«Ein Haus zum Arbeiten, zum Leben und Durchatmen»

Am Montag hat die ETH das neue LEE-Gebäude am Oberen Leonhard feierlich eröffnet. Wie erleben nun seine Bewohnerinnen und Bewohner, die Mitarbeitenden der KOF und des D-MAVT das nachhaltigste Hochschulgebäude der Schweiz im Alltag?

Vergrösserte Ansicht: ETH-Präsident Ralph Eichler (Mitte) Jürg Dual (D-MAVT, links) Jan-Egbert Sturm (KOF, rechts). (Bild: Giulia Marthaler)
ETH-Präsident Ralph Eichler weiht zusammen mit Jürg Dual (D-MAVT, links) und Jan-Egbert Sturm (KOF, rechts) das neue LEE-Gebäude ein. (Bild. Giulia Marthaler)

Nach vierjähriger Bauzeit konnte gestern der Präsident der ETH Zürich, Ralph Eichler, das rote Band durchschneiden und mit diesem symbolischen Akt das neue Gebäude LEE am Oberen Leonhard feierlich eröffnen. Die ETH, so Eichler in seiner Festrede, sei dank ihrer exzellenten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine der innovativsten Hochschulen der Schweiz; daher sei es nur folgerichtig, wenn er nun auch eines der nachhaltigsten Hochschulgebäude hierzulande einweihen könne.

«Mit dem LEE bauen wir an der Hochschule der Zukunft», sagte Eichler mit Überzeugung und stellte in Kürze vor, was das über 40 Meter hohe repräsentative Hochhaus in ökonomischer, ökologischer und sozialer Hinsicht so nachhaltig macht: zum Beispiel die fortschrittliche Haus- und Lehrtechnik, die Verwendung bauökologischer und schadstofffreier Materialien und eine modular und nutzungsneutrale innere Raumorganisation.

Mehr Licht, mehr Platz, mehr Grün

Im Juni sind die ersten Bewohnerinnen und Bewohner in das Pioniergebäude aus dem ETH-Masterplan 2003 für das Hochschulgebiet Zentrum eingezogen. Mittlerweile haben fast alle Mitarbeitenden des Departements Maschinenbau und Verfahrenstechnik (D-MAVT) und der Konjunkturforschungsstelle (KOF) ihren taufrischen Arbeitsplatz in Beschlag genommen – oder, besser gesagt: vom Fleck weg ins Herz geschlossen. Der vom Architekten- und Planungsteam anvisierte «Wohlfühlfaktor» scheint sich unter den Hausbewohnern rasend schnell verbreitet zu haben: Auf Anfrage zeigen sich die Interviewten ehrlich begeistert von ihrer neuen Arbeitsumgebung.

Mehr Licht, mehr Platz, mehr Grün und viel mehr Atmosphäre, diese Schlagworte fallen in jedem Gespräch. «Ein Bijoux», «ein Gebäude zum Arbeiten, zum Leben und Durchatmen», «apart und mit hochwertigen Materialien gestaltet», «angenehmes Innenraumklima», «gute Akustik», «ein Haus, das sich nach den Bedürfnissen seiner Nutzer richtet», so lauten einige der gesammelten Zitate.

Erklärtes Highlight sind die beiden aussichtsreichen Stadtgärten, die in den letzten sonnigen Herbstwochen schon ausgiebig getestet wurden. «Solche Erholungszonen», sagt Drazenka Dragila-Salis, Direktorin des Infrastrukturbereichs Bauten der ETH, «sind im Zentrum rar – und werden daher umso mehr vermisst.»

Dieses Bedürfnis hat eine Befragung von ETH-Mitarbeitenden und Studierenden, die in der Umgebung der Rämistrasse lernen und arbeiten, kürzlich gezeigt. Die beiden mediterran bepflanzten und mit Bänken und Sonnenschirmen ausgestatteten Dachgärten bieten nun solch einen ruhigen Ort zum Nachdenken und Energie tanken.

Angesprochen auf ihre vorigen Arbeitsbedingungen fallen den Befragten noch einige andere Vorteile des LEE-Gebäudes ein. Jan-Egbert Sturm zum Beispiel, Professor für angewandte Wirtschaftsforschung und Leiter der KOF, freut besonders, dass die Konjunkturforschungsstelle ihr «Satellitendasein» in der Weinbergstrasse aufgeben konnte zugunsten von mehr räumlicher und gefühlter Nähe zum ETH-Hauptgebäude: « Uns hat sich eine ganz neue Welt eröffnet: Wir sind jetzt viel näher dran am Hochschulbetrieb und am studentischen Leben.»

Und nicht nur das: Auch die Mitarbeitenden der KOF untereinander können nun enger zusammenarbeiten. Statt zwischen drei verschiedenen Gebäuden hin und her zu pendeln, wie es bis dato der Fall war, konzentrieren sich die Büros nun auf zwei Etagen.

Direktere Wege, weniger Treppen

Charles Clavadetscher aus der IT-Gruppe der KOF und von Berufswegen «viel in Gebäuden unterwegs» weiss die verbesserte Infrastruktur zu schätzen: direktere Wege, weniger Treppen, leichter zugängliche Räumlichkeiten. Dass er – auch aufgrund der bewusst grosszügig gehaltenen Gänge und Zwischenbereiche – nun «60 Meter, einfache Strecke» ins Sekretariat zurücklegen muss, nimmt er sportlich.

Bei einem Rundgang durchs Gebäude kann man sich selbst ein Bild von jenen «Herzstücken des Gebäudes» machen, die Barbara Frank von der KOF-Arbeitsgruppe Umfragedienste im Gespräch so lobt. Das Architekturbüro Fawad Kazi und die Planergemeinschaft PG ETH LEE haben Begegnungszonen, Sitzecken und Teeküchen nicht in dunklen Nischen versteckt, sondern als wesentlichen Faktor einer modernen Bürowelt verstanden.

«Wir geniessen es», sagt Barbara Frank, «so schöne Aufenthaltsorte zu haben, an denen man sich informell mit Kolleginnen und Kollegen austauschen kann. Der Teambildung und Ideenfindung kommt das auf jeden Fall zugute.

Kreative Arbeitsumgebung

Ähnlich sieht das Mirko Meboldt, der als Professor für Produktentwicklung und Konstruktion am D-MAVT nach eigener Aussage hauptsächlich damit beschäftigt ist, neues Wissen zu generieren und in Anwendung zu bringen. «Forschungsideen», so der Professor, «entstehen häufig ganz nebenbei, beim Kaffee kochen oder bei zufälligen Gesprächen auf dem Gang.» Der frühere Standort mit seinen schmalen Fluren und klausenartigen Büros kam einem kreativen Dialog und spontanen Begegnungen kaum entgegen.

Ganz anderes die jetzige Situation: Die weitläufigen Aufenthaltsflächen im LEE-Gebäude lassen unterschiedliche Nutzungen zu. Meboldt hat die Kaffee-Ecke zusammen mit seinen Etagenkollegen unkonventionell gestaltet als eine Mischung aus Lounge und Denklabor mit Sitzsäcken, Sofas, Tischen, Whiteboards, Werkbänken und einem 3D-Drucker zum unmittelbaren Ausprobieren von Einfällen.

Schmunzelnd meint er beim Besuch an seiner neuen Wirkungsstätte: «Ich kann noch nicht beweisen, dass sich unsere Arbeitsproduktivität dank der verbesserten Arbeitsumgebung tatsächlich erhöhen wird. Aber ich glaube fest daran.»

Positive Rückmeldung auf das «Aufweichen etablierter Bürostrukturen» hat er bereits von seinen Doktorierenden erhalten. Die Nachwuchsforschenden können sich nun in einen «Fokusraum» mit sechs Arbeitsplätzen zurückziehen, um ungestört an ihren Publikationen zu feilen. Wer dagegen Forschungsideen weiterentwickeln will, nutzt den «Actionraum», in dem es dann auch laut und kommunikativ werden darf.

Arbeitsplätze für stilles Lernen

Nach demselben Prinzip der Unterteilung in Arbeitsplätze für Gruppen und solche für stilles Lernen sind auch die Bereiche für die Studierenden im LEE-Gebäude gestaltet. Ulrike Schlachter-Habermann, Koordinatorin am D-MAVT ist froh, dass auch die Studentinnen und Studenten in der Raumplanung mitgedacht und ins Gesamtkonzept integriert wurden.

Ihnen stehen nun verschiedene Orte am Departement – etwa in den Eingangsbereichen und auf den einzelnen Stockwerken – zur Verfügung. «Das D-MAVT hat mittlerweile die meisten Studierenden an der ETH, da ist nur richtig, ihnen den gebührenden Platz einzuräumen.»

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