U-Multirank: Qualität nicht als Ranglistenplatz

Hochschulen schmücken sich gerne mit ihrem Erfolg bei grossen Hochschul-Rankings. Aber die Reduktion auf einen Ranglistenplatz wird der Vielfalt der Bildungs- und Forschungslandschaft nicht gerecht. Abhilfe schaffen soll nun U-Multirank, ein neues Instrument zum internationalen Vergleich von Hochschulen. Wie, erklärt Urs Hugentobler vom Controlling der ETH Zürich.

Vergrösserte Ansicht: Urs Hugentobler
Urs Hugentobler vom Controlling der ETH Zürich. (Foto: Peter Rüegg / ETH Zürich)

Herr Hugentobler, es gibt ja bereits eine Vielzahl von Universitäts-Rankings, von QS World University über Shanghai bis zu jenem von Times Higher Education (THE). Warum nun noch ein neues?
Das U-Multirank ist aus der Diskussion in Europa rund um die angelsächsischen Rankings wie QS und THE entstanden. Die Grundidee ist, dass man nicht nur ein eindimensionales Hochschul-Ranking will, bei dem alles in eine Rangliste gepresst wird, sondern ein umfassenderes Bild. Vor allem eines, das die ganze Diversität der Hochschullandschaft berücksichtigt. Man wollte nicht nur grosse Forschungsuniversitäten darin abbilden, sondern auch Fachhochschulen oder kleine spezialisierte Colleges, die nur eine Bachelor-Ausbildung anbieten.

Darin unterscheidet sich U-Multirank von den bisherigen Rankings?
In den bisherigen Rankings kommen die kleinen Institutionen zwar vor, aber nur sehr weit hinten. Das beachtet niemand. Beim U-Multirank kann ich als Nutzer selber bestimmen, was ich vergleiche: So kann ich zum Beispiel nur die öffentlich finanzierten, mittelgrossen Institutionen anschauen, die nur Bachelor- und Masterabschlüsse, aber kein Doktorat anbieten. Dadurch kann ich eine Vorauswahl treffen und ähnliche Bildungseinrichtungen miteinander vergleichen.

Der Vergleich beruht aber immer auf den gleichen Kriterien?
Im Prinzip ja, aber als Nutzer kann ich die Kriterien auswählen die mir wichtig erscheinen, zum Beispiel wenn mir die Internationalität einer Institution oder ihre regionale Verankerung besonders wichtig ist. Letztere hat vor allem in Europa einen hohen Stellenwert.

Das Ergebnis dieses Vergleichs ist nun keine Rangliste mehr, sondern …?
Es gibt zwar eine Art Rangliste, aber diese wird eingeteilt in fünf Stärkegruppen, von sehr stark bis schwach. Anders als zum Beispiel beim THE-Ranking hat man so keine erzwungene Rangliste, wenn es eigentlich kaum Unterschiede gibt. Platz 1 und 29 zum Beispiel können beim U-Multirank in der gleichen Gruppe (A) sein. Minimale Unterschiede zwischen Hochschulen werden so nicht mehr auf einen Unterschied von mehreren Rangplätzen aufgebläht.

Löst das neue Ranking die Probleme der bisherigen?
Wenn man keine Ranglisten mehr möchte, die kleine Unterschiede zwischen Hochschulen künstlich vergrössern, dann kann U-Multirank bisherige Probleme lösen. Aber man kann nicht mehr sagen «Das ist die beste, das ist die zweitbeste Hochschule». Aus Sicht der Medien ist das vielleicht ein Rückschritt, weil die Resultate nicht mehr so eindeutig erscheinen.

Auch das Ranking des Center for Higher Education (CHE) bemüht sich um individuellere Vergleiche zwischen Hochschulen. Ist das U-Multirank eine Weiterentwicklung des CHE?
Das CHE ist stark involviert in die Entwicklung dieses Rankings, denn die Methodik basiert auf dem CHE-Ranking. Dieses stützt sich überwiegend auf Studierendenbefragungen ab. Auch die multidimensionale Sicht, dass die Nutzenden den Hochschulvergleich ihren eigenen Gewichtungen gemäss anpassen können, wurde vom CHE übernommen und im Rahmen von U-Multirank für internationale Vergleiche ausgebaut.

Wie wird sich das neue Ranking-Konzept auf die «althergebrachten» Rankings wie QS und THE auswirken?
Wohl nicht sehr. QS und THE bieten den Institutionen die Möglichkeit, sich ihre Rangierung auf die Fahnen zu schreiben, zum Beispiel «wir sind Platz 5». Wer das will, wird das neue Ranking kaum beachten. Aber es schafft mehr Transparenz und es ist ein Ranking, dass die Institutionen und einzelne Fachbereiche auch wirklich nutzen können. In den Ingenieurswissenschaften erhalten wir über U-Multirank sehr detaillierte Rückmeldungen aus den Studierenden-Befragungen, welche die einzelnen Departemente nutzen können.

Wie schneidet die ETH beim U-Multirank ab?
Bei vielen Indikatoren sind wir in der ersten Gruppe, zum Beispiel bei Forschung und Wissenstransfer. Die Ergebnisse brauchen aber stellenweise etwas Interpretation. Zum Beispiel ist die ETH bei der Erfolgsquote der Bachelor-Studierenden nur im Mittelfeld. Das liegt aber an den hochschulpolitischen Rahmenbedingungen, nicht an der Qualität der Ausbildung der ETH. In der Schweiz haben Studieninteressierte freien Zugang zu den Universitäten; die Selektion findet in den ersten ein bis zwei Studienjahren statt. In Ländern, in denen sich die Studieninteressierten um einen Platz an der Universität bewerben müssen, wird bereits vor Studienbeginn selektiert. Da setzt man alles daran, dass die vorselektierten Studierenden erfolgreich abschliessen, was zu Erfolgsquoten von 90 bis 95 Prozent führt.

Warum wurden diese Unterschiede nicht berücksichtigt?
Es wurde im Vorfeld diskutiert, aber dann als zu komplex auf die Seite gestellt. Es ist in der Tat ein grosser Nachteil dieses Rankings, dass diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen nicht einbezogen werden.

Zeichnet sich denn darüber hinaus Verbesserungspotenzial für die ETH ab?
Dafür muss man sich die Ergebnisse im Detail anschauen und mit der eigenen Strategie und den Zielvorstellungen abgleichen. Wenn uns die nationale respektive regionale Verankerung wichtig ist, macht es Sinn, dass wir den Bachelor mit nationalem Fokus anbieten. Dementsprechend schwach schneiden wir beim Indikator «Foreign language bachelor programmes» ab. Aus dem Vergleich mit ausgewählten Institutionen können wir allenfalls Verbesserungspotential ableiten, zumindest aber stellen sich Fragen, denen spezifisch nachgegangen werden muss. U-Multirank kann dazu den Einstieg ermöglichen, für die Erarbeitung von Lösungen sind aber mehr und detailliertere Informationen nötig.

Weitere Informationen

Das externe SeiteU-Multirank enthält Informationen zu mehr als 850 Hochschulen, mehr als 1000 Fakultäten und über 5000 Studienprogrammen in 70 Ländern. Die Bewertung der fünf Bereiche Lehre, Forschung, regionale Verankerung, Wissenstransfer und internationale Orientierung beruht auf Studierendenbefragungen (für einzelne Fächer), Angaben der Institutionen selbst (Studierendenzahlen, Studienangebot, Lehrpersonen etc.) und bei Forschungspublikationen auf der Basis von Daten von Thomson Reuters, die auch für das THE-Ranking verwendet werden. Die Gesamtwertung umfasst die gesamte Institution, Fächer-bezogene Auswertungen stehen bislang für die ETH nur in den Fachbereichen Electrical Engineering, Mechanical Engineering und Physik zur Verfügung. U-Multirank ist das Projekt eines EU-Konsortiums unter Leitung des Center for Higher Education Policy Studies (CHEPS) der Universität Twente in Holland und des Center for Higher Education (CHE) in Deutschland.

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