Richtschnur für globalen Wissensmarkt

Phil Baty, Herausgeber des Times Higher Education World University Rankings, hielt diese Woche an der ETH Zürich einen Vortrag darüber, wie sich Hochschulrankings von einem Konsumententool für Studierende zu einem geopolitischen Indikator für die Wissenswirtschaft gewandelt haben.

Vergrösserte Ansicht: Phil Baty, Herausgeber des THE Rankings. (Bild: ETH Zürich/Josef Kuster)
Phil Baty, Herausgeber des THE Rankings. (Bild: ETH Zürich/Josef Kuster)

«Trotz aller Kritik an Hochschulrankings und ihren zahlreichen Unzulänglichkeiten spielen diese im globalen Hochschulwesen eine einflussreiche und positive Rolle», erklärte Phil Baty, Herausgeber des Times Higher Education (THE) World University Rankings, der diese Woche an der ETH Zürich einen Vortrag hielt. Als einflussreicher Hochschulexperte ist Baty stets am Puls der Bildungsindustrie. Die Universitäten stehen heutzutage unter zunehmendem Druck, das intellektuelle Kapital zu generieren, das die Innovationskraft und somit die Wirtschaftslage ganzer Länder vorantreibt. Ihre Aufgabe liegt nicht mehr nur darin, Bildung anzubieten, sie sind zu Maklern für wissensbasierte Märkte geworden.

In seinem Vortrag beschrieb Baty die einflussreiche Rolle, die den Hochschulrankings in der Gesellschaft zukommt. Er erwähnte, dass Rankings Leistungsmassstäbe zur Verfügung stellen, aufstrebenden Institutionen zu mehr Sichtbarkeit verhelfen, den Studierenden Entscheidungshilfen bieten und die strategische Planung beeinflussen, indem sie nicht nur den Wettbewerb, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen fördern. Sie bieten aber auch eine Angriffsfläche für Kritiker. Diese bemängeln, dass Institutionen versuchen könnten, das System «auszutricksen», indem sie gezielt in Bereiche investieren, die ihnen im Ranking mehr Punkte verschaffen. Baty verwies darauf, dass Universitäten Investitionen aus den richtigen Gründen erwägen sollten – nämlich zur Steigerung der Qualität. Der sich daraus ergebende Platz in der Rangliste sollte ein Nebenprodukt hoher Qualität und nicht der entscheidende Ansporn zur Anpassung und Optimierung der eigenen Strategie sein.

Globale Ziele

Technologische Fortschritte und die demografische Verschiebung hin zu Entwicklungsländern, vorwiegend in Asien, haben auch die Hochschullandschaft verändert. Gemäss Baty hat sich das Hochschulwesen in den letzten Jahrzehnten von einem «Elitesystem» hin zu einer Massenindustrie gewandelt. Bis 2025 wird die Zahl eingeschriebener Studierenden weltweit auf 260 Millionen geschätzt. Angesichts dieses Wandels hat der internationale Wettbewerb um Talente die Universitäten dazu animiert, ihren Ruf zu verbessern, indem sie sich mit anderen Institutionen und auch mit Industrievertretern zusammenschliessen, um ihre Wissensbasis zu erweitern. Baty erwähnte zwei Studien, die ergaben, dass das Ranking und der Ruf oder die «Marke» einer Hochschule zurzeit der ausschlaggebende Faktor sind, wenn sich Studenten zugunsten eines Auslandstudiums entscheiden oder Professoren ihren nächsten Karriereschritt planen.

Gemäss Angaben von Forschenden besteht an der ETH Zürich eine internationale Zusammenarbeit mit fast 10’000 Universitäten, Instituten, Nichtregierungsorganisationen, Behörden aus dem öffentlichen Sektor sowie Vertretern der Privatindustrie. Im Jahr 2014 lag der gemeldete Anteil der in Zusammenarbeit mit einem internationalen Partner herausgegebenen Forschungspublikationen bei 57 %: Die Institution ist zu einem Schmelztiegel geworden. Lehrkräfte, Personal und Studierende setzen sich multikulturell zusammen, sodass die ETH Zürich bei der «internationalen Ausrichtung», einem der fünf Schlüsselindikatoren im externe SeiteTHE World University Ranking, stets besser abschneidet als die besser platzierte Konkurrenz.

Hintergrund der Rankings

Ob man nun mit ihrer Methodik einverstanden ist oder nicht: Hochschulrankings sind mittlerweile äusserst einflussreich. Ursprünglich wurden sie entwickelt, um Studierende und ihre Eltern bei der Wahl einer Universität zu unterstützen. Heute gelten sie als «geopolitische Indikatoren», die sowohl die Regierungspolitik als auch privatwirtschaftliche Investitionen beeinflussen.

Wie bestimmt das THE also, welche Universität die beste auf der Welt ist? Das Ranking basiert auf fünf Kennzahlen: Lehre und Studium, Forschung und Zitierhäufigkeit werden je zu 30 % gewichtet, der Ertrag aus der Industrie (Innovation) wird mit 2,5 % bewertet und die internationale Ausrichtung mit 7,5 % der Gesamtwertung. Das THE verarbeitet enorme Datenmengen, die sich aus 13 Leistungsindikatoren, tausenden von Datenpunkten und den Rückmeldungen aus Meinungsumfragen ergeben. Das gemeldete Verhältnis von Lehrkräften zu Studierenden und der Ertrag pro Studierendem widerspiegeln die Qualität des Wissenstransfers innerhalb einer Institution. Investitionen aus der Industrie, Innovation, Forschungsumfang und Zitierhäufigkeit geben Auskunft über den Ruf einer Institution und ihre Fähigkeit, Wissen auch jenseits der Unterrichtsräume einem breiteren Teil der Gesellschaft zugute kommen zu lassen.

Baty hob zwar den Wert von Hochschulrankings hervor, anerkannte aber auch, dass solche Mechanismen gewisse Einschränkungen aufweisen. Es sei daher wichtig, transparent darzulegen, wie die Ursprungsdaten gesammelt und mit welcher Methodik sie ausgewertet werden. Bei den Rankings 2015/2016 wird das THE noch grösseren Wert auf Transparenz legen, da es dieses Jahr den Anbieter wechselt, und zwar von Thompson Reuters zu Elsevier und Scopus.

Die Zukunft der Schweizer Universitäten

Die Wissenswirtschaft in der Schweiz und in den Nachbarstaaten wird mit öffentlichen Geldern finanziert. Ist ein Modell, das ausschliesslich auf staatlichen Mitteln basiert, überhaupt nachhaltig? Gemäss der aktuellen Statistik der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (externe SeiteOECD) fliessen 5,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Schweiz in die Bildung. Das ist mehr als ein Prozentpunkt weniger als die Ausgaben der USA mit 6,6 %. Hinzu kommt, dass der Zugang der Schweiz zu Fördergeldern aus Horizon 2020 und anderen Förderprogrammen aufgrund der vergangenen Abstimmungen über Zuwanderungsbeschränkungen erschwert wurde. Zwar dominieren britische und US-amerikanische Universitäten nach wie vor die Spitze des THE World University Rankings. Dennoch rangieren immerhin sieben staatliche Universitäten aus der Schweiz unter den ersten 200. In einem früheren Interview gab Baty an, dass die Schweizer Universitäten mit internationalem Talent und internationaler Finanzierung sehr gute Chancen auf einen Aufstieg in die besten Zehn des THE-Rankings haben.

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