf Quantenrechnern wie D-Wave schneller gelöst werden können. Wissenschaftler sprechen bei dieser Beschleunigung durch Quanteneffekte vom «quantum speedup». Zu den mathematischen Problemen, die davon profitieren würden, gehört das Planen einer Flugroute oder die Optimierung eines Wertschriftenportfolios. Wohl vor allem wegen den vielversprechenden Voraussagen baute die kanadische Firma D-Wave vor drei Jahren einen solchen sogenannten Quantenoptimierer.

Simulationsrechnungen haben Grenzen

Allerdings erwies sich das Gerät als nicht schneller – und bei bestimmten Aufgaben sogar als deutlich langsamer – als ein klassischer Computer, wie Matthias Troyer letztes Jahr zeigte. Damit gewann der ETH-Professor zwar eine Wette mit einem Wissenschaftsblogger um eine Gallone kanadischen Ahornsirup, es tat sich aber auch ein vermeintlicher Widerspruch zwischen Simulation und Experiment (dem Gerät) auf. Heim nahm die Simulationsrechnungen genauer unter die Lupe und konnte den vermeintlichen Widerspruch auflösen: Die Simulationen, mit denen die Quanteneffekte auf herkömmlichen Computern nachgebildet wurden, haben ihre Grenzen, so ihr Fazit.

«Die Simulation kann man sich als ein System von Teilchen vorstellen, die in einer Landschaft mit Bergen und Tälern liegen», erklärt Heim. «Das zu lösende Optimierungsproblem ist, den tiefsten Punkt dieser Landschaft zu finden, wobei die Teilchen entweder die Berge überwinden können oder – falls man Quanteneffekte zulässt – diese auch untertunneln können.» Die Wege, welche die Teilchen zurücklegen, werden in der Simulation vereinfacht als Zickzack-Pfad beschrieben, definiert aus einer beschränkten Anzahl Wegmarken.

«Quanteninspiriertes Computing»

Es zeigte sich: Quanteneffekte halfen in der Simulation nur dann, das Optimierungsproblem sehr schnell zu lösen, wenn die Simulation sehr grob war, das heisst wenn sie Heim mit einer geringen Anzahl Wegmarken durchführte. Bei sehr vielen, eng gesteckten Wegmarken, also wenn die Simulation der Realität sehr nahe kam, zeigte sich kein «quantum speedup» mehr. «Grobe Simulationen, wie sie Wissenschaftler in den letzten Jahren durchführten, wiederspiegeln also nicht die Realität in echten Quantenoptimierungsgeräten wie D-Wave», sagt Troyer.

Nichtsdestotrotz lassen sich mit diesen groben Quantensimulationen manche Optimierungsprobleme sehr schnell lösen – und zwar auf herkömmlichen Computern, ohne auf quantenphysikalische Geräte angewiesen zu sein. Solche Quantensimulationen sind also per se bedeutend. Löst man mit ihnen Rechenaufgaben, würde man das jedoch nicht als Quantencomputing bezeichnen, sondern als quanteninspiriertes Computing, erklärt Troyer. «Es ist derzeit völlig offen, ob Optimierungsprobleme auf Quantenoptimierern oder mit quanteninspiriertem Computing auf herkömmlichen Computern effizienter gelöst werden können. Ich sage für die nächsten Jahre einen interessanten Wettstreit zwischen diesen beiden Ansätzen voraus.»

Quantenbeschleunigung theoretisch möglich

Auch wenn die Wissenschaftler bei der derzeitigen Generation von Quantenrechnern kein «quantum speedup» sahen, heisst das noch lange nicht, dass ein solches prinzipiell unmöglich ist. Durchaus möglich wäre, dass eine quantenphysikalische Beschleunigung bei einem zukünftigen Quantenoptimierer mit anderer Bauart auftritt, etwa bei einem Gerät, bei dem Quantenteilchen nicht nur mit Teilchen in der nächsten Umgebung, sondern auch über weitere Distanzen wechselwirken. «Es wäre interessant, das Potenzial von neuen Rechnerarchitekturen vor einer Konstruktion in einer Simulation zu testen», sagt Troyer. Bettina Heims Simulation könne genau das.

Die ETH-Studentin ist stolz, dazu ihren Beitrag geleistet zu haben. «Ich interessierte mich schon seit langem für Mathematik und Physik», sagt Heim, die ihre Matura mit dem hervorragenden Notendurchschnitt von 5,7 als Jahrgangsbeste abgeschlossen hat. Auch während ihrer Zeit als Spitzensportlerin sei es für sie klar gewesen, dass sie in der Zeit danach eines dieser beiden Fächer studieren möchte. «Derzeit liegen meine Interessen klar in der theoretischen Physik.» Die Arbeit in Troyers Gruppe liege im Schnittbereich von theoretischer Physik und Computerwissenschaften. Sie schätze, dass sie in dieser Gruppe theoretische Fragestellung bearbeiten könne, die dennoch einen starken Bezug zur Realität hätten, und die sie unmittelbar auch in Simulationen testen könne.

Grundeinstellung hilft im Studium

Gibt es Verbindungen zwischen dem Spitzensport und der akademischen Welt? Die beiden Welten seien schon verschieden, sagt Heim. Doch sie profitiere im Studium von Fähigkeiten, die auch im Spitzensport wichtig gewesen seien. So könne sie sich gut auf den Moment konzentrieren. Während des Bachelorstudiums arbeitete Heim noch in einem Teilzeitpensum als Eiskunstlauf-Trainerin. Da sei es wichtig gewesen, sich im Sport auf den Sport und im Studium auf das Studium zu konzentrieren.

Auch ihre Grundeinstellung, die sie schon im Spitzensport gehabt habe, komme ihr nun zugute. «Ich bin selbst verantwortlich für das, was ich mache. Und wenn ich etwas erreichen möchte, dann gibt es ausser mir selber keinen anderen Grund, es nicht zu erreichen», fasst sie zusammen.

Heim arbeitet auch während ihrem Masterstudium in der Gruppe von ETH-Professor Troyer mit. Und sie möchte dereinst in theoretischer Physik oder Computerwissenschaften promovieren. Gut möglich also, dass in den nächsten Jahren noch weitere hochkarätige Forschungsarbeiten aus ihrer Feder veröffentlicht werden.

Literaturhinweis

Heim B, Rønnow TF, Isakow SV, Troyer M: Quantum versus classical annealing of Ising spin glasses. Science, 12. März 2015, doi: externe Seite10.1126/science.aaa4170

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