Versöhnung einer Stadt mit ihrem Fluss

Die Beziehung der Einwohner Jakartas mit ihrem Fluss ist schwierig: Er ist Müllabfuhr und während der Regenzeit ungebetener Gast in Wohnungen und auf den Strassen. ETH-Architekturstudierende versuchten sich an Konzepten, um Fluss und Stadt miteinander zu versöhnen. Ihre Ideen stellen sie derzeit an der Architektur-Biennale in Rotterdam vor.

Vergrösserte Ansicht: Modell der Umwandlung des Ciliwung Flusses
Vogelperspektive eines Vorschlags für die Umwandlung des Flusses Ciliwung im Kampung Melayu. (Illustration: Shoichiro Hashimoto, Benedikt Kowalewski)

Viele grosse Städte der Welt liegen an einem Fluss. Er ist oft Flaniermeile, Lebensader, Wasserspender. Ein anderes Dasein fristet der Ciliwung, der durch Jakarta fliesst. Von planlos gebauten Häuserblocks eingeengt transportiert der Fluss Abfälle aus Industrie und privaten Haushalten, denn in den informellen Siedlungen der Stadt gibt es keinen organisierten Abtransport von Müll. Der Kehricht landet entweder direkt im Fluss oder auf einer wilden Deponie am Flussufer, von wo der aufgetürmte Abfall regelmässig vom Hochwasser mitgerissen wird.

«Die Strasse ist der Hauptbegegnungsort, der Fluss nur ein unbeachteter Hinterhof», fasst Philipp Urech, Mitarbeiter am Institut für Landschaftsarchitektur der ETH Zürich, die Situation im Stadtteil Kampung Melayu zusammen. Dem Fluss mehr Raum zu geben, um Überschwemmungen zu vermindern, und ihn als grünen Kanal in die Stadt zu integrieren, waren die Herausforderungen an die Architekturstudierenden im Projekt «Designing the Ciliwung River». Ihre Konzepte zeigen die Studierenden derzeit an der Architektur-Biennale in Rotterdam im Pavillon zum Thema Umgang mit Abfall.

Mehr Raum für Wasser und Begegnung

Vergrösserte Ansicht: Der Ciliwung fliesst durch den Kampung Melayu in Jakarta
Der Ciliwung fliesst durch das Kampung Melayu in Jakarta. Der Fluss tritt während des Monsun regelmässig über die Ufer und trägt Abfall mit sich. (Bild: Prof. Jörg Rekittke)

In enger Zusammenarbeit mit dem Future Cities Laboratory (FCL) der ETH Zürich in Singapur entwickelten die Studierenden Ideen, das Flussbett und den Wohnraum im Kampung Melayu umzugestalten. Dadurch sollte dem Ciliwung mehr Platz eingeräumt werden, damit die Wassermassen während des Monsuns leichter abfliessen können. Ausserdem sollten neue Begegnungsorte entstehen wie beispielsweise kleine und grössere Gärten entlang des Ciliwung.

«Die Herausforderung für die Studierenden war, über eine grosse Skala hinweg zu denken, angefangen beim einzelnen Wohnhaus bis hin zum ganzen Stadtbild», erklärt Urech, der die Studierenden gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen unter der Führung von ETH-Professor Christophe Girot betreut hat. Mehr Raum für den Fluss und für Begegnungsorte zu schaffen bedeutete gleichzeitig, die einzelnen Wohneinheiten umzugestalten, um den Wohnraum zu verdichten. «Besonders wichtig für die Studenten war der Besuch vor Ort», betont Urech. Dabei hätten sie Eindrücke sammeln können, wie viel Wohnraum benötigt werde und welche Begegnungsorte wie beispielsweise kleine Märkte bereits vorhanden seien.

Dem Fluss Natürlichkeit zurückgeben

Vergrösserte Ansicht: Entwurf eines Flussparks
Detailsicht eines entworfenen Fluss-Parks entlang des Ciliwung in Kampung Melayu (Illustration: Lorraine Haussmann, Kylie Russnaik)

Ein zentraler Bestandteil des Designkonzepts war die topografische Bearbeitung des Flussbettes, welches die Wassermassen durch die Stadt schleust. Die Studierenden entwickelten gefräste Modelle, um gezielt die Form einzelner Segmente des Flusses zu untersuchen. Weiterhin sollten die Konzepte Ideen für Abfallsammelstellen, Recycling-Einrichtungen, Flächen für Urban Farming und Parks sowie Orte für Workshops und Begegnung beinhalten. Ziel war es dabei, den Einwohnern des Kampungs eine Alternative zu den wilden Mülldeponien zu bieten und dem Fluss möglichst viel seiner Natürlichkeit zurückzugeben, um aufzuzeigen, wie die Anwohner den Flussraum attraktiver nutzen könnten.

Gemeinsam mit Studierenden der Nationalen Universität Singapur und des FCL feilten die Nachwuchsarchitekten an ihren Ideen und testeten sie in 3D-Simulationen im ValueLab, dem Simulationsmodul des FCL. «Wir haben den Studierenden keine Vorgaben in Sachen Kosten oder Konstruktionsmethoden gemacht, um ihnen die Freiheit zu lassen, eine Vision zu gestalten», räumt Urech ein.

Konkrete Umsetzungspläne gebe es zwar nicht, aber die Ideen wurden in einer Ausstellung in Jakarta Entscheidungsträgerinnen und Stadtbewohnern vorgestellt, und nun in Rotterdam dem Fachpublikum, sagt Urech. Das Projekt schärfe den Sinn der Studierenden für Probleme wie Überschwemmungen und Abfallentsorgung und für Lösungsansätze, die auch auf andere Städte und Länder übertragbar seien.

Weitere Informationen

Das Studierenden-Projekt «Designing the Ciliwung River» der Professur für Landschaftsarchitektur wird an der externe SeiteInternationalen Architektur-Biennale in Rotterdam präsentiert.

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert